Arbeiterschaft und Krieg.

Haben wir im vorstehenden die Frage der Stellungnahme zum Kriege vom sozialdemokratischen Standpunkt aus betrachtet, so wollen wir hier dieselbe aus den für die Arbeiterschaft maßgebenden Gesichtspunkten behandeln. Wir haben zu Anfang schon einmal gesagt, dass dieser Weltbrand mit grausiger Deutlichkeit zeigt, welcher Widerspruch klafft zwischen den sozialdemokratischen Anschauungen und den Hoffnungen der Arbeitermassen, den Interessen der Partei und den Interessen des werktätigen Volkes.

Liegt irgendein Grund vor, der den Proletarier veranlassen könnte, in irgendeiner Weise freudig und freiwillig an einem Kriege teilzunehmen, um sein „Vaterland“ zu verteidigen? Wir sagen nein, denn heute mehr als je ist der Satz berechtigt, dass der Proletarier kein Vaterland hat, das er verteidigen müsse, dass er nur einen Feind hat, den er zu bekämpfen habe, den internationalen Kapitalismus.


Nehmen wir das russische Vaterland. Es nimmt dem Arbeiter einen großen Teil des Ertrages seiner Arbeit, um damit die Einrichtungen zu unterhalten, die ihn unterdrücken und es den Besitzenden ermöglichen, ihn auszubeuten.

Das russische Vaterland gebraucht ihn ferner, um ihm die besten Jahre seines Lebens zu verbittern während der niederdrückenden Dienstzeit in der Armee, in der Flotte. Es gebraucht ihn ferner dazu, dass er sich auf dem Altar des Vaterlandes der Reichen opfere, wenn deren Interesse es erfordert. Das russische Vaterland schließt ihn, weil er arm ist, vom Wissen aus und bietet ihm in der Schule als Ersatz ein Surrogat von religiösen, patriotischen und sonstigen Lügen, die nur den Zweck haben, ans ihm ein möglichst williges und demütiges Ausbeutungsobjekt zu erziehen.

Und verlangt der russische Arbeiter oder Bauer vom Staat etwas, was ihm nützen könnte, oder versucht er, von seinem Ausbeuter höhere Lebensbedingungen zu erlangen, so gibt ihm der Staat für seine Bravheit und Dummheit die Knute. Er schickt ihn in die Gefängnisse, verbannt ihn nach Sibirien, lässt ihn in den Katorga-Gefängnissen elendiglich verrecken oder schlägt oder schießt ihn durch seine Schergen nieder. Und da soll der russische Arbeiter Russland verteidigen?

Das gleiche gilt für Deutschland. Durch Steuern direkt, durch Zölle indirekt ausgebeutet, muss auch der deutsche Proletarier im Interesse der Herrschenden einige Jahre seines Lebens hinter Kasernenmauern zubringen. Er muss ebenfalls zur höheren Ehre des Vaterlandes sein Blut darbringen, desselben Vaterlandes, das seinen Hunger mit Gefängnis stillt, das seine Stimme hinter schwedischen Gardinen erstickt, das dem Arbeiter seine väterliche Güte mit Polizeisäbel und blauen Bohnen zum Bewusstsein bringt, wenn er es wagt, wider den Stachel zu locken.

So ist es in Frankreich. Gleichfalls ausgebeutet und unterdrückt, hat auch dort der Arbeiter kein Recht auf eine menschenwürdige Existenz. Auch dort bekämpft die Regierung die Freiheitsbewegung und lässt die Freiheitskämpfer im Gefängnis schmachten oder deportiert sie. Auch dort treibt der Polizeiknüppel und die Gewehrkugel dem Arbeiter Vernunft ein. Pariser Kommune, Raon l'Etappe, Villeneuve St. Georges und eine Menge anderer Kriegsschauplätze des sozialen Kampfes sind Zeugen dafür. Auch dort wird der junge Proletarier einer unwürdigen Behandlung ausgesetzt während der Militärzeit, ist er sehr unbotmäßig so sind seine paradisischen Garnisonen in den Fiebergefilden Tonkins, in den Wüstengegenden Algeriens oder Marokko. Auch die französische Regierung zwingt ihn, sein Blut zum höheren Nutzen des Reichtums zu verspritzen.

Und dem Arbeiter blüht in allen Ländern das gleiche Schicksal, zur Ausbeutung und Sklaverei verdammt zu sein. Väterlich ist überall sein „Vaterland“ gegen ihn gesinnt. Er muss gehorchen, damit andere herrschen können. Er muss schuften von früh bis spät, damit andere in Freude und Überfluss schwelgen können. Aus seinen Knochen presst der Unternehmer glänzendes Gold. Und das sogenannte Vaterland hilft dem Reichen bei diesem Werke, indem es unbotmäßige Empörer niederknüppeln oder mundtot machen lässt.

