Die Schicksale der Frauen und die Prostitution

im Zusammenhang mit dem Prinzip der Unauflösbarkeit der katholischen Ehe und besonders der österreichischen Gesetzgebung
Autor: Gross-Hoffinger, Anton Johann Dr. (1808-1873) österreichischer Jurist und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1847
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Frauenschicksale, Prostitution, Oppositionsgeist, Leidenschaften, politischer Kampf, Geschlechtskrankheiten, Unglück Syphillis, Apostel der Aufklärung, Bestrebungen der Emanzipation, Männergeschlecht, heuchlerisch, unmoralisch und grausam, Hure, Kurtisane, Bordell
Inhaltsverzeichnis
  1. Das Weib — die Sklavin der Zivilisation
  2. Das Weib — in seiner Herabwürdigung
  3. Klassen der Prostitution
  4. Noblesse der Prostitution
  5. Die Ehe-Hindernisse
  6. Die unmoralische Ehe
  7. Das Konkubinat (Concubinat)
  8. Das Zölibat im Heere und in der Kirche
  9. Das Los der Dienenden
  10. Der Erwerb des Weibes und seine letzte Zuflucht
  11. Das Los der Witwen und Waisen
  12. Das Weib und der Richter
  13. Das Weib und die Fortpflanzung des Volkes
  14. Das große Geheimnis
  15. Anmerkung
  16. Der Anfang der Buhlerin
  17. Reiche Ältern
  18. Ein gräfliches Amüsement
  19. Der Morgen
    Die Entdeckung
Das Weib — die Sklavin der Zivilisation.

Die Humanität, der Geist der Milde und des Erbarmens, welcher unsere Zeiten zu charakterisieren scheint, hat sich sogar bis auf die Tiere und ihr Schicksal erstreckt. Es sind die rührendsten Reden gehalten worden über die Grausamkeit gewisser Methoden, Tiere zu schlachten, man will dem Schlachtvieh seinen notwendigen Tod auf jede Weise erleichtern und sich nicht genug entsetzen über unsere Metzger, welche so wenig Rücksicht nehmen auf die Leiden des Rindviehes. Diese Affectation des zartesten und gerechtesten Mitleids — in welchem Sichte muss sie erscheinen — wie verrucht und nichtswürdig, heuchlerisch und schändlich, wenn man auch nur oberflächlich nachdenkt über die Behandlung und die Schicksale der größeren, schöneren und edleren Hälfte des Menschengeschlechtes — der Weiber.

Es ist hier nicht unsere Aufgabe, das ganze Elend der heutigen Menschheit zu schildern und die Ursachen derselben zu ergründen, wir können uns hier nur derjenigen Hälfte erbarmen, gegen welche die weise Natur in uns eine so große Zärtlichkeit gelegt hat, dass es nur durch Krankheit, Verwilderung und Wahnsinn erklärt werden kann, dass das männliche Geschlecht dasselbe so grausamen Schicksalen, so unermesslichem Elend, so schändlicher Verlassenheit preisgegeben hat.

Aber selbst dieses schriftliche Mitleid, welches oft der elendeste Egoismus erheuchelt, ist von wenig Wert, wenn es nicht von Gerechtigkeit und aufrichtigem Wunsch, Hilfe vorzubereiten, geleitet wird, wenn es nur dazu missbraucht wird, dankbarer Parteisucht gegen die Macht zu dienen, wenn es dahin führen sollte — wie leider aller Oppositionsgeist des Jahrhunderts - bloß einer blinden Wut gegen die Regierungen zu dienen und die Leidenschaften gegen Gewalten zu erregen, welche nur einen kleinen Teil jener unverantwortlichen Schuld tragen, die dem ganzen Geschlechte aufgebürdet werden muss. Diese erlogene Begeisterung vieler unserer Wortführer für die Sache der Menschheit, für die Leiden der Proletarier und den Jammer des weiblichen Geschlechtes ist eine doppelte Verruchtheit, weil sie nicht bloß eine Ungerechtigkeit gegen bloße Teilnahme an der Schuld in sich schließt, sondern weil sie der Sache schädlich ist, welche sie zu vertreten, für welche sie ihre heiligen Flammen leuchten zu lassen sich heuchlerisch anstellt.

