Die schulärztliche Aufsicht.

Dass eine schulärztliche Aufsicht grade in Breslau dringend nöthig sei, erkannte auch die hygienische Sektion der schlesischen Gesellschaft an und empfahl eine solche in einer von den Professoren Dr. Dr. Biermer, Förster und Jacobi verfassten, durch ihre ruhige Objektivität und ihre lichtvolle Klarheit ausgezeichnete Zuschrift vom 2. Juni 1886 dem Magistrat von Breslau.

Letzterer erwiderte der hygienischen Sektion im Prinzip ablehnend und zwar mit der köstlichen, für die Geschichte der Schularztfrage ewig denkwürdigen wörtlichen Motivierung: ,,Es würde Misstrauen und Vorurteil gegen die Schulen in Elternkreisen erwecken und nähren, wenn man Schulärzte anstellen würde.“ So wirklich offiziell geschrieben im Jahre des Heils 1886 am 3. Oktober vom Magistrat der Haupt- und Residenzstadt Breslau! *)


*) Die Aktenstücke findet man wortgetreu abgedruckt in meinem Referat für den Wiener hygienischen Kongress 1837. „Die ärmliche Überwachung der Schulen zur Verhütung der Verbreitung der Kurzsichtigkeit“ pag. 13-18.

Freilich kam der Magistrat nach zwei Jahren zu der Einsicht, daß das Misstrauen und das Vorurteil der Eltern gegen eine ärztliche Aufsicht über die Schulen doch wohl nicht arg sein könne; denn er hat - wie in den politischen Blättern mit großer Emphase weit verbreitet wurde - dann einen Schularzt für alle 50.000 Kinder angenommen und ihm Sitz und Stimme im Magistrats-Kollegium eingeräumt.

Ich stehe keinen Augenblick an, öffentlich diese Institution (von der Person spreche ich natürlich nicht im entferntesten) diese Institution eines Schularztes für ganz Breslau als eine Scheininstitution zu bezeichnen. Denn ein solcher Schularzt, der 1.000 Klassen und 50.000 Kinder hygienisch überwachen soll, ist und bleibt ein Scheinschularzt. Ebenso wie ein Direktor für alle hiesigen Schulen und ein Lieutenant für alle hiesigen Regimenter nur ein Scheindirektor oder ein Scheinleutnant sein würde!

Selbst wenn der Stadtschularzt nicht ein beschäftigter Praktiker wäre, der Vormittag und Nachmittag seine Kranken besuchen muss, statt in die Unterrichtsstunden zu gehen, selbst wenn er sich ganz ausschließlich nur der Schulhygiene widmen könnte, würde er nimmermehr seihst bei herkulischen körperlichen und geistigen Kräften im stande sein, die wirklich wünschenswert Aufsicht zu üben; denn die Aufgaben desselben sind nicht klein, wie wir sehen werden.

In der Zukunftsschule wird der wahre Schularzt sein Augenmerk zunächst auf die Tagesbeleuchtung der Klassen zu richten haben.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Schule der Zukunft.