Herr von B., ehemaliger Königsgardist und Schwager des Marquis von P., befand sich mit seiner Frau bei einem Souper. ...

Herr von B., ehemaliger Königsgardist und Schwager des Marquis von P., befand sich mit seiner Frau bei einem Souper. Jemand erzählte Diebsgeschichten. Herr von B. ergreift das Wort und sagt, daß dies ein weit verbreiteteres Laster sei als man meinen möge, und daß man Beispiele hätte, daß selbst junge Leute von Stand sich dazu verführen ließen.

Bei diesen Worten versucht Frau von B. ihren Mann zum Schweigen zu bringen. Irgend jemand in der Gesellschaft ersucht, zweifellos um die Dame zu erzürnen, ihren Gatten, fortzufahren. Er ließ sich nicht lange bitten und sprach weiter „Im Anfang meiner Ehe schlief ich keineswegs bei meiner Frau. Als sie eines Abends zu Bett ging, wollte ich ihr gute Nacht wünschen, als ich plötzlich ein Geräusch in ihrem Ankleidezimmer wahrnehme; ich ergreife ein Licht, trete ein und sehe jemanden, der sich unter einem Gewand zu verbergen sucht; ich ziehe es fort und erblicke den denkbar schönsten jungen Mann. Ich frage ihn, was er da sucht. Mein junger Mann antwortet mir mit bebender Stimme: ,Verzeihen Sie, ich schäme mich, Ihnen einzugestehen, daß meine Absicht war, Ihnen ein Kleinod zu rauben, das Sie zu sehr vernachlässigten.‘


Aber, sage ich ihm, schämen Sie sich nicht, ein so verächtliches Metier auszuüben? Sie verdienten, daß ich Sie festnehmen ließe. Seine Schönheit entwaffnete mich, und ich ließ ihn laufen. Sie verstehen wohl, daß meine Frau vor Angst mehr tot als lebendig war. Wenige Tage darauf gehe ich zum König, öffne die Kammertür, und siehe da, mein Dieb inmitten des Appartements. Ich sage zum Türhüter: ,Was macht hier solch ein Schelm wie dieser da?‘ Der Türhüter antwortet mir: ,Sie sagen, gnädiger Herr? Dies ist der Chevalier von B.‘ Nun wohl, mein Freund, habe ich erwidert, der Chevalier von B. ist ein Dieb, ich hätte ihn nur festzunehmen brauchen.“ Man versteht wohl, daß eine derartige Geschichte die Gesellschaft auf Kosten des Erzählers amüsieren musste, und daß er sie selbst erzählen musste, um die Lacher auf seiner Seite zu haben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sitten des Rokoko.