Es ist kein Zweifel — die Macht, wenn sie sorglos die Hände in den Schoß legt, wenn sie gleichgültig am Gewohnten hängt und keine Anstalten macht gegen hereingebrochenes Unheil, sie verdient strengen Tadel; man muss sie aufrütteln aus ihrer moralischen Schlafsucht, man muss sie nach dem biblischen Ausdrucke „strafen“ um sie zu bessern, aber man muss sie auch schüren wo sie Recht hat, wo sie nicht mächtig ist, man muss sie befreien, wo ihr die Hände gebunden sind durch unsinnige Vorurteile und niederträchtigen Eigennutz, welcher ihnen eine Schutzwehr gewährt, man muss der Macht, wo sie vielleicht das Gute begreift, ohne es vollbringen zu können; zu Hilfe kommen gegen eine im Argen liegende Welt, welche Alles anklagt, nur niemals sich selbst, und welche von Jedermann Einsichten, Kraft und edlen Willen verlangt, ohne sie selbst zu besitzen. Man hat es erlebt, dass die feurigsten Eiferer für das Wohl der Menschheit, die wütendsten Tadler der Macht über ihre Arglosigkeit gegen Armut und Elend des Volkes, da wo sie persönlich helfen könnten und sollten, immer die legten waren, welche es taten; man hat von großen Volksfreunden gelesen, welche auf ihren eigenen Besitzungen das Volk geschunden haben und von Freiheitsmännern, welche ihre Bedienten wie Sklaven behandelten. Solche Ereiferung nützt Niemand, und bestärkt jede Macht in ihren Irrtümern; denn da man sieht, dass die Begeisterung erheuchelt und die zur Schau gestellte Stimmung unaufrichtig ist, so glaubt man Grund zu haben, auch die Veranlassung für eine Unwahrheit und die Darstellungen fremden Elends für Übertreibung zu halten. Daher denn in diesem glorreichen Jahrhunderte viel gesprochen worden und nichts geschehen ist, daher wir durch einen nunmehr fünfzigjährigen politischen Kampf nichts gewonnen haben als Rechte, welche fast niemals etwas nützen, wenn sie nicht mit Macht und Reichtum verbunden sind, so zu sagen einen leeren Topf — für Speisen, welche wir wünschen, aber niemals genießen können.

Über nichts ist seit 30 Jahren in Frankreich mehr geschrieben worden, als über die Schicksale des weiblichen Geschlechts, über Prostitution und Syphilis — und gegen kein Gebrechen und gegen kein Unglück ist dennoch so wenig geschehen, wie gegen diese Schrecknisse, welche man durchschaut haben muss, um nie ohne Schaudern daran zu denken. Anstatt etwas Gründliches zu tun für die Schicksale des weiblichen Geschlechtes glauben die Apostel der Aufklärung, welche nichts ist als ein ganzes Heer von neuen Torheiten und Vorurteilen, wodurch die alten verdrängt werden, genug getan zu haben, wenn sie mit großem Geschrei die Freiheit des weiblichen Geschlechts in Schutz genommen, wenn sie dem schwachen, hilflosen Teil des menschlichen Geschlechts zugerufen haben: sei frei und hilf dir selbst! — Ungefähr so wie man einem lästig gewordenen Tiere — welches, an menschliche Pflege gewöhnt und für den Menschen lebend, in der ganzen Schöpfung seine Zuflucht findet als bei Menschen, die Freiheit gibt, um es nicht mehr ernähren zu dürfen.

