Man kennt die Mode der Krinolinen, deren Volumen mehr oder weniger den Umfang aller Damen gleich macht, ...

Man kennt die Mode der Krinolinen, deren Volumen mehr oder weniger den Umfang aller Damen gleich macht, indem sie dem unteren Teil ihrer Kleidung ein glockenförmiges Aussehen verleiht. Das Auge hat sich an diese bizarre Mode gewöhnt, die Maler und Bildhauer mit Verzweiflung als grobe Geschmacksverwirrung zurückweisen müssen, da sie zu der Natur und den schönen Überlieferungen Griechenlands und Roms in krassem Widerspruch steht. Aber wie jeder Mißbrauch Gutes und Böses gebiert, sei hier erzählt, was diese künstliche Rundung Frauen des Volkes, die der Macht der Mode folgten, eingegeben hat. Einige junge, sehr schlanke und habsüchtige Mädchen hatten beschlossen, vier Schweinsblasen rundherum unter ihrer Kleidung zu befestigen, damit sie die modische Körperfülle gäben. Diese Schweinsblasen waren mit Branntwein angefüllt, den sie so über die Barriere schmuggelten. Dies Verfahren trug einer jeden 20—25 Sols täglich ein. Die Häufigkeit ihres Kommens ließ sie den Zollbeamten verdächtig erscheinen, und man nahm sie aufs Korn; als man aber ihre Kleider abfühlen wollte, verteidigten sie sich mit mutiger Keuschheit. Schließlich kam einer der Beamten eines Tages darauf, die verdächtige Fülle der Passantin zu sondieren, ohne daß sie es merkte. Er durchstach ihren Rock mit einem zugespitzten Instrument: sogleich verriet ein emporsprudelndes Brünnlein von Branntwein den Betrug, und die von dem Abenteuer ganz verwirrte Schmugglerin wird festgenommen.

Seit dieser Entdeckung versichert man, daß Frauen an den Barrieren postiert sind, die beauftragt sind, Passanten des schöneren Geschlechts anzuhalten und zu untersuchen, und daß sie sich mit ebensoviel Eifer wie Scharfblick ihres Auftrags entledigen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sitten des Rokoko.