Ein Finanzier, der eine sehr galante Frau besaß, war auf Reisen; sie profitierte von seiner Abwesenheit, ...

Ein Finanzier, der eine sehr galante Frau besaß, war auf Reisen; sie profitierte von seiner Abwesenheit, um sich allen ihren Gelüsten hinzugeben.

Das Maßlose ihres Benehmens nahm so überhand, daß es zu Ohren ihrer Eltern kam, die ihr darüber Vorwürfe machten; sie versprach ihnen, ihre Lebensweise zu ändern; doch tat sie dies nur scheinbar. Sie mietete ein kleines Haus und veranstaltete hier oft kleine, leichtsinnige Soupers, bei denen die Zügellosigkeit regierte. Besonders liebte sie den Champagner, und sie wußte wohl, daß ihr Mann besonders guten besaß. Wie aber sollte sie den aus seinem Hause herbeischaffen, ohne den Hausverwalter ins Vertrauen ziehen zu müssen? Einer ihrer Freunde gab ihr einen Rat. „Geben Sie vor,“ sagte er, „an einer dieser Unpäßlichkeiten zu leiden, denen Ihr Geschlecht leider unterworfen ist. Schicken Sie nach mir als einem fremden Arzt. Ihre Leute kennen mich kaum; ich werde mich verkleiden und übernehme die Verantwortung für alles Weitere.“ Wie gesagt, so getan. Man schickt nach dem Arzt; nachdem er viel Worte gemacht hat, schickt er nach dem ältesten und besten Champagner. Er lässt ihn mit einem Pulver, dem er große Heilkraft nachrühmt, aufkochen, und verschreibt Madame jeden Tag ein solches Bad. Seine Vorschrift wird ausgeführt. Jeden Morgen bringt der Maitre d’hotel für Madames Gesundheit drei Flaschen von Monsieurs ausgezeichnetem Weine. Die Kammerzofe, die eingeweiht war, schickte sie in das bewußte kleine Haus; auf diese Weise war der Keller bald geleert. Als der Gatte nach seiner Rückkehr ein großes Souper gab, schickte er nach seinem guten Weine. „Es ist keiner mehr da“, ist die Antwort. „Wie,“ erwidert er, „ich habe doch mehr als 200 Flaschen zurückgelassen!“ — „Das ist wahr,“ antwortet der Maitre d’hotel seinem Herrn, und indem er sich seinem Ohre nähert: „Aber Madame benutzte ihn jeden Morgen während ihrer Krankheit zu ihren Waschungen.“ „Bei Gott,“ ruft der Finanzier aus, „nun bin ich nicht mehr erstaunt, daß er soviel Dummheiten gemacht hat, wo er sich jeden Morgen betrank!“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sitten des Rokoko.