Diese so genannten Bestrebungen der Emanzipation sind die Summe aller Wohltaten, welche das in Masse heuchlerische, unmoralische und grausame Männergeschlecht des Zeitalters dem weiblichen Geschlechte erwiesen. Man hat den Weibern, nachdem man sie verstoßen und auf sich selbst angewiesen, alle erdenkliche Freiheit gestattet: sich bei dem Reste männlich denkender Männer verächtlich zu machen. Man würde nichts dagegen haben, die Emanzipation vollständig zu machen, indem man ihnen Ämter und Würden verliehe, und die Gouvernements, welche im Geiste der englischen Industrie regieren, werden schwerlich etwas dagegen haben, weil sie dann gewiss um viel wohlfeiler gewisse Ämter besetzen und erhalten würden, so wie schon jetzt die Schneider sehr erfreut sind über den Fortschritt der Emanzipation, weil schon so weit vorgerückt ist, dass die armen Mädchen Beinkleider für die Herren „ihre guten Brüder“ um das halbe Geld fabrizieren. Denn da nur ein männlicher Arbeiter das Recht zu haben scheint, sich satt zu essen, da man das weibliche Geschlecht schon in allen seinen Ansprüchen auf ein Maß reduziert hat, welche es dahin bringt zu glauben, sie hätten kein Recht zu leben und empfingen Alles nur als ein Geschenk von uns, da diese Emanzipation nichts in diesem traurigen Verhältnis ändert, so haben sich diese Unglücklichen schon daran gewöhnt, nie aus mehr Lohn zu rechnen, als eben hinreicht, um sie nicht schnell sterben zu lassen.

Das Unglück des weiblichen Geschlechts rührt nicht von ihren beschränkten Rechten her. Wir werden die speziellen Ursachen zu erforschen suchen, aber die natürlichste, einfachste und geradeste Ansicht darüber ist die im Allgemeinen noch beiden Geschlechtern am meisten zur Entschuldigung gereichende Annahme, dass, nachdem der größte Teil aller lebenden Menschen in einer unnatürlichen Armut und Not lebt, der schwächere Teil natürlich zuerst dem grausamen Verhängnis verfällt. Allein dadurch ist noch keineswegs die nichtswürdige Rohheit jener Männer gerechtfertigt, welche — gar nicht in die Alternative gestellt, die den Proletarier den grausamsten Notwendigkeiten aussetzen — ein Weib bloß als ein Spielzeug ihrer Launen betrachten. Die so genannten gebildeten Männer aus der wohlhabenden Klasse sind es, welche das Weib am tiefsten herabwürdigen, obgleich sie gerade die Idee der Frauenemanzipation begünstigen. Man steht mit kannibalischem Vergnügen dem Zeitalter entgegen, wo die Weiber, durch die Emanzipation des letzten Schutzmittels — Schamhaftigkeit und weibliche Sitte — beraubt, in allen Standeskategorien nichts mehr sein werden als das, was sie jetzt bloß in der Klasse der Prostituierten sind, eine Ware, welche man kauft, ein hier, besummt für das Vergnügen der Männer, welches so viel Vernunft und Freiheit hat, sich selbst zu verkaufen. Man lechzt mit faunenhaftem Lächeln dem Zeitpunkte entgegen, wo alle die Mühseligkeiten, welche jetzt noch in den bessern Ständen bei allen Liebesbewerbungen statt finden und welche allein eine kleine Anzahl wohlerzogener und von einem strengen Mutterauge bewachter Mädchen vor dem Äußersten schützen, verschwinden werden, wo kein Vater das Recht haben wird, sein Kind von dem Abgrund sodomitischer Sittenverwilderung zurückzureißen und es jeder Frau freistehen wird, Jedem, der Gnade vor ihren Augen findet, mit eben solcher Brunst und Unverdecktheit der Gefühle entgegenzukommen, wie man bisher nur dem Weibe entgegengekommen ist. Man will die Natur umkehren, und obgleich selbst unter den Tieren das weibliche Geschlecht fast niemals auffordernd auftritt, will man ihr unter den Menschen das Privilegium gewähren, sich herabzuwürdigen. Das ist der Sinn und Gedanke der Emanzipation — und wenn es auch nicht von allen Freunden derselben beabsichtigt worden ist, dass so und nicht anders geschehen solle, so würde es doch gewiss so und nicht anders geschehen.

