Frau Dugazon, Schauspielerin an der Comédie Italienne, war höchstens bei ihrem fünfzehnten oder sechzehnten Liebhaber seit sechs Monaten ...

Frau Dugazon, Schauspielerin an der Comédie Italienne, war höchstens bei ihrem fünfzehnten oder sechzehnten Liebhaber seit sechs Monaten (so lange lebte sie von ihrem Gatten getrennt), als dieser es sich einfallen ließ, ihr Verhalten unrecht zu finden. Der Graf von *** war an der Reihe bei der Schönen, als Dugazon eintritt. Nach einer kleinen Pause sagt er zu seiner Frau: „Gnädige Frau, wünschen Sie dem Herrn Grafen einen guten Abend. Heute bleibe ich hier.“ Die Schöne stammelt zitternd dem Grafen einige Worte des Abschieds und winkt ihm zu gehen, um Streitigkeiten auszuweichen. So bleibt der Gatte Sieger auf dem Schlachtfeld, aber der Graf war sehr schlechter Laune. Am nächsten Tag am übernächsten Tag geht er überall herum und erzählt, daß Dugazon ein liederlicher Bursche, ein durchtriebener Kerl sei und daß er ihm die Ohren abschneiden werde. Da die Ohren von Dugazon noch nicht abgeschnitten waren, so wurden sie heiß von allen diesen Dingen, die ihm hinterbracht wurden. Der Zufall wollte es, daß er einige Tage später mit dem Grafen zusammentraf, der dieselben Reden vor ihm wieder anfing. Dugazon, der einer der tapfersten Komödianten dieser Zeit ist, deutet ihm an, daß er solche Beschimpfungen nicht dulden könne. Diese Erklärung zieht eine andere nach sich: der Graf gibt ihm eine tüchtige Ohrfeige, und in der nächsten Sekunde gibt sie ihm der andere aus aller Kraft zurück. Die beiden Gegner brennen darauf, sich zu schlagen; man trennt sie, man bewacht sie. Dugazon wird von der Polizei gemaßregelt, und seiner Frau, mit allen ihren Talenten, wird mit dem Zuchthaus gedroht. Das ist das Ergebnis der Ohrfeigen der beiden Herren. Im Palais-Royal ist man sehr neugierig, die Wendung zu erfahren, die die große Angelegenheit nehmen wird. Man fragt sich im Caveau, wie das enden und was der Graf mit der Ohrfeige tun werde, die er bekommen habe. „Wer weiß,“ antwortet ein Spaßvogel, „vielleicht wird er sie zu den übrigen legen.“ Die Prophezeiung hat sich bewahrheitet.

Der Herr Graf von A**, Generalleutnant der Armeen des Königs, ist ins Gefängnis gebracht worden, weil er das Feldgericht beleidigt hat. Des Gefängnisses und der Ordnung, die er beobachten muss, müde, lässt er dem alten Marschall von Richelieu eines Tages sagen, daß er nicht mehr von seiner Frau getrennt leben könne, daß er gefoltert werde von den ungestümen Wünschen, die die Natur in ihm mit einer zu gebieterischen Stimme sprechen lasse, als daß er sie zum Schweigen bringen könne. Mit der entzückenden Heiterkeit, die er sich bewahrt hat, rief der Marschall von Richelieu aus: „Ah, sagen Sie Herrn von A . . ., daß er nur aus dem Gefängnis herausgelassen würde, nachdem er mich sein geheimes Mittel habe wissen lassen.“


Einige junge Offiziere hatten einen Streit mit der Wache bei Nicolet. Die Sache wurde bekannt und vor das Gericht der Marschälle gebracht. Der alte Herzog besinnt sich, daß er jung und Soldat gewesen war. Seine ritterliche Art lässt ihn den Übermut der jungen Offiziere billigen, und er tadelt die Leute der Wache. Einer dieser jungen Adligen ruft laut: „Herr Marschall, ein Soldat hat die Unverschämtheit gehabt zu sagen, daß er sich den Teufel um Sie schere!“ — „Das mag sein, aber da er Sie, mein Herr, nicht gebeten hat, es mir wiederzusagen, haben Sie die Güte, sich nach dem Gefängnis zurückzubegeben.“

Der Herzog von *** überraschte eines Tages seine teure Hälfte in den Armen des Erziehers seines Sohnes. Die würdige Gattin sagt zu ihm mit herzoglicher Unverschämtheit: „Warum waren Sie nicht da? Wenn ich meinen Kutscher nicht habe, nehme ich den Arm meines Lakaien.“

