Der Abbe P** begab sich nach der Besitzung eines seiner Freunde im Limousinischen. Als er in einen Wald kommt, ...

Der Abbe P** begab sich nach der Besitzung eines seiner Freunde im Limousinischen. Als er in einen Wald kommt, hört er sich von einem Reiter, der hinter ihm galoppierte, also begrüßt: „Guten Tag, Mitbruder!“

Er wendet sich um und erblickt einen jungen, wohlgekleideten und gutberittenen Geistlichen, mit dem er bis zu sinkender Nacht die Reise in angenehmster Weise fortsetzt. Dieser vereinigte mit dem liebenswürdigsten Ton der guten Gesellschaft oberflächliche, aber unerschöpfliche Kenntnisse aller Art. Er gab sich als einen Seminaristen und Unterdiakonus aus L**. aus. Bei einer Herberge angekommen, beschließen die beiden, die schon aufs beste miteinander stehen, gemeinsamen Tisch und Bett zu machen.


Gegen Ende des Mahles beginnt der angebliche Seminarist Verse aus der Pucelle zu zitieren.

„Mein Bruder,“ sagt der gute, keusche Abbe P**, „sind alle Abbés aus Limousin so fröhlich wie Ihr? Ihr scheint mir recht lustig, um nichts Schlimmeres zu sagen!“ Der vermeintliche Abbé erhebt sich bei dieser Anrede in großem Zorn. „Sprich doch, beschnittener Jude,“ ruft er aus, „glaubst du denn, ich sei ein päderastischer Pfaffe?“ Und im gleichen Moment lösen seine Hände halb eine kurze Jacke und lassen flüchtig die verführerischsten Anzeichen eines Geschlechts sehen, das sein Gefährte weit entfernt war, zu vermuten.

Der Abbe behauptet, er hätte sich nur mit den Augen von der Wahrheit seiner Entdeckung überzeugt. Er ist bewunderungswürdig, wenn er mit Unschuldsmiene erzählt, wie er die Hand der Schönen ergriff, die, verwirrt und bewegt von ihrem unbesonnenen Streich, zu weinen begann, und daß er fraglos das Opfer seines Entzückens geworden wäre, wenn er nicht beschlossen hätte, hinunterzugehen, ein besonderes Zimmer zu bestellen und, wenn auch nicht ohne Kampf und Bedauern, abzureisen, bevor noch die unbekannte Schöne erwacht war. Hier sei übrigens erzählt, worum es sich handelte.

Fräulein von B**, dies ist der Mädchenname des angeblichen Abbé, wurde 1757 zu A** geboren. Von der Natur wurde sie mit allen Talenten begabt, die eine ausgezeichnete Erziehung später entwickelt hat. Die Tugend, die den anderen Tugenden der Frau ihren Glanz verleiht, gesteht sie, dem Namen nach gekannt zu haben, ohne doch daran zu glauben. Junge Bewohner von Berrichons bocen sich, von ihrem wollüstigen Aussehen verführt, dazu an, sie in die Lehre zu nehmen; die Schülerin gereichte ihnen zur Ehre, denn, nachdem sie alle ihr geliehenen Romane verschlungen hatte, ließ sie sich entführen und nach Paris bringen, um dort den ihren zu erleben. Die Hauptstadt vervollkommnete ihre schönen Anlagen. Sie wurde nacheinander Komtesse, Baronin, Marquise usw. Schließlich verflog alles eines Tages, nachdem sie einem Seigneur, der für ihre Ausgaben sorgte, einen lärmenden Treubruch angetan hatte.

Die Prinzessin wurde, um diesen Titel zu behalten, genötigt, zur Bühne zu gehen. Unglücklicherweise hatte die Debütantin neben ihren erstaunlichen Talenten für die Kulissen gar keine für die Szene selbst.

Verfolgt vom Johlen und Pfeifen der Pariser trat sie in eine Provinztruppe ein, wo ihr hübsches Gesicht und ihre schöne Stimme ihr großen Beifall eintrugen. Bald wurde sie die Heldin einer Menge Abenteuer; sie hielt viele zum Narren und wurde manchmal selbst genarrt.

Vom Theater degoutiert, trat sie in den Dienst Plutus’ und hatte die Kühnheit, endlich in ihr eigenes Vaterland zurückzukehren.

Eine scheinbare Reform des Körpers und des Geistes bestrickten Herrn Du**, einen Beamten des Hôtel de la Monnaie von A**, und er war töricht genug, sie zu heiraten.

Bald gingen die Wasser wieder ihren alten Lauf, und Hymen gebot keineswegs der Liebe halt. Mme Du** erregte durch ihre Tollheiten derartiges Aufsehen, daß es dem Gatten ein leichtes wurde, einen Haftbefehl gegen sie zu erlangen.

Die Ungetreue ahnte dies und entfloh; der Dummkopf verfolgte sie an der Spitze einer Brigade; bald war sie angehalten Ohne sich zu verwirren, spielte die Komödiantin ihre Rolle aufs glänzendste, zeigte aufrichtigste Reue, warf sich vor diesem Narren auf die Knie und wußte sein Herz derart zu rühren, daß er sie in Gegenwart der Häscher heiß in die Arme schloß. Dieses hatte seine Frau gewollt. „Um meine Rückkehr zur Tugend zu verkündigen, wünsche ich an diesem Orte selbst ein Fest zu veranstalten“, sagte sie, „und ich verpflichte mich, die Kosten zu tragen.“ Das opulenteste Souper wurde bestellt, und der von ihren Händen geschickt verschwendete Wein tat seinen Zweck. Ihr Mann, die Gendarmen, der Wirt und die Wirtin, alle bis zur Herbergsdienerin lagen in tiefstem Schlaf.

Den Moment geschickt benützend, stiehlt sich die reuige Sünderin hinaus, besteigt ein Pferd der Brigade, reitet zwanzig Meilen und lässt ihre Kleider, die sie verraten können, zurück; ihre fürstlichen und ehelichen Titel sind nicht mehr; sie wird nun eine kleine Schäferin.

Es ist erwiesen, daß sie tatsächlich sechs Wochen lang die Hammel eines limousinischen Bauern gehütet hat, daß sie dank ihrer Geschicklichkeit, sich allen Situationen anzupassen .und alle Rollen zu spielen, die Gunst der guten Dorfbewohner gewann; ihre weißen Hände kneteten ihr hartes Brot; sie lernte es, ihren Kindern vorzulesen, und lieh den langen Abenden Reiz, indem sie lustige Geschichten erzählte, die sie für sie zurechtstutzte.

Indessen machte Herr Du**, ihr wenig begüterter Gatte (so sagt man), einen Fehler in seinem Amt; ungeschickt, wie er war, wurde er überführt, und wenig protegiert, wurde er mit der ganzen Strenge des Gesetzes, bestraft. Nach Paris gebracht, wo er sein endgültiges Urteil empfangen sollte, sollte er gehangen werden.

Seine barmherzige Frau war nicht die letzte, die diese Nachricht empfing; sie hätte bedauert, daß ihr Gatte seinen letzten Atemzug getan hätte, ohne diesem Schauspiel beizuwohnen.

Sie eilt nach Paris, und von da war sie zurückgekommen, als der Abbe P** von ihr mit einem „Guten Tag, mein Bruder“ begrüßt wurde. Man sagt, sie habe behauptet, deshalb das geistliche Kleid gewählt zu haben, um so die Ehre zu erlangen, ihrem armen Mann die letzte Beichte abzunehmen.

Jetzt lebt sie in Argenton mit der M . . . , beide als Schande des einen Geschlechts, der Skandal des anderen und ewiger Gegenstand des Stadtklatsches.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sitten des Rokoko.