Wenn ein weiblicher Richter in dem goldenen Zeitalter der Frauenemanzipation einem jungen wohlgemachten Delinquenten gegenüber steht, wird sich vielleicht folgendes Gespräch entspinnen:

„Junger Mann, Sie gefallen mir.“

„O Sie sind sehr gütig.“

„In der Tat, Sie sind ein schöner Mann; diese herrliche Stirne, diese feurigen Augen — ich liebe Sie zum Rasendwerden!“

„O Sie machen mich schamrot — Sie sind eine Schmeichlerin.“

„Und Sie sollte ich bestrafen — verzeihen Sie, nein, ich werde Sie zu mir nehmen, ich werde Sie in der Moral unterrichten — denn ein Mann wie Sie kann nicht verdorben sein.“

Wenn eine Advokatin gegen eine Nebenbuhlerin einen Rechtsstreit hat, werden die Rivalinnen in folgenden Streit geraten:

„Wie, meine Gute, Sie lieben also Karl?“

„Aber mein Himmel, das gehört ja nicht zur Sache.“

„Nicht zur Sache? Nun wir wollen sehen, mein Engel; Sie sind viel zu schön, um Ihre Sache zu gewinne; ich will Sie um Ihr ganzes Erbe bringen; Sie sollen nichts behalten, Mademoiselle, als Ihr Hemd; dann wollen wir sehen, ob Ihre Einladungen noch eben so zahlreich sein werden wie jetzt.“

Und in den Kammern, wo die Frauen Sitz und Stimme haben werden welch' ein Schauspiel! Welche Ausstellung von Pariser Hüten, Frisuren, entblößten Brüsten, welch’ ein Duft von Parfüms, welch' ein Geschnatter!

Man wird von der Rechten auf die Linke, von der Linken auf die Rechte sich verständigen — Liaisons schließen — es wird vielleicht eine schöne Eintracht geben!

Die Sitzungen und Beratungen bei verschlossenen Türen werden sehr beliebt sein, es wird keine Opposition mehr geben. Es wird nicht viel gesprochen werden und noch weniger gedruckt, denn die alten Frauen wird man nicht in dieser ehrwürdigen Versammlung der Väter und Mutter des Vaterlandes zulassen. Das wird sein Gutes haben, es wird den Hochmut manches Parteigängers niederbeugen, denn mit dem sanften Blick ihrer blauen Augen wird ein siebzehnjähriges Mädchen alle Redekunst eines Demosthenes [*384 v. Chr. †322 v. Chr. war der bedeutendste griechische Redner] der politischen Bühne zu Boden schmettern. Man könnte das Bild dieser glückseligen Zeit der Frauenemanzipation bis in die kleinsten Details ergötzlich vollenden, aber es wäre schade, den Einfaltspinseln unserer Presse, welche unter der Fahne dieser Sache dienen und die Welt mit ihren Ideen beglücken, das Handwerk, diejenigen zu belustigen, welche nicht über sie weinen können, zu verderben. Die Gemälde des Zustandes, welche sie uns entwerfen, sind so vollkommen unnachahmlich hinsichtlich ihres belustigenden Charakters, dass es vermessen wäre, ohne den Glauben zu haben, der sie stark macht, ihnen nachzustreben.