Welches Gefühl sollte da den Arbeiter veranlassen, die Flinte auf die Schulter zu nehmen, um die Grenzen seines Vaterlandes, also seine eigenen Ketten, zu verteidigen?

Und wie verteidigen? Indem er seine Arbeitsbrüder, die der Zufall als Angehörige eines andern Staates zur Welt kommen ließ, niederschießen soll? Seine Leidensgenossen, die ebenso wie er unter der Unterdrückung schmachten, denen ebenfalls ihr „Vater“ Staat und ihre heimische Kapitalistensippe vom so reichlichen Ertrage ihres Schaffens so viel überlassen, dass sie nicht gerade Hungers sterben müssen, die soll er töten? Gegen seine Arbeitsbrüder, die mit ihm Schulter an Schulter sich in den Fabriken abgemüht haben, die Seite an Seite mit ihm den Kampf um höheren Lohn, kurze Arbeitszeit udgl. geführt haben gegen das Unternehmertum, gegen diese soll er nun als Feind auftreten?

Waren sie nicht vordem seine Freunde, seine Kampfesgenossen gegen ihren gemeinsamen Feind, das Unternehmertum? Und nun sollen sie im Interesse dieses gemeinsamen Feindes sich gegenseitig abschlachten?

Das sind die Gründe, die für die Arbeiterschaft stets eine unbeugsame Gegnerschaft zum Kriege erwecken müssen. Kein patriotisches Geplärre, keine Schmeicheleien der Regierungen, keine Parteiinteressen oder dergleichen dürfen dieses einzig ehrliche Gefühl verdunkeln.

Aber diese unbeugsame Stellung gegen jeden Krieg wird auch von keiner Notwendigkeit, die sich aus den Zielen des Freiheitskampfes der Arbeiter ergeben oder aus dem Arbeiterkampfe selbst hervorwachsen könnte, umgeworfen.

Wohin zielt die Freiheitsbewegung der Arbeiter? Mehr Lohn, mehr Freiheit zu erhalten. Dies ist nur möglich, wenn das heutige Privateigentum, das durch den Staat geschützt und gestützt wird, beseitigt wird. Die Masse der Schaffenden selbst, muss die Leitung der Produktion, die Verteilung der Gebrauchsgüter übernehmen.

Die Arbeiter bilden freie, selbständige Gruppen, vereinigt auf Grund beruflicher, arbeitsgemeinschaftlicher oder sonstiger Interessen. Diese freien Gruppen regeln ohne den Einspruch einer andern Körperschaft das Wirtschaftsleben. Andere freie Gruppen regeln wieder die übrigen gemeinsamen Interessen, die aus dem menschlichen Zusammenleben sich ergeben. Es ist ein großer Irrtum, den die Sozialdemokratie begeht, indem sie glaubt, das der Staat die Regelung des Wirtschaftsleben, in die Freiheit gewährendem Sinne, durchführen kann. Freiheit für die Menschheit kann nur dann existieren, wenn die Einzelmenschen frei sind. Die Einzelmenschen aber sind nur frei, wenn sie ihre eigenen Angelegenheiten selber ordnen können. Aufs Wirtschaftsleben übertragen heißt dies, dass sie sich mit anderen, die gleiche Interessen haben, verbinden, um durch diese Verbindung, auf Grund freier Verträge, ihre gemeinsamen wirtschaftlichen und sonstigen Angelegenheiten zu regeln.

Deshalb braucht die Arbeiterschaft auch für ihre Zukunftsziele keinen irgendwelchen Staat. Im Gegenteil, sie muss jedes Staatsgebilde als hinderlich für die Freiheit, und die heutige kapitalistische Ordnung stützend, bekämpfen. Die Arbeiterschaft hat also auch hier niemals eine Ursache, den Staat in irgend einer Weise gegen Angriffe zu verteidigen. Für das Proletariat kann es gleich sein, ob ein eingeborener Herrscher oder ein fremder Eindringling die Herrschaft führt, da nationale Unabhängigkeit für das Proletariat keinen Pfifferling wert ist. Der Kampf desselben muss auf die Beseitigung der Staaten gehen. Die Verteidigung der Grenzen, damit die staatliche Größe nicht geschmälert wird, muss die Arbeiterschaft denen überlassen, die ein Interesse daran haben.

