Die Seebären-Jagd auf der St. Pauls-Insel

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 9. 1879
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Seebären, Jagd, St. Paus-Insel, Pelzrobbe, Bärenrobbe, Pelzwerk, Behringstraße, Robbenschläger
Das Pelzwerk des Seebären oder der Pelzrobbe, Bärenrobbe, des Furseal der Engländer und Amerikaner und des Arctocephalus der Naturforscher, ist in neuerer Zeit sehr in die Mode gekommen, und lässt in der Tat auch wegen seiner Weichheit, Geschmeidigkeit, Schönheit, Wärme und Undurchdringlichkeit für Wind und Feuchtigkeit beinahe alles andere Pelzwerk weit hinter sich. Allein die wenigsten unserer eleganten Damen haben eine Ahnung, in welcher unbarmherzigen Weise das arme harmlose Tier, welches den Stoff zu ihren Jacken, Muffen, Mützen, Handschuhen, Mänteln usw. geliefert hat, erschlagen und beinahe, bis zur Ausrottung verfolgt wird.

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Die Bärenrobbe ist nur im nördlichen Stillen Ozean heimisch; einzeln kommt sie schon in der Breite von San Francisco auf den Felseneilanden und Riffen an der Küste vor, allein ihr bedeutendster Standort sind die Inseln an der Behringsstraße, die Aleuten, die Küste von Alaschka usw. Die Hauptausfuhr von Alaschka, dem früheren russischen Nordamerika, besteht aus Robbenfellen und Pelzwerk, unter welchem die Felle der Bärenrobbe einen hervorragenden Teil einnehmen. Die Bärenrobbe ist ziemlich groß und kann, sieben bis acht Fuß lang werden, man trifft aber nur selten erwachsene Männchen von mehr als sechs und erwachsene Weibchen von wehr als vier Fuß Länge. Der ganze Leib, mit Ausnahme der Gliedmaßen, ist mit einem dichten Pelze bedeckt, welcher aus ziemlich langen groben Stachelhaaren und einem darunter liegenden feinen, seidenartigen, struppigen Wollhaar besteht, welches eben den Wert dieses Pelzwerks ausmacht. Eine verwandte Art findet sich auch im südlichen Stillen und Südatlantischen Ozean. Die Bärenrobbe kommt nur selten ans Festland, sondern landet fast ausschließlich auf Inseln, und zwar hat sie ihren Lieblingsstandort auf den sogenannten Pelzrobben- oder Pribyloff-Inseln in der Behringsstraße, wovon die eine, mit einer Küstenstrecke von etwa 10 geographischen Meilen, St. Paul, die andere, um die Hälfte kleinere dagegen St. Georg heißt. An dem Strande dieser beiden Inseln erscheinen im Sommer, wann die Felle der halbwüchsigen Männchen ganz besonders wertvoll sind, viele Tausende von diesen Robben zum Zweck der Paarung. Die alten Männchen zeigen sich zuerst an dem felsigen Strande, etwa zwei Monate vor den Weibchen, nehmen Besitz von den Felsenplatten und Spalten oberhalb der Flutmarke und erwarten das Eintreffen der Weibchen. Die Männchen sind dann ungemein feist und glatt, und scheinen von diesem Fett mehrere Monate lang zu zehren, denn man sieht sie niemals ihre Standorte verlassen oder ihrer Nahrung nachgehen. Die jüngeren Männchen dürfen sich nicht in die Nähe der alten und der Paarungsplätze wagen, sondern halten sich immer in großen Rudeln abgesondert beiseite, und gegen diese großen Scharen von jungen Männchen oder Junggesellen richtet sich hauptsächlich die Jagd der Robbenschläger. Weibchen werden ihres Pelzwerkes wegen niemals erschlagen. — Sobald eine größere Schaar dieser „Junggesellen“ ans Land gestiegen ist und am Strande schläft, schleichen die Eingeborenen sich vorsichtig von der Seeseite an, sie heran, springen unter Geschrei auf sie ein und treiben sie landeinwärts nach den Schlachtplätzen, welche zwei bis drei Kilometer vom Strande entfernt und in deren Nähe die „Salzhäuser“ errichtet sind, worin die Häute eingesalzen und bis zur Verschiffung aufgestapelt werden. Ist eine Herde Robben einmal aufgeschreckt, so genügen drei oder vier Mann, um sie vorwärts zu treiben, bis sie an der gewünschten Stelle angekommen sind, wo sie dann durch Keulenschläge auf den Kopf getötet werden, wie auf unserem unteren Bilde S. 212 zu sehen. Oft decken viele Tausende von Tieren den Wahlplatz und die hier faulenden abgezogenen Kadaver verbreiten einen unerträglichen Gestank. Ist die Paarungszeit vorüber und sind die Weibchen wieder abgezogen, so wird ein Feldzug gegen die alten Männchen eröffnet und zwar in der Weise, wie es auf unserem oberen Bilde S. 212 zu sehen, nämlich vorwiegend mit Schießgewehr. Man hält es für das beste Verhältnis, wenn ein Männchen auf acht bis zehn Bärenrobben-Weibchen kommt, und ist der Ansicht, dass bei stärkerem Überhandnehmen der Männchen sich diese um die Weibchen balgen und sich den Pelz verderben und die Ruhe dieser Paarungsplätze stören würden. Der Robbenschlag auf dieser Insel ist an eine Gesellschaft, the Alasca Commercial Company, verpachtet, welche ihre Magazine in San Francisco hat und jährlich ungefähr hunderttausend Stück Felle ausführt, für deren Erlegung, Abziehen und Einsalzen den Robbenschlägern durchschnittlich 40 Cents (Mark 1,70.) per Stück vergütet wird. Leider gehen dabei Tausende von Pfunden Tran verloren, den man aus dem Fett der erschlagenen Robben gewinnen könnte, wenn man genug Brennmaterial zur Stelle hätte.

Die Seebären-Jagd auf der St. Pauls Insel - Das Erlegen der alten Männchen mittelst des Schießgewehrs

Die Seebären-Jagd auf der St. Pauls Insel - Das Erlegen der alten Männchen mittelst des Schießgewehrs

Die Seebären-Jagd auf der St. Pauls Insel - Das Erschlagen der jungen Männchen und das Abziehen der Felle

Die Seebären-Jagd auf der St. Pauls Insel - Das Erschlagen der jungen Männchen und das Abziehen der Felle