Es gibt wahrlich nichts Schlimmeres auf Gottes Erdboden — die Regierungen haben ganz Recht — als die „Schriftsteller.“ Sie sind in großen Massen sehr ähnlich dem Heere von Krämern und Ladendienern, welche, wegen ihrer Überzahl in der Regel unbeschäftigt, über ihr Schicksal eben so oft gähnen als fluchen, aus einer Ecke in die andere lehnen, hier und da verkaufen, was man zur Not braucht und wobei nicht viel zu verdienen ist, welche aber, sobald irgend ein neues Schauspiel, ein Paar seltener Tänzerbeine oder ein „Attentat“ oder eine Gattenvergiftung die Gemüter elektrisiert, schreiend und erhitzt durcheinander rennen und ihre Antigone-Foulards, Elßler-Handschuhe, Fieschi-Hüte und Laffarge-Kleider ausbieten. Diese Kaufleute erheucheln allen (Enthusiasmus der Torheit; sie sind begeistert für Alles was dem Publikum eben gefällt, heute für die Polen, morgen für Jenny Lind [Johanna Mariea L. (1820-1887) schwedische Opernsängerin]; sie haben Gefühle von allen Sorten ganz nach dem Geschmack der Mode vorrätig in schönster Auswahl; sie beten, fluchen, singen, Alles auf Bestellung, zu fixen Preisen — aber sind es denn diese armen harmlosen Geschöpfe, welche heute den Ehrennamen des Schriftstellers, welcher die Bedeutung hat: Lehrer des Volks, für sich usurpieren, ungefähr wie sich die Budenkrämer Kaufleute nennen? Sind es denn diese Gedanken- und Gefühlskopisten, welche immer nach Mustern arbeiten, die das Schicksal der Welt entscheiden? Welche Verblendung, welche Torheit! Sie sind ja nur das Echo der Volksstimmung, sie sind nur Stimmen des Publikums als solche freilich wohl sehr zu beachten, denn sie sind die vox populi [Volkes Stimme] und folglich vox Dei [Gottes Stimme].

Diese vox Dei warnt und macht aufmerksam auf alle Bewegungen, welche man nicht übersehen darf, deren Nichtbeachtung sich rächt — aber diese Schriftsteller sind es nicht, welche Zustände und Ereignisse herbeiführen. Je mehr Freiheit sie haben, je mehr werden sie der Intelligenz nützen, welche stark genug ist zu regieren. Nichts bezeichnet aber mehr die Schwäche mancher regierenden Gewalt, als dass sie in dem Irrtume lebt, man dürfe nur diese Stimmen des Volks zum Schweigen bringen, um aller Not enthoben zu sein, dass man mit ihnen auch die Stimmen derjenigen zusammenwirft, welche ihren Beruf zu belehren in Erfüllung bringen, dass man auch dieser Wenigen Einsichten misstraut und ihren menschenfreundlichen Willen entweder verkennt oder damit nicht zu sympathisieren im Stande ist. Seit fünfzig und mehr Jahren sind in Europa viele solcher Männer erstanden — denn jede Zeit hat neben ihren Krankheiten die entsprechenden Heilkräfte — aber in England, Frankreich, Deutschland hat man sie wohl vielfältig gehört, gelesen, zum Teil beklatscht und nach ihrem Tode mit Leichensteinen belohnt — aber niemals ihre Ratschläge befolgt. Diese Schriftsteller im wahren Sinne des Wortes waren es, welche ihre Stimmen erhoben haben über das Unglück, welches die europäische Menschheit betroffen, aber es geschah ihnen wie den begeisterten Predigern, welche die Laster der Welt geißeln; man hörte sie, man vergoss Tränen bei ihren Klagen und Ermahnungen und kehrte sich nicht an ihre Lehren. Besonders waren es einige französische Schriftsteller, welche sich das Unglück des weiblichen Geschlechtes zu Herzen nahmen; sie schrieben gründliche und erschöpfende Werke über die Prostitution und ihre furchtbare Gefährtin, die Syphillis, diese Schriften wurden verschlungen, aber die Regierung tat so gut als nichts, dem Übel zu steuern durch soziale Reformen, welche allein zum Heile führen können. In England kam das Schicksal der Arbeiterinnen, der Nähmädchen und Putzmacherinnen im Parlament zur Sprache, aber die Sache fand wenig Anklang bei den politischen Parteien, es war nichts zu gewinnen dabei, denn die Putzarbeiterinnen haben nicht ein Mal bei den Wahlumtrieben einigen Einfluss, sie können keine Meetings veranstalten, sie können ihre Protektoren nicht bezahlen, sie können nicht zu ihren Gunsten Demonstrationen machen und durch Volksaufstände imponieren, man ließ die Sache fallen und es geschah nichts. Das Meiste geschah noch in England von den philanthropischen Vereinen. Diese Nation, welche in Allem groß ist, in ihren Lastern und Tugenden, besitzt unstreitig die großartigsten Anstalten für die leidende Menschheit, und dem ungeachtet ist nirgends größeres Elend zu finden, nirgends ist das weibliche Geschlecht einem traurigeren Lose verfallen wie in England — ein Zeichen von der monströsen Ausdehnung des Unglücks, von dessen Unheilbarkeit durch Anstalten der Menschenliebe allein, welche nicht mit sozialen Umwälzungen Hand in Hand gehen.