Der Chevalier von *** war zum Souper bei dem Fräulein Theophile. Sie sprachen von den süßen Freuden und waren voll der Hoffnung, sie bald zu genießen. Das Fräulein lässt, inmitten ihres verliebten Rausches, einige Seufzer entfliehen. „Was haben Sie, mein schöner Engel?“ „Mein Freund, ich muss dir etwas bekennen, ich brauche zwölf Louis äußerst notwendig.“ „Göttliche, ich bin in Verzweiflung: ich habe keinen Pfennig, nicht das geringste. Welches Vergnügen würde es mir gewesen sein, dir diese Kleinigkeit zu schenken.“ „Schenken?! Ah, mein Freund, ich kenne deine Lage. Es war ein einfaches Darlehen, das ich wünschte und nur für wenige Tage. Ich verkaufe meinem guten Freunde meine Gunst nicht.“ Darauf folgt ein Erguß der zärtlichsten Gefühle. Man setzt sich zu Tisch, und bald wirft man sich in die Arme der Liebe, um für die Härten dieses verwünschten Schicksals sich zu entschädigen. Man hört an die Tür klopfen. Der Chevalier weiß nicht was tun. „Ah, das ist er“, sagt das Fräulein erschrocken. „Er“ war ein reicher Finanzmann, der die großen Ausgaben des Fräuleins bestritt, indes der Chevalier statt seiner geliebt wurde. Der Chevalier flüchtet in ein Nebenzimmer. Der Finanzmann läuft, mit seinen beiden krummen Beinen, auf seine Geliebte zu: „Endlich, meine Königin, habe ich mich frei gemacht von diesem unglücklichen grünen Tisch, an den ich genagelt war. Verdammt, die Geschäfte gehen ganz und gar nicht. Die Steuerpachten sind des Teufels; es gibt nur dreißig für hundert, und bald gibt es nur noch Wasser zu trinken.“ „Ah, mein Herr! ich bitte Sie, lassen Sie mich mit Ihren Geschäften. Meine Migräne wird stärker. O, guter Gott, guter Gott! Das sind Schläge auf meinen Kopf! O, o, o!“ — „Aber, meine Liebe, das ist ein dummes Kopfweh, ganz außer der Zeit, zum Teufel mit dieser Migräne! Ich komme . . .“ „O, mein Herr, gehen Sie, gehen Sie!“ „Ich soll nicht mit dir zu Abend essen? Und hier ist schon ein Gedeck bereit!“ — „Ja, ganz richtig — ich wollte gerade etwas essen, als dieses unglückliche Kopfweh mich überraschte. Um Gottes willen, lassen Sie mich, lassen Sie mich, das sind unerhörte Qualen. Ich hoffe, daß die Ruhe mich wieder herstellen wird.“ — „Ruhe? aber ich? was habe ich für mein Geld?“ — „Für mein Geld — hören Sie — haben Sie zwölf Louis, die Sie mir geben können? Ich bin in einer Hundelaune. Es ist für eine Putzmacherin, die mich nicht atmen lässt.“ — „Was soll das heißen mit deiner Putzmacherin‘? Unter uns, meine liebe Freundin, weißt du, wie viel du mich kostest? O, ich kann rechnen!“ — „Pfui bezahlt man seine Freuden? Ich muss diese zwölf Louis augenblicklich haben. Bekomme ich sie nicht sofort, kratze ich Ihnen die Augen aus!“ — „Zieh’ die Krallen ein, meine Katze, kratze nicht — ich sage dir, daß ich kein Geld habe. Morgen.“ — „In dieser Minute muss ich es haben. Man hat wirklich was an diesen Herren der Steuerpacht — sie sind von einer Knauserei!“ — „Willst du mir nicht einen Kuss geben?“ — „Ich Sie küssen? Ich würde lieber . . . Spaßhafter Herr!“ — Während der Finanzmann das Fräulein umarmt, legt er geschickt zwölf Louis auf den Kamin und entschließt sich, seine Lukretia zu verlassen, mit ihrer Migräne, die sie quält. Sie begleitet ihren Krösus bis an die Tür, ohne seine Aufmerksamkeit bemerkt zu haben. Das Fräulein kommt zurück und beklagt sich über den unbeugsamen Geiz dieser Geldleute. „Meine Liebe,“ sagt der Chevalier zu ihr, „ich gebe dem Verlangen nach, Ihnen zu Diensten zu sein; ich verhehle nicht, daß ich gezaudert habe, aber die Liebe reißt mich hin. Nehmen Sie diese zwölf Louis. Sie sind, meiner Treu, mein ganzes Vermögen.“ Die Geliebte ist entzückt und verspricht, diese Summe gut anzuwenden. Sie essen in heiterer Laune zu Abend und die Nacht vergeht noch angenehmer. Am nächsten Morgen eilt der Finanzmann zu seiner Treuen; er stirbt vor Verlangen zu erfahren, welche Empfindung sein Angebinde hervorgebracht hat. Er erwartet Dankesbezeugungen, Zärtlichkeiten. Man empfängt ihn mit hässlichen Schimpfworten; man erklärt ihm sogar, daß er seinen Abschied nehmen könne. „Aber“, schreit der Finanzmann „meine Kleine, Sie sind undankbar. Habe ich Ihnen gestern nicht diese zwölf Louis gegeben, um die Sie mich in so übler Laune gebeten haben?“ — „Sie haben mir diese zwölf Louis gegeben? Sie?“ — „Ja, ja, ich selbst. Ich habe sie auf Ihren Kamin gelegt.“ Streitigkeiten, Vorhaltungen, Weigerungen, dem Herrn zu glauben. Er leistet alle Eide, er schwört bei Plutus. Man lässt sich endlich überreden. „Ich muss annehmen,“ sagt das Fräulein, „daß ich bestohlen worden bin.“ Das Geschenk wird noch einmal gemacht. — Kaum hat das Fräulein den Chevalier wieder gesehen, als es lachend zu ihm sagt: „Ich glaube, mein Herr Spitzbube, daß ich Ihnen diese zwölf Louis nicht zurückzugeben brauche. Komm: man verzeiht der Liebe alles. Wir werden zusammen essen, auf die Freigebigkeit dieses Herrn.“ Der Chevalier bekannte alles, lachte selbst darüber, und die beiden Verliebten waren noch eifriger, den Finanzmann zu betrügen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sitten des Rokoko.