Ein junger Gardeoffizier, der in der Gesellschaft debütierte, toll verliebt in die Mlle Granville, eine berühmte und reiche Kurtisane, ...

Ein junger Gardeoffizier, der in der Gesellschaft debütierte, toll verliebt in die Mlle Granville, eine berühmte und reiche Kurtisane, hatte ein seltsames Mittel entdeckt, um die Gunst dieser Schönen unentgeltlich zu genießen. Da er die englische Sprache gut genug beherrschte, um sich nicht zu blamieren, mietete er eine der elegantesten Equipagen und folgte der Nymphe unter dem Namen eines Mylord Drakes nach der Oper. Nach Schluß der Vorstellung bemühte er sich in auffälliger Weise, ihr zu ihrem Wagen zu verhelfen, und bestieg vor ihr, nach erfolgter Erlaubnis, ihr seine Aufwartung zu machen, seine sehr elegante Equipage. Die Sirene oder die Harpyie, wenn man will, denn sie vereinigte beides, vermutete keinen Augenblick den wahren Rang dieses Herrn, der seine Rolle ausgezeichnet spielte.

Am nächsten Morgen präsentiert sich Mylord: im englischen Frack, mit einer Jockeymütze, Reitstiefeln, in der Hand eine kleine Peitsche.


Da seine Erscheinung zu Hoffnungen berechtigt, wird er empfangen und beglückt. Man bespricht für denselben Abend ein Souper und eine sechsmonatliche Verlängerung dieser süßen Trunkenheit in Paris, da die Dame diese Liaison für das größte Glück ihres Lebens hält. Er ladet sie also zu einem glänzenden Souper ein, das er seinen Landsleuten in seinem Hotel in der Rue Colombier gibt, wo er wohnt, und verlässt sie. Damen ihrer Art lieben solche Ausländersoupers (dies ist der Terminus technicus) bis zur Tollheit, weil sie wissen, daß sie Gelegenheit bieten, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, das heißt, wenn man einen Mißerfolg hat, sich wo anders festklammern und mit vollen Händen nehmen kann. Sie ist ganz geschwollen bei diesem Gedanken, spricht während des ganzen Tages von nichts als diesem Souper, und nichts fehlt, um sie elegant und geschmückt erscheinen zu lassen.

Die Stunde schlägt, sie verlangt nach ihrem Wagen, fährt fort und kommt an. Aber welche Überraschung! Da ist kein Mylord Drakes im Hotel (garni!). Niemand dieses Namens hat je dort gewohnt; kein vorbereitetes Souper; niemand, den man erwartet. Sie versteht, daß sie von Mylord betrogen worden ist.

Man erzählt, daß sie, selbst sehr erfahren und solchen Scherzen nicht abhold, diesen Streich sowie den Akteur so unterhaltend gefunden habe, sich dann selbst um ihn bemüht hätte, und schließlich, als sich Lord Drakes als armer, aber schöner junger Gardeoffizier entpuppte, der den Witz eines Engels besaß, nahm sie ihn als zweiten Liebhaber, mit jenem anderen, der vor einigen Jahren die Veranlassung zum Bruch mit Herrn von J** und ihrem Sichzurückziehen nach Sainte Pélagie war, nachdem sie ihm Briefe erpreßt hatte, die zurückzugeben sie sich immer weigerte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sitten des Rokoko.