In den rein monarchischen Staaten waren die Unternehmungen der Humanität in den Händen der Aristokraten und des Priesterstandes. Es bildeten sich Vereine wohltätiger Frauen, und eine der segensreichsten Anstalten dieser Art ist der Verein adeliger Frauen in Wien, welcher einer großen Anzahl armer Mädchen Beschäftigung gibt. Allein die moralischen Grundsätze dieses Vereins — so widersprechend dies scheinen mag — vereitelten den Hauptzweck des Vereins. Abgesehen davon, dass sich die Mittel des Vereins völlig unzulänglich erwiesen, beschränkte die Strenge, womit man bei Auswahl der zu Unterstützenden zu Werke ging, die Wohltaten des Vereins. Nur Mädchen und Frauen von untadelhaften Sitten, welchen die Polizei und Privatpersonen glänzende Zeugnisse geben konnten oder wollten, wurden der Wohltaten des Vereines teilhaftig — folglich waren alle Prostituierten von ihnen ausgeschlossen, mit welchen auch nur in der entferntesten Berührung zu stehen das Anstandsgefühl der adeligen Damen verleben würde. Zudem hatte sich dieser Verein zur Aufgabe gemacht, Unglücklichen beider Geschlechter beizuspringen, wodurch seine Wirksamkeit noch mehr zersplittert, seine Wohltaten noch mehr beschränkt wurden. In der Regel scheitert der Plan solcher Vereine immer an seiner zu großen mit den Mitteln in keinem Verhältnisse stehenden Ausdehnung. Hätte man sich nur darauf beschränkt, z. B. arbeitslose Mädchen ohne Rücksicht auf ihre Moralität zu unterstützen, hätte man nicht Bedingungen gestellt, welche dem Elende zu erfüllen unmöglich ist, hätte man sich anfangs an ein kleines Stadtviertel oder an eine bestimmte Klasse der weiblichen Bevölkerung gehalten und allmählich nur den Wirkungskreis nach Maßgabe der Mittel ausgedehnt, man würde bestimmte Erfolge erreicht haben.

Der Verein zur Unterstützung entlassener Sträflinge ist eine seht gute Anstalt, aber dringender nötig war gewiss ein Verein zum Schutze derjenigen, welche durch Elend in Gefahr sind, Sträflinge zu werden.
Endlich haben die Ligourianer(!) in Wien eine Anstalt für Büßerinnen, für reuige Freudenmädchen errichtet, wo sie eine Zuflucht gegen die sündhafte Welt finden sollten! Aber es handelt sich nicht so sehr um die moralische und religiöse Besserung der Unglücklichen zunächst als um Brot — nicht um Pönitenz und Bekehrung, sondern um Vorbeugung jener Sündhaftigkeit, welche nur eine Folge der bittersten Armut ist.