Hat das Proletariat nun keine Ursache, einen Finger, zu rühren für die Unabhängigkeit des Vaterlandes, so hat es ebenso wenig Ursache, Einrichtungen zu unterstützen, oder zu reformieren, die zur Verteidigung der Grenzen dienen sollen. Die Fragen des Heeres und der Marine können es nur so weit interessieren, als es gilt, diese Einrichtungen rücksichtslos zu bekämpfen. Gibt doch das Proletariat nicht nur den Ertrag seiner Hände Arbeit, um diese Einrichtungen möglich zu machen, sondern auch das Blut und Leben seiner Söhne. Und wozu? Damit das Heer, wenn es nötig ist, von den Herrschenden auch gegen den sogenannten inneren Feind, gegen aufbegehrende Volksgenossen, gebraucht werden kann.

Auch der Kampf der Arbeiter selbst erfordert eine ehrliche, rücksichtslose Stellung gegenüber jeden Krieg und jeden Militarismus.

Die Arbeiterschaft kann nur dann ihren Freiheitskampf in wirksamer Weise durchführen, wenn sie denselben auf dem Felde führt, wo sie unentbehrlich ist, und deshalb eine Macht bedeutet. Dies Feld, wo die Arbeiterschaft eine Macht darstellt, ist das Wirtschaftsleben. Unentbehrlich, wie die Nahrung zum Leben, die Kohle für die Maschine ist, so unentbehrlich ist die menschliche Arbeitskraft für die Erzeugung aller Gebrauchsgüter. Man könnte alle Pfaffen, alle Richter, alle Bureaukraten, alle Regierenden u.s.w. ruhig ihres Postens entheben, ohne dass damit das gesellschaftliche Leben zum Stillstand kommen, müsste. Man kann aber nicht für einen Tag der menschlichen Arbeit entraten, sondern ein Entziehen der schaffenden Hände würde das gesamte Wirtschaftsleben und alle übrigen Verhältnisse in Verwirrung bringen. Deshalb muss die Arbeiterschaft als ihr hauptsächlichstes Kampfesmittel die Verweigerung der Arbeitskraft in Anwendung bringen.

Ist nun die Ausbeutung und Unterdrückung international; so muss deshalb der Kampf der Arbeiter gegen diese Unterdrückung und Ausbeutung ebenfalls international geführt werden. Die Arbeiterschaft eines Landes muss deshalb mit den Arbeitern aller anderen Länder in Verbindung treten, um mit ihnen den Kampf gemeinsam gegen die gemeinsamen Feinde zu führen. Um dies zu ermöglichen, ist erste Vorbedingung, dass jedes patriotische Gefühl, jeder Gedanke, dass die Angehörigen anderer Länder minderwertig seien, dass die Arbeiter gleiche Interessen mit den Kapitalisten und Herrschenden des eigenen Landes haben, aus den Herzen der Proletarier gerissen werde. Ebenso muss jeder Gedanke für die Notwendigkeit eines Heeres aus 'dem Gefühlskreise der Arbeiter ausgerottet werden. Denn sie werden immer die im eigenen Lande geschaffene Armee als Geißel spüren, wenn sie es wagen, gegen den Kapitalisten vorzugehen.

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50 Jahren sind vergangen, seitdem die alte Arbeiterinternationale gegründet wurde. Sie ging zu Grunde an dem Streit zwischen Marx und Bakunin, welcher Streit in Wirklichkeit die scharfe, aber notwendige Auseinandersetzung zwischen Staatssozialismus und kommunistischen Anarchismus bedeutete. Nun ist in den Trümmern des Weltkrieges auch die sozialdemokratische Internationale zugrunde gegangen. Sie war weniger Arbeiter-, mehr Parteiinternationale, und scheiterte an den vorwiegend nationalen Interessen, die die Sozialdemokratie haben muss. Aber, aus der heute zusammengebrochenen „modernen“ Arbeiterbewegung wird eine neue Arbeiterbewegung sich entwickeln; die endlich ehrlich international wird, da sie auf staatsgegnerischer, anarchistischer Grundlage aufgebaut werden muss. Nur wenn Anarchismus die Herzen der Arbeiter erfüllt, können alle nationalen Einflüsse aus der Arbeiterbewegung entfernt werden, und es wird den Herrschenden dann unmöglich sein, wiederum in einen Weltkrieg die Arbeiter auf die Schlachtbank zu führen. Seine eigenen Interessen recht erkennend, wird das Proletariat nur für diese in den Kampf treten. Dieser Kampf wird international gegen dös internationale Ausbeutertum geführt werden.

Es lebe der internationale Befreiungskampf der Arbeiter!

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