Die Schweiz
Ein Bildwerk
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Schweiz, Alpen, Gebirge, Wälder, Wildbäche, Bergketten, Seen, Tannenwälder, Matten, Rousseau, Goethe, Schiller, Albrecht von Haller, Lord Byron, Victor Hugo, Gletscher, Reiseland, Ferienland,
Stellen wir uns einmal vor, man hätte Schulkinder irgendeines Landes vor die Aufgabe gestellt, ein Bild der Schweiz zu zeichnen; was wäre wohl immer wieder anzutreffen? Ein See, Tannenwälder, eine Sennhütte inmitten saftiger Matten, weidende Kühe und, über dem Ganzen, eine von ewigem Schnee bedeckte Bergkette. So naiv dieses Bild auch anmuten mag, so sehr entspricht dennoch sein tieferer Gehalt der Wahrheit. Die Schweiz besticht den Fremden vor allem durch die Vielfalt ihrer landschaftlichen Schönheiten; ihr Name ruft Vorstellungen von verschneiten Berggipfeln, Abgründen und tosenden Wildbächen, von Matten, Wäldern und klaren Seen wach und lässt nicht zuerst an Kathedralen, Paläste und Museen denken, wie dies etwa auf Frankreich oder Italien zutrifft. Die Natur hat dieses kleine Land nicht nur vielfältig und reizvoll gestaltet, sondern auch seine natürlichen Grenzen festgesetzt und dadurch in hohem Maße seine Geschichte bestimmt. Im Zuge der großen Revolution, die in Westeuropa Renaissance und Klassizismus ablöste, begann die Sehnsucht nach der Natur zu erwachen, und es kam daher nicht von ungefähr, dass man gerade auf die Schweiz blickte, dieses in bunter Vielfalt schillernde Kleinod im Herzen Europas. Es gibt wohl kaum ein Land, das sich rühmen kann, auf so begeisterte Art von Dichtern besungen worden zu sein. Rousseau, Goethe, Schiller, Albrecht von Haller, Lord Byron, Victor Hugo — um nur einige zu nennen — drückten in ihren Werken eine so starke Bewunderung für das kleine Land aus, dass bald ein immer wachsender Strom von Reisenden aus allen Teilen der Welt ihren Spuren zu folgen begann. So wurde die Schweiz zum klassischen Reise- und Ferienland, zum „Tummelplatz Europas“ und wird es auch so lange bleiben, als Menschen inmitten herrlicher Landschaften Ruhe, Erholung und neue Lebensfreude suchen.
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Inhaltsverzeichnis
- Die Kantone Basel, Aargau, Schaffhausen, Thurgau, St. Gallen, Appenzell
- Die Kantone Graubünden und Glarus
- Die Kantone Bern, Solothurn, Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Zürich, Zug
- Die Kantone Genf, Freiburg, Neuenburg, Waadt
- Die Kantone Tessin und Wallis
Die Schweiz ist ein kleines Land; in wenigen Bahn- oder Autostunden kann sie in ihrer größten Breite durchfahren werden. Trotzdem erscheint sie dem Reisenden groß, einmal, weil die Fülle verschiedenartigster Eindrücke ihren wirklichen Rahmen sprengen, dann auch, weil es in diesem Land keine geraden Strecken gibt, nur auf Umwegen kann man sein Ziel erreichen, die in buntem Hin und Her und — vor allem — Auf und Ab die Strecke auf nicht unangenehme Art verlängern; überraschend ändert sich das Landschaftsbild, der Reisende sieht sich in schnellem Wechsel sozusagen vom Nordkap ans Mittelmeer versetzt, von der Gletscherwelt der Alpen an die lieblichen Gestade der Tessiner Seen, wo unter südlichem Himmel freiwachsende Palmen gedeihen. Nicht zu Unrecht schrieb Gonzague de Reynold: „Die Schweiz ist nicht ein kleines Land, sondern eine kleine Welt.“
Aus der Vogelschau erscheint die geographische Gliederung einfach: eine weite Ebene erstreckt sich vom Genfer See im Südwesten bis zum Rhein und Bodensee im Nordosten, eingebettet zwischen dem Jura im Westen und dem mächtigen Bollwerk der Alpen im Süden und Osten. Die natürlichen Grenzen des Landes lassen nur einige wenige Tore gegen die Nachbarländer hin offen. So öffnet Basel ein Tor gegen Frankreich und Deutschland, weiter gegen Belgien, Holland und sogar England; Genf weist den Weg nach Frankreich und, der Rhone entlang, bis ans Mittelmeer, während sich südlich der Alpen die sonnige Ebene des Tessins bis weit nach Italien erstreckt. Beim Näherkommen verwischen sich jedoch die Umrisse, die so scharf gezeichnet schienen, und lösen sich in Bilder von ungeahnter Vielgestalt auf. Die Ebene des Mittellandes verdient ihren Namen nur im Gegensatz zu den Gebirgen, die sie umgeben. Es hält schwer, all die landschaftlichen Verschiedenheiten in Worte zu drängen; denn da gibt es Wälder, Seen und Flüsse, Hügel und Täler. Es genügt, das Mittelland zu durchstreifen, um erstaunt festzustellen, dass sich im Thurgau das Licht wesentlich von dem etwa an den Ufern des Vierwaldstätter Sees unterscheidet, dass in Zürich die Farben von anderer Wirkung sind als etwa in Genf, und dass zum Beispiel das Gesicht des bernischen Mittellandes überhaupt nicht mit dem der Gegend von Lavaux verglichen werden kann, wo weite Rebgelände steil in den Genfer See abfallen. Der Jura ist einheitlicher in seiner Art. Seine parallelen Gebirgszüge, die untereinander durch enge Schluchten verbunden sind, erstrecken sich von Basel bis hinunter nach Genf. Überall finden wir ausgedehnte Weiden und Tannenwälder, die dem Jura das Gepräge geben und ihn als ein Gebiet von strenger Schönheit und eigenartigem Reiz erscheinen lassen.
Wir haben von den unendlich verschiedenartigen Gesichtern des Mittellandes gesprochen. Was könnte da erst von den Alpen gesagt werden, deren majestätische Masse die Ebene von der anderen Seite her beherrscht? In diesem unermesslichen Steinmeer offenbart sich die Natur in ihren kühnsten Schöpfungen. Mächtige Felsmassen von oft bizarren Formen wechseln ab mit tiefeingeschnittenen Tälern, die das ganze Alpengebiet deutlich in sich aufteilen, so hat denn auch jedes Tal sein ganz bestimmtes Gepräge. Wie ganz anders ist doch das lichtgebadete Engadin mit seinen kristallklaren Seen als das Glarnerland, das tief im engen Tal der Linth eingeschlossen liegt; ebenso verschieden ist das ländlich heitere Saanenland von der Leventina mit den kastanien-bepflanzten Hängen; oder gibt es etwas Ungleicheres als das Goms, wo die junge Rhone noch ein Bergbach ist, und das Lauterbrunnental, das tief unten zwischen fast senkrecht abfallenden Felswänden eingebettet liegt? Diese ausgeprägten landschaftlichen Verschiedenheiten haben denn auch in großem Maße die Eigenart der Schweiz und ihrer Bewohner bedingt, wovon später noch die Rede sein wird.
Es wäre nicht erstaunlich, wenn dieses Land, das durch seine landschaftlichen Gegebenheiten auf natürliche Art in sich abgeschlossen erscheint, auf sich selbst zurückgezogen und jedem fremden Einfluss unzugänglich wäre. Dem ist nun aber nicht so; denn die Alpen sind nicht nur ein mächtiges Bollwerk, sondern ebenso sehr ein seit frühester Zeit bekannter und benutzter Verbindungsweg zwischen Nord und Süd. So zogen die Römer, die im Lande unauslöschliche Spuren hinterlassen haben, über die Pässe des Septimer, Julier oder des Großen St. Bernhard in ihre blühenden helvetischen Niederlassungen. Pilger, Kaufleute, ganze Armeen folgten. Vergessen wir die Flüsse nicht, von denen so viele ihren Ursprung im Kern der Alpen haben, und die ein wichtiges Verbindungsglied zur übrigen Welt darstellen. So öffnen der Rhein, die Rhone, der Inn, der Tessin, den Weg nach der Nordsee, dem Mittelmeer, dem Schwarzen Meer und der Adria; durch ihre weiten Täler fanden Menschen, Ideen, Sitten und Gebräuche leichten Zugang. Die Schweiz scheint dazu geschaffen zu sein, auf ihrem Gebiet die verschiedensten Kulturen zu vereinigen. Der Reiz einer Schweizer Reise besteht denn auch nicht allein im Erlebnis einer einzigartigen Landschaft in ihrer ganzen farbigen Vielfalt, sondern gleichermaßen in der Offenbarung der ausgeprägten Eigenart der verschiedenen Bewohner des Landes und seiner Einrichtungen.
Fragt man einen Schweizer nach seiner Staatsangehörigkeit, wird er kaum zur Antwort geben, er sei Schweizer, sondern Waadtländer, Züricher oder Tessiner. Dieser Hinweis auf seine engere Heimat entspricht einer tiefen Wirklichkeit, die sich durch eine lange und sehr bewegte Geschichte erklären lässt. Man kennt das genaue Geburtsdatum der Schweiz, sie verdankt ihre Entstehung dem unbändigen Freiheitsdrang einiger Bergler in den ersten Tagen des August 1291, die, der Fremdherrschaft überdrüssig, nur noch untereinander abhängig sein wollten. „Von den Bergen, den Wäldern und über den See“ kamen sie aus den drei kleinen Ländern Uri, Schwyz (das der Schweiz seinen Namen geben sollte) und Unterwaiden, um den feierlichen Eid zu leisten (daher die Bezeichnung „Eidgenossen“), sich in Zukunft gegenseitig mit Rat und Hilfe beizustehen und nicht länger die Herrschaft der kaiserlichen Vögte anzuerkennen. Nur durch diesen gemeinsamen Willen zur Freiheit, Unabhängigkeit und gegenseitigen Unterstützung wurde es möglich, dass eine Reihe von Ländern, deren kulturelle Gegensätze so ausgeprägt sind, zu einer politischen Einheit verschmelzen konnten. Was könnte sonst zum Beispiel ein französischsprechender, protestantischer Genfer mit einem katholischen Urner Bauern, der seinen ganz besonderen schweizerdeutschen Dialekt spricht, gemeinsam haben? Oder etwa ein Basler, dessen große humanistische Tradition ihm vom Norden her zuteilgeworden ist, mit einem Tessiner, der so ganz dem lateinischen Kulturkreis angehört, italienisch spricht und unter südlichem Himmel einen ganz anderen Lebensstil pflegt?
Fortsetzung
Aus der Vogelschau erscheint die geographische Gliederung einfach: eine weite Ebene erstreckt sich vom Genfer See im Südwesten bis zum Rhein und Bodensee im Nordosten, eingebettet zwischen dem Jura im Westen und dem mächtigen Bollwerk der Alpen im Süden und Osten. Die natürlichen Grenzen des Landes lassen nur einige wenige Tore gegen die Nachbarländer hin offen. So öffnet Basel ein Tor gegen Frankreich und Deutschland, weiter gegen Belgien, Holland und sogar England; Genf weist den Weg nach Frankreich und, der Rhone entlang, bis ans Mittelmeer, während sich südlich der Alpen die sonnige Ebene des Tessins bis weit nach Italien erstreckt. Beim Näherkommen verwischen sich jedoch die Umrisse, die so scharf gezeichnet schienen, und lösen sich in Bilder von ungeahnter Vielgestalt auf. Die Ebene des Mittellandes verdient ihren Namen nur im Gegensatz zu den Gebirgen, die sie umgeben. Es hält schwer, all die landschaftlichen Verschiedenheiten in Worte zu drängen; denn da gibt es Wälder, Seen und Flüsse, Hügel und Täler. Es genügt, das Mittelland zu durchstreifen, um erstaunt festzustellen, dass sich im Thurgau das Licht wesentlich von dem etwa an den Ufern des Vierwaldstätter Sees unterscheidet, dass in Zürich die Farben von anderer Wirkung sind als etwa in Genf, und dass zum Beispiel das Gesicht des bernischen Mittellandes überhaupt nicht mit dem der Gegend von Lavaux verglichen werden kann, wo weite Rebgelände steil in den Genfer See abfallen. Der Jura ist einheitlicher in seiner Art. Seine parallelen Gebirgszüge, die untereinander durch enge Schluchten verbunden sind, erstrecken sich von Basel bis hinunter nach Genf. Überall finden wir ausgedehnte Weiden und Tannenwälder, die dem Jura das Gepräge geben und ihn als ein Gebiet von strenger Schönheit und eigenartigem Reiz erscheinen lassen.
Wir haben von den unendlich verschiedenartigen Gesichtern des Mittellandes gesprochen. Was könnte da erst von den Alpen gesagt werden, deren majestätische Masse die Ebene von der anderen Seite her beherrscht? In diesem unermesslichen Steinmeer offenbart sich die Natur in ihren kühnsten Schöpfungen. Mächtige Felsmassen von oft bizarren Formen wechseln ab mit tiefeingeschnittenen Tälern, die das ganze Alpengebiet deutlich in sich aufteilen, so hat denn auch jedes Tal sein ganz bestimmtes Gepräge. Wie ganz anders ist doch das lichtgebadete Engadin mit seinen kristallklaren Seen als das Glarnerland, das tief im engen Tal der Linth eingeschlossen liegt; ebenso verschieden ist das ländlich heitere Saanenland von der Leventina mit den kastanien-bepflanzten Hängen; oder gibt es etwas Ungleicheres als das Goms, wo die junge Rhone noch ein Bergbach ist, und das Lauterbrunnental, das tief unten zwischen fast senkrecht abfallenden Felswänden eingebettet liegt? Diese ausgeprägten landschaftlichen Verschiedenheiten haben denn auch in großem Maße die Eigenart der Schweiz und ihrer Bewohner bedingt, wovon später noch die Rede sein wird.
Es wäre nicht erstaunlich, wenn dieses Land, das durch seine landschaftlichen Gegebenheiten auf natürliche Art in sich abgeschlossen erscheint, auf sich selbst zurückgezogen und jedem fremden Einfluss unzugänglich wäre. Dem ist nun aber nicht so; denn die Alpen sind nicht nur ein mächtiges Bollwerk, sondern ebenso sehr ein seit frühester Zeit bekannter und benutzter Verbindungsweg zwischen Nord und Süd. So zogen die Römer, die im Lande unauslöschliche Spuren hinterlassen haben, über die Pässe des Septimer, Julier oder des Großen St. Bernhard in ihre blühenden helvetischen Niederlassungen. Pilger, Kaufleute, ganze Armeen folgten. Vergessen wir die Flüsse nicht, von denen so viele ihren Ursprung im Kern der Alpen haben, und die ein wichtiges Verbindungsglied zur übrigen Welt darstellen. So öffnen der Rhein, die Rhone, der Inn, der Tessin, den Weg nach der Nordsee, dem Mittelmeer, dem Schwarzen Meer und der Adria; durch ihre weiten Täler fanden Menschen, Ideen, Sitten und Gebräuche leichten Zugang. Die Schweiz scheint dazu geschaffen zu sein, auf ihrem Gebiet die verschiedensten Kulturen zu vereinigen. Der Reiz einer Schweizer Reise besteht denn auch nicht allein im Erlebnis einer einzigartigen Landschaft in ihrer ganzen farbigen Vielfalt, sondern gleichermaßen in der Offenbarung der ausgeprägten Eigenart der verschiedenen Bewohner des Landes und seiner Einrichtungen.
Fragt man einen Schweizer nach seiner Staatsangehörigkeit, wird er kaum zur Antwort geben, er sei Schweizer, sondern Waadtländer, Züricher oder Tessiner. Dieser Hinweis auf seine engere Heimat entspricht einer tiefen Wirklichkeit, die sich durch eine lange und sehr bewegte Geschichte erklären lässt. Man kennt das genaue Geburtsdatum der Schweiz, sie verdankt ihre Entstehung dem unbändigen Freiheitsdrang einiger Bergler in den ersten Tagen des August 1291, die, der Fremdherrschaft überdrüssig, nur noch untereinander abhängig sein wollten. „Von den Bergen, den Wäldern und über den See“ kamen sie aus den drei kleinen Ländern Uri, Schwyz (das der Schweiz seinen Namen geben sollte) und Unterwaiden, um den feierlichen Eid zu leisten (daher die Bezeichnung „Eidgenossen“), sich in Zukunft gegenseitig mit Rat und Hilfe beizustehen und nicht länger die Herrschaft der kaiserlichen Vögte anzuerkennen. Nur durch diesen gemeinsamen Willen zur Freiheit, Unabhängigkeit und gegenseitigen Unterstützung wurde es möglich, dass eine Reihe von Ländern, deren kulturelle Gegensätze so ausgeprägt sind, zu einer politischen Einheit verschmelzen konnten. Was könnte sonst zum Beispiel ein französischsprechender, protestantischer Genfer mit einem katholischen Urner Bauern, der seinen ganz besonderen schweizerdeutschen Dialekt spricht, gemeinsam haben? Oder etwa ein Basler, dessen große humanistische Tradition ihm vom Norden her zuteilgeworden ist, mit einem Tessiner, der so ganz dem lateinischen Kulturkreis angehört, italienisch spricht und unter südlichem Himmel einen ganz anderen Lebensstil pflegt?
Fortsetzung
Die Schweiz 00 Titel
Die Schweiz 00 Karte
Die Schweiz 01 Das Telldenkmal in Altdorf am Vierwaldstätter See
Die Schweiz 94 Bauernhaus in Signau
Die Schweiz 96 Ernstezeit im Kandertal
Die Schweiz 98 Im Emmental. der Bauer
Die Schweiz 99 Der Senne
Die Schweiz 106 Alter Speicher im Berner Land
Die Schweiz 107 Oberländer Haus in Spiezwiler bei Spiez
Die Schweiz 109 Interlaken, einer der ältesten und bedeutendsten Kurorte der Schweiz, übberragt von Eiger, Mönch, Jungfrau
Die Schweiz 11 Das altertümliche Laufenburg am Rhein