Alle diese Anstrengungen also, dem weiblichen Geschlechte zu Hilfe zu kommen, waren vollkommen vergeblich. Um die Prostitution zu vernichten, müsste man übrigens dem ganzen Geschlechte zu Hilfe kommen. Nicht nur den Mädchen müsste man zu helfen suchen, welche aus Not dem Laster anheim fallen, sondern dem Weibe in seiner ganzen bürgerlichen und sozialen Stellung, den unglücklichen Ehefrauen so gut wie den Witwen und Waisen, denn das ganze Geschlecht in seinen legalen und illegalen Verhältnissen ist elend, befindet sich in einem Zustande der tiefsten moralischen und physischen Herabwürdigung. Das Eheweib, welches von dem Gemahl nur als ein Werkzeug der Lust behandelt wird, das er wegwirft, wenn es zum Vergnügen untauglich geworden, verdient so gut unser Mitleid, wie das unglückliche Mädchen, welches ihre Haut zu Markte tragen muss, um nicht zu verhungern. Das Elend jener armen alten Witwen, welche die Verzweiflung, die Hilflosigkeit der Kinder zu Kupplerinnen macht, muss so gut unsere Teilnahme erregen wie die Verlassenheit eines Findelkindes, welches im zartesten Alter der Wollust geopfert wird. Nur ein Weg ist der rechte. Man muss in den Familien unter den Vätern und Müttern dieser Zeit, in allen Standesklassen ein Gefühl für das Allgemeine wecken. Man muss sie, statt ihnen bloß Familienpflichten einzuprägen, begreiflich machen, dass sie die letztern nur durch Zusammenwirken für einen gemeinsamen Zweck erreichen können. Man muss ihnen begreiflich machen, dass Alle zu Grunde gehen müssen, wenn sie nur sich zu retten suchen. Die kleinen Inseln der Wohlfahrt im Meere des Elends haben nicht Raum für Alle, daher jede Familie, welche durch Egoismus für einen Augenblick trocknen Boden gewinnt, im nächsten von Anderen aus ihrem Neste vertrieben wird. Man muss den Männern zurufen: Erbarmt euch eurer Weiber, Kinder, Kindeskinder und Schwestern, der Herr straft euren Egoismus bis in's dritte, vierte Glied. Der Egoismus schwimmt auf einem elenden Balken — er muss untergehen im allgemeinen Jammer. Ein solcher Balken ist mühselig errungenes, oft nur durch Laster und Schandtaten erworbenes Vermögen. Damit ist es nicht getan — ihr könnt und müsst im Kampfe es wieder verlieren, ein Zufall verschlingt das Erbe eurer Kinder, und indem ihr sie gegen das Unglück zu bewahren sucht, gebt ihr sie der Schande, der Verzweiflung preis. Das Heiratsgut eurer Töchter wird vergeudet von einem sittenlosen Wüstling, euer Kind wird geopfert. Euer Vermögen zersplittert sich und da das allgemeine keine Zuflucht bietet, verfallt ihr dem allgemeinen Elende. Die Witwe eines Feldmarschalls kann eine Kupplerin werden, die Tochter eines Ministers eine Hure. Es schützt nichts mehr gegen den Orkan des Verderbens, welcher die Menschheit hin und her wirft, weder Rang, der mit dir stirbt, noch Geburt, welche ohne Geld keinen Wert hat, noch Geld, welches verloren gehen kann. Es ist eine bekannte Wahrheit: Erhalten ist schwerer; als Erwerben. Und doch haben nur sehr Wenige die Gabe des Erwerbens; unter tausend Erbschaften aber gehen 900 den Erben verloren durch Unverstand, Betrug, Neid, durch Verfolgung. Auf eurem Sterbebette müsst ihr euch erinnern, dass eure leiblichen Töchter in das Verderbnis des allgemeinen Zustandes gerissen werden können und oft müssen. Nur indem Alle sich vereinigen, dem Allgemeinen abzuhelfen, könnt ihr gründlich verhindern, dass nicht die Wechselfälle des Lebens eure liebsten Kinder dem schrecklichsten und zugleich infamsten Lose preisgeben. Diese Hilfe dem Allgemeinen und dadurch eurem eignen Fleisch und Blut könnt ihr aber nur möglich machen, wenn euch das Schicksal fremder Töchter nicht mehr gleichgültig ist, wenn ihr milde und duldsam, väterlich seid gegen fremde Kinder, wie gegen die eurigen, wenn ihr beim Anblick einer Unglücklichen, welche meist durch eure eigene Schuld der Schande sich preisgegeben, nicht jene fluchwürdige Verachtung, welche so ungerecht und schändlich ist, sondern väterlichen Schmerz und brüderliches Mitleid empfindet!

