Hier ein Scherz, der zu lustig war, um nicht vollkommen gelungen zu sein. ...

Hier ein Scherz, der zu lustig war, um nicht vollkommen gelungen zu sein.

Er bezieht sich auf einen Unglücksfall, der sich neulich auf dem Boulevard ereignet hat:


„Gesuch an den Herrn Baron von Breteuil. Monseigneur wird mit größter Untergebenheit von Denis Topineau, Bürger von Paris, wohnhaft in der Rue de Poitou im Marais, maison du Chapelier, ersucht wie folgt:

Wie er gestern, etwa um I Uhr nachmittags, seinen Weg in einer Seitenallee des Boulevard Saint-Honore zwischen der Wache des Corps de Garde und dem Speicher der Madeleine verfolgte, um nach Hause zum Essen zu seiner Frau zu gehen, die die Töpfe auf dem Feuer hatte; wie er nichts ahnend dahingeht, als eine Karosse, die bis dahin in einer Seitenallee vor einer Haustür gestanden hatte, plötzlich los und ihm mit der Deichsel in die Rippen gefahren sei, so daß er, alle vier in der Luft, hingestürzt wäre; er, der Bittsteller, habe schnell seine Seele Gott empfohlen, denn er habe sich schon tot oder wenigstens verstümmelt gesehen. Mit großer Mühe habe er sich mit Hilfe guter Leute aufgerichtet, die ihn dann unterstützt und nach Hause geführt hätten. Als seine Frau ihn in diesem Zustande habe heimkehien sehen, mit zerrissener und beschmutzter Hose, habe sie angefangen laut zu schreien, und ein Unwohlsein habe sie überfallen. Man habe den Apotheker von der Ecke nebenan gerufen, der ihn untersucht und eine dicke Schwellung gefunden habe, auf die einer seiner Jungen einen Umschlag schweizerischer Kräuter gelegt und ihm gesagt habe, daß er während acht Wochen viel leiden würde, daß es aber nichts auf sich habe.

Darauf habe sich Frau Topineau ein wenig beruhigt, die Nachbarn und sie wünschten, daß er zur Ader gelassen würde, aber er selbst habe es, ängstlich, wie er sei, nicht gewollt.

Der Bittsteller räumt ein, Monseigneur, daß es nicht Schuld des Wagens sei, daß er nicht gerädert oder nicht verstümmelt worden ist, und daß er Gott eine schöne Kerze schuldig ist.

Die guten Leute, die ihn heimgeführt hätten, haben ihm erzählt, wie der Kutscher und die Bürgersfrau, die drinnen, und der rotlivrierte Lakai, der hintenauf saß, aus voller Kehle über seinen Purzelbaum gelacht hätten. Daß eine andere Karosse und zwei sehr hochsitzige Kabrioletts an der Haustür in der besagten Seitenallee gestanden seien, deren Insassen vor Lachen erstickt wären: daß eine Dame mit einem Mietswagen in diesem Hause wohne; daß diese Dame ein Freudenmädchen namens Rosalie sei, und daß die fragliche Karosse entweder die ihrige oder die ihres Herrn gewesen sei; es sei wahr, daß an dieser Stelle der Chaussee Steine für die neue Madeleinekirche aufgehäuft gewesen seien, die den Verkehr etwas hinderten, aber doch den Karossen genügend Platz zum Anfahren ließen, um die Seitenallee frei zu halten; daß es dem Überlebenden zweckmäßiger scheine, wenn das bewußte Fräulein Rosalie sich die Mühe gäbe, zu Fuß die Seitenallee und die Steine zu überschreiten, um ihre Equipage am anderen Straßenende zu besteigen, als über den Bauch guter Pariser Bürger zu fahren, die ihr Zwanzigstel und ihre Kopfsteuer pünktlich zahlen und alle bereit wären, auch für die Bodensteuer aufzukommen; daß dies nicht dei erste Unglücksfall ist, der vorgekommen wäre, zumal in anderen Seitenalleen, besonders an der Ecke der Rue Favart, bei der Comedie Italienne, oder in einer anderen hinter der Oper, Boulevard Saint-Martin, wo gleichfalls Freudenmädchen logierten; daß indessen die Seitenallee des. Boulevards nur für Fußgänger bestimmt sei, und Equipagen, Kabrioletts und Pferde niemals dort passierer dürften; daß man, bloß weil man ein Freudenmädchen sei, nicht das Recht habe, jedermann zu überfahren; daß diese Erlaubnis höchstwahrscheinlich vor gewissen Kommissären und Polizeiinspektoren ausginge, da sie wortlos geduldet würde, daß sie aber den Privilegien des Pariser Bürgers widerspräche; daß jedoch die Fußgänger, wenn sie es darauf ankommen ließen, die Stärkeren sein würden, daß man sich aber kompromittieren würde, wenn man mit seinem Stock gegen Pferde oder andere Tiere anginge; daß der König, wenn er dies wüßte, die Dinge bald in Ordnung bringen würde.“

Der Bittsteller, der glücklicherweise mit einigen Kontusionen und einer verdorbenen und zerrissenen Hose davongekommen ist, deren er hofft in sechs Wochen kuriert zu sein, ist zu zartfühlend, um Entschädigungen und Ersatz von der Demoiselle Rosalie zu beanspruchen; da er aber fürchtet, ein anderes Mal nicht so gut wegzukommen, schlägt er vor, Monseigneur, das, was er aus diesen Ausführungen beliebte, dem König vorzutragen, damit es den Karossen, Kabrioletts und Pferden, gleichgültig welcher Herkunft, verboten werde, die Bürger der guten Stadt Paris unter ihre Füße zu treten; daß den besagten Karossen, Kabrioletts und Pferden geboten würde, sich auf der Boulevardchaussee und nicht in der Seitenallee zu halten, so daß sie unter keinem Vorwand besagte Seitenallee besetzen könnten, um hier mit den Fußgängern, zu deren großem Nachteil, in buntem Durcheinander herumzufahren; daß es gleichfalls angeordnet würde, die Straßen sauberer zu halten und daß Gerechtigkeit geschaffen werde.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sitten des Rokoko.