Die Sozialdemokraten und die Bildung

Aus: Neue Tiroler Stimmen. Für Gott, Kaiser und Vaterland. Nr. 173 Jahrgang XVII., Dienstag, 31. Juli 1877.
Autor: (D.R.Z.), Erscheinungsjahr: 1877

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Bildung, Sozialdemokratie, Sozialdemokraten, Christen, Schulbildung, Vergesellschaftung, Produktionsmittel, Arbeit, Arbeiter, Christentum, Schulen, Lehrer,
Bildung soll, so meinen unsere Liberalen, wie gegen Schlechtigkeit und Verbrechen, so auch gegen die Sozialdemokratie das kräftigste, ja das einzige Heilmittel sein. Baut Schulhäuser rufen sie darum, schafft Lehrer herbei und lasset die Kinder möglichst viel lernen: tut ihr das, so habt ihr einen kräftigen Damm errichtet gegen jede verbrecherische Handlung und gegen das Umsichgreifen der Sozialdemokratie.

Dass diese Behauptung nicht zutrifft in Betreff der Verbrechen, ist schon oft gesagt und nachgewiesen worden. Zu den ärgsten Verbrechern zählen wohl die zahlreichen Gründer, die es verstanden haben, ihren Mitbürgern Millionen aus den Taschen herauszuschwindeln, und von denen ein leider immer nur noch geringen Teil von dem Arme der strafenden Gerechtigkeit erfasst worden ist. Dass sie der Bildung ermangelt haben in dem Sinne, wie unsere Liberalen sie aufzufassen belieben, wird niemand behaupten wollen; aber die „Bildung“ hat sie nicht abgehalten, hat sie im Gegenteil eben in den Stand gesetzt, an Tausenden ihrer Mitbürger ihre Betrügereien auszuüben.

Jene Behauptung trifft aber auch nicht zu in Betreff der Sozialdemokratie. Verschiedene Herren, die die Sozialdemokratische Partei bei der letzten Wahl in den deutschen Reichstag geschickt hat, entbehren durchaus nicht der Bildung, und auch sonst kämpfen Manche in den Reihen der Partei, die fürwahr auf den Schulbänken wohl etwas gelernt haben. Es widerspricht offenbar den tatsächlichen Verhältnissen, wenn man glauben machen will, nur die Dummen ließen sich von den Sozialdemokraten fangen.

In der Tat denken auch die Letzteren ganz anders: nicht für nachteilig, sondern für förderlich halten sie die Bildung ihren Bestrebungen. Ja, so weit gehen Sie, dass in ihrem Zentral-Organ, dem „Vorwärts“, vor einigen Wochen zu lesen war, der Sozialismus finde seine Heimstätte am leichtesten dort, wo die größte Bildung herrsche, und er werde als ein neues Bildungs-Element von der gebildeten Bevölkerung gern aufgenommen. Und einige Tage später wagte dasselbe Blatt sogar zu behaupten, die intelligentesten Studenten seien durchweg Sozialdemokraten.

Das die Schulbildung ein unübersteiglicher Damm für die Sozialdemokratie sei, kann nur behaupten, wer vor der Wirklichkeit der Dinge die Augen verschließt; indessen verrechnen sich auch die Sozialdemokraten, wenn sie aus den bei den Reichstagswahlen abgegebenen Stimmen den Schluss ziehen wollen, dass die gebildeteren Landesteile ihnen gehören

Es ist auch schwerlich ein Grund zu erkennen, weshalb die Gebildeten mehr, die Ungebildeten weniger leicht für die sozialdemokratischen Ideen zu gewinnen sein sollten. Die Lehre des Sozialismus, dass man alle großen Arbeitsmittel, die Fabriken mit ihren Maschinen und sonstigen Einrichtungen, die großen Güter mit ihren Wirtschaftseinrichtungen beschlagnahmen und die Erträge unter die Arbeiter in „gerechter Weise“ verteilen wolle, dass aller Privatbesitz, so weit er nicht Ertrag der Arbeit sei, abgeschafft, also gleichfalls für die Allgemeinheit in Beschlag genommen werden solle, die Darstellung, dass der Arbeiterstand zu wenig Lohn bekomme, dass er bedrückt werde und manches Ähnliche, - Alles ist doch in der Tat derartig, das auch Diejenigen es verstehen werden, die nicht lesen und schreiben können. Warum vorzugsweise die Gebildeten für eine solche Konfiskation und Teilung zu begeistern sein sollen, ist absolut unverständlich. Vor den verderblichen Theorien der Sozialdemokratie schützt weder Bildung, noch das Strafgesetz, sondern einzig und allein das tätige Christentum. (D.R.Z.)

Neue Tiroler Stimmen 1877

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