Vor Allem geziemt es euch die Schwäche in Schutz zu nehmen. Das weibliche Geschlecht von Natur eurer Stärke Schutz anvertraut, darf nicht lange in jener hilflosen Freiheit umherirren, welche man heute mit den Ideen der Emanzipation noch machiavellistisch beschönigt. Ihr sollt nicht der euch schutzbefohlnen Schwäche gleißnerisch Kräfte zutrauen, welche sie nicht besitzt, welche gegen die Natur sind und deren Nichterkennung, deren heuchlerische Verleugnung, das Weib mit den gehässigsten und giftigsten Kreaturen der Schöpfung in eine Reihe stellt. Denn was wären jene zahllosen kleinen Fehler der weiblichen Natur — welche als Zeichen ihrer Schwäche nichts weniger als Tadel, sondern liebende Aufsicht und Entschuldigung verdienen — als böse Eigenschaften schädlicher Geschöpfe? Was an ihrer Schwäche reizend, liebenswürdig und wenigstens schuldlos erscheint, nimmt — wenn man Stärke an ihnen voraussetzt — den Charakter von unergründlicher angeborener Bosheit an. Ihr wollet das Weib nur als stark erkennen, damit ihr des Mitleids, der Sorgfalt enthoben seid und dass der grundlose Hass eurer entmannten Herzen gegen dieses verwaiste Geschlecht eine Rechtfertigung finde.

Die allerschändlichste Art zu heucheln ist die Huldigung, welche man heute dem weiblichen Geiste darbringt. Es ist die Fabel vom Fuchse, der dem Raben seine Mahlzeit abschwatzt, indem er ihm weiß macht, wie er sterbe vor Begierde ihn singen zu hören. Nicht jene blödsinnigen Jungen zwar sind es, welche mit aufrichtiger Ehrfurcht zu einem geistreichen Frauenzimmer hinaufsehen, weil sie selbst die Vorsehung in einem erbarmungswürdigen Zustand der Einfalt und Geistesschwäche versetzt hat, welche meist von den Sünden der Väter herrührt, die man der Heuchelei beschuldigen kann, aber die noch gesunden und kräftigen Männer, welche ihren Hohn und ihre Verachtung verbergen über solche Verkehrtheit, weil sie zu faul und eigensüchtig sind, dem Unfuge entgegenzutreten und entlaufene, so nach Selbstständigkeit ringende Frauenschwäche in ihrer Obhut zu nehmen. Man findet es belustigend, die Frauen als Kunstreiterinnen, Athletinnen, Virtuosinnen und Schriftstellerinnen zu bewundern, und man hütet sich wohl, jene huldigenden Kretins von ihrem Wahne zu befreien. Ein besonderes Unglück für unsere Zeit und besonders für das weibliche Geschlecht ist die Masse der Schriftstellerinnen, welche uns nur beweisen, wie erbärmlich unsere Zeiten sind, in welchen selbst Weiber sich des heiligen Lehramts bemächtigen, ohne sich gegenüber jener Kinder zu blamieren, welche die Feder nur ergreifen, weil ihnen die Kraft zu jeder anderen Hantierung fehlt.

Diese Schriftstellerinnen, eine Anzahl von verblendeten, ihrer Eitelkeitsschwäche unterlegenen Frauen, führten ihr Geschlecht durch ihre abenteuerlichen Schriften über ihre wahren Interessen und Bedürfnisse vollkommen irre, sie wiesen sie zu ihrer Verteidigung gegen das Verderben an Kräfte, welche ihnen nicht zu Gebote stehen, und lehrten ihnen die allgewaltigen Waffen ihrer Reize und ihrer hingebenden Liebesschwäche — welche in allen Zeiten raue Feldherren und große Gesetzgeber beherrschten — verachten und bei Seite setzen. Durch sie verlernte hauptsächlich das heutige Geschlecht der Frauen ihre altberühmte sichere Kunst, das Glück, welches sie gewähren können — das höchste irdische — zu hohen edlen Preisen zu verwerten. Ich hoffe, dass man diese Kunst nicht verächtlich finden wird, weil sie jetzt in der Tat in den Händen der tiefsten Schmach zu sein scheint. Diese Kunst ist des Weibes Brautschatz, den ihr die Natur gegeben. Diese heilsame Klugheit der Schwäche ist ihre einzige Sicherheit. Man hat sie der Verachtung anheim fallen lassen; das Weib des