Ein Soldat des Regiments von *** verlässt ohne Einwilligung seiner Vorgesetzten seine Garnison und kommt ...

Ein Soldat des Regiments von *** verlässt ohne Einwilligung seiner Vorgesetzten seine Garnison und kommt nach Paris zu seinem Obersten, ihn um die vakante Stelle eines Unteroffiziers zu bitten. Dieser leichtsinnige Schritt setzte ihn der Gefahr aus, wie ein Deserteur bestraft zu werden. Kaum hat er das Haus betreten, bemerkt ihn die Frau des Obersten und ist frappiert von seinem Aussehen, seinem Wuchs, seinen Zügen.

Unser Soldat ist wie Herkules gebaut, und die Marquise ist Liebhaberin.


Ein Diener teilt dem Hergereisten mit, daß Mlle Julie, die erste Kammerfrau der Marquise, ihn zu sprechen wünscht und ihn in dem Zimmer erwartet, in das man ihn geleitet.

Dort findet unser Soldat eine schwarzäugige Brünette, in einem mehr als galanten Deshabillé, die eine nicht wenig einladende Stellung angenommen hat. „Was wünscht Ihr, mein Freund, was verlangt Ihr von Monsieur?“ Der Soldat erklärt den Zweck seiner Reise; man verspricht ihm vollen Erfolg. „Setzt Euch zu mir, Ihr seid ein schmucker, junger Bursch; es wäre schade gewesen, wenn eine so schöne Gestalt nicht mit der Uniform geschmückt worden wäre. Aber diese hässlichen Borten sollt Ihr nicht tragen, o, bald sollen sie von silbernen ersetzt sein.“

Der Soldat fühlt sich nicht mehr ganz frei und bemerkt bald, daß ihm zwei gute Dinge auf einmal in den Schoß fallen sollen Man zweifelt nicht daran, daß diese Festung, die sich so bereitwillig erbot, gar bald genommen war.

Hier handelte es sich nicht um eine Blockade, es gab keine Zeit zu verlieren, und die Truppen bemächtigten sich in zwei Minuten der Stadt und der Zitadelle.

Als der Soldat eine Stunde der Eroberung genossen hatte, dachte er wieder an sein Vorhaben; es war wichtig für ihn, daß er am nächsten Morgen wieder bei seinem Korps exerziere. Man lässt ihn allein; eine halbe Stunde später ruft man ihn zum Obersten. „Mann,“ sagt ihm der Marquis, „meine Frau hat sich auf die Empfehlung eines Mädchens, dem ich vertraue, für Euch interessiert und mich verpflichtet, nicht nur das Unerlaubte Eures Schrittes zu entschuldigen, sondern Euch auch die Gunst, die Ihr fordert, zu gewähren. Verliert keinen Augenblick, Euch wieder zu stellen, ich werde dem Major schreiben, daß er einen Vorwand für Eure Abwesenheit finde, aber ich kann nicht zugeben, daß sie noch länger dauere.“ Der Soldat ist im Begriff aufzubrechen, nachdem er sich in Dankesbeteuerungen erschöpft hat, als ihn der Marquis zurückruft. „Wartet einen Moment, mein Freund, Ihr selbst sollt meine Befehle überbringen, und indessen mein Schreiber sie verfasst, will ich Euch Eurer Wohltäterin vorstellen; folgt mir zu Madame.“

Der Oberst und der neue Sergeant treten in das Appartement der Marquise, die sich noch im weißen Deshabillé befindet. Kaum bemerkt sie der Soldat, ruft er aus: „Meine liebe Julie, wie sehr bin ich Ihnen dankbar.“ Madames Verwirrung bei diesem seltsamen Ausbruch hätte wohl genügt, auch einem blinderen Mann als dem Obersten die Augen zu öffnen; die Zufälle mehren sieh, ihn aufzuklären: die wirkliche Julie, die, welche ihre Kammer, ihren Namen und ihre Schürze hergeliehen hatte, tritt ein.

Der arme Ehemann befragt sie, und sie ist schwach genug, zu beichten. — Im übrigen hat das Beispiel von Tausenden seiner Schicksalsgenossen den Obersten bestimmt, sich ins Unvermeidliche zu schicken.

Man versichert, daß die Empfehlung dieser keuschen Gattin noch immer seinen Geist beeinflusst.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sitten des Rokoko.