Kleidung und Schmuck

Leider haben Kleidung und Schmuck der Polonesier seit der Entdeckung der Inseln infolge des sich mehr und mehr ausbreitenden europäischen Einflusses eine große Veränderung erfahren. Hier, wo die klimatischen Verhältnisse so äußerst günstig liegen, bedurfte der Körper kaum des Schutzes gegen die Witterung, in seiner Bekleidung nahm vielmehr ein schlichter und einfacher Schmuck die erste Stelle ein (siehe die Kunstbeilage). Tatauierungen - diese Schreibweise, die mit dem polynesischen Worte „tatau kunstgerecht“ zusammenhängt, nicht die veranglisierte „Tätowierung“ ist die richtige galten für den wichtigsten und vornehmsten Zierat; nicht-tatauiert zu sein war eine Schande. Daher nahm das Auftragen der Zeichnungen (Abb. 4 und 5) fast immer auch den Charakter einer religiösen Zeremonie an. Währenddessen stand der „Patient“ unter verschiedenen Verboten (Ta-bu), die sich an manchen Orten sogar noch auf andere Dorfbewohner ausdehnten. Der Vorgang spielte sich überall in fast der gleichen Weise ab. Als Werkzeug benutzte man einen Gegenstand, der einer kleinen Zimmermannsaxt glich; seine Schneide war aus Knochen hergestellt und am vorderen Ende mit einer Anzahl Zähne wie beim Kamm versehen. Jetzt bedient man sich auf Mikronesien der Stahlnadeln. Der Operateur, der das Tatauieren als Beruf ausführt und deswegen eine hochgeachtete Stellung einnimmt, zieht die Umrisse der Zeichnung auf den Körper und führt die Farbe ein, indem er mit einem kleinen Stabe auf das mit schwarzer Farbe getränkte Beilchen schlägt (Abb. 7). Die ganze Ausführung eines vollständigen Musters nimmt für gewöhnlich mehrere Monate in Anspruch infolge des bei der Operation entstehenden Schmerzes und der manchmal unerwartet hinzutretenden heftigen Entzündung. Während die Tatauierung vorgenommen wird, singt ein Mädchenchor Rituallieder, wovon, wie man in früheren Tagen glaubte, der Erfolg der Operation abhängig war. Auf den Marshallinseln pflegt man die Jünglinge immer gleichzeitig zu einer bestimmten Jahreszeit zusammen zu tatauieren, wofür eine besondere Hütte gebaut und den Göttern Speiseopfer dargebracht werden; denn die Gottheiten des Tatauierens nehmen in der heimischen Götterwelt einen sehr hohen Rang ein. Ein ausgedehnter Kultus wurde mit den Tatauierungen von den Maori auf Neuseeland getrieben; das dazu verwandte Werkzeug war nicht gezähnt, sondern besaß einen geraden Schneiderand; mit ihm wurden Rillen in die Haut geritzt, wodurch die Operation sich schmerzhafter gestaltete. Das ganze Gesicht wurde mit ineinandergreifenden Spiralen und Linien bedeckt, sogar bis auf die Lippen herab (Abb. 6), wo der Schmerz besonders heftig empfunden wurde. Das Tatauieren auf dieser Insel war das Vorrecht der regierenden Klasse; mit der Tatauierung waren für den Betreffenden strenge Tabu verknüpft. Seiner Person wurde während des Vorgangs eine so hohe, heilige Ehrfurcht entgegengebracht, dass er es nicht einmal wagte, selbst seine Nahrung zu sich zu nehmen aus Furcht, sie könnte ihm verhängnisvoll werden; daher wurde er von anderer Hand gefüttert. In einem besonderen mit Schnitzerei verzierten Holztrichter gab man ihm zu trinken. Die Tatauierungen der Häuptlinge spielten im ersten Verkehre zwischen Maori und Europäern eine interessante Rolle insofern, als in den uns hinterlassener: Papieren, die sich auf die Abtretung von Land beziehen, der Häuptling als Unterschrift einen Teil seines tatauierten Gesichtes hinzeichnete.

Ein eigentümliches Schmuckstück, das Tiki-Tiki der Maori, verdient besondere Erwähnung (Abb. 11). Es besteht aus einer
006 Ein Maorihäuptling der alten Schule

006 Ein Maorihäuptling der alten Schule

007 Tatauieren auf Samoa

007 Tatauieren auf Samoa

011 Tiki-Tiki der Maori aus Jadait

011 Tiki-Tiki der Maori aus Jadait

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