Über die Schulformen.

Natürlich wird die geistige gesunde Nahrung wie die körperliche gesunde für alte Menschen eine gleiche, eine einheitliche sein. Die Schule wird zur Einheitsschule, in welcher die richtige geistige Kost Allen zu teil wird. Dann werden auch nicht mehr die Eltern wie bisher gezwungen sein, bei einem 9 jährigen Kinde, dessen Fähigkeiten ja erst durch den Unterricht entwickelt werden sollen, bereits zu bestimmen, ob man es in eine humanistische oder realistische Anstalt geben soll.
Die Vereine für Schulreform drängen daher nach einer Einheitsschule hin, die eine allen Kindern gemeinsame Vorbildung bis zu einer Klasse, die etwa unserer Untersekunda entspricht, geben soll, dann mag die Zweiteilung in mehr humanistische oder mehr realistische Klassen stattfinden.

In den obersten Klassen dieser Einheitsschule werden besonders Literaturgeschichte, die Geschichte der religiösen Entwickelungen, die Geschichte der Entdeckungen und Erfindungen, die Hauptgesetze der Logik, des Staatslebens, der Rechtspflege und der Hygiene gelehrt werden, damit Schüler entlassen werden, die in das jetzige Jahrhundert eintreten nicht mit trockener Schulweisheit, die schnell und gern vergessen wird, sondern mit wirklicher allgemeiner Vorbildung, harmonisch präpariert an Körper, Geist, Gemüt und Charakter. -


In anderer Weise sucht Dr. Göring den Wünschen der Neuzeit gerecht zu werden. Er schlägt eine Teilung der Schule in drei Stufen vor, die erste vom 6.-14. Jahre, die zweite vom 14.-16., die dritte vom 16.-20. Lebensjahre. Die erste Stufe bietet die notwendige Vorbildung für den Bauern- und Handwerkerstand. Aus ihr entwickelt sich die zweite, welche für das kaufmännische Leben vorbereitet und erst aus diesen die erste Stufe für die höheren Fächer, damit der künftige Vertreter gelehrter Bildung im Zusammenhange mit dem vollseitigen Leben bleiben und später vor Vereinseitigung seiner Geistesrichtung und vor Schädigung seiner geistigen Gesundheit bewahrt bleibe. In gründlicher Weise trägt Dr. Gäring sein auf naturwissenschaftlicher Methode basierendes, spezielles Unterrichts-Programm jeder einzelnen der drei Stufen vor, ein Programm,*) dessen Studium gründlichster Prüfung und Beherzigung empfohlen sein möge!

*) Die Deutsche Schule. Ein Weg zur Verwirklichung vaterländischer Erziehung. Von Dr. Hugo Göring. Siehe das Septemberheft 1889 seiner interessanten Zeitschrift ,,Die Neue Deutsche Schule“. Berlin. A. Hofmann & Co.

Dass die Herzensbildung in den heutigen Schulen nicht gefördert wird, lässt sich leider nicht leugnen. Sind wir doch offen und bekennen wir, daß die Kinder, die wir zu Hause auf das sorgsamste vor allerlei Untugenden und Unwahrheiten bewahren, viele derselben in der Schule von ihren Freunden lernen, schon die große Überfüllung der Klassen macht eine persönliche Annäherung von Lehrer und Schüler unmöglich, und so darf man sich nicht wundern, daß es mit der Wahrheitsliebe, mit dem Betragen gegen die Schulkameraden und mit dem Verhalten gegen die Lehrer bei uns nicht weit her ist. Recht selten denken auch die abgegangenen Schüler mit großer Liebe an ihre Gymnasialzeit und ihre dortigen Lehrer zurück. Wie dankbar und liebevoll kommen sie dagegen den akademischen Lehrern entgegen, und wie innig verehren sie diese noch Jahrzehnte nach vollendeter Studienzeit!

Mögen tüchtige Pädagogen die Wege zeigen, wie in der Zukunftsschule auch Charakter und Gemüt herangebildet werden soll.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Schule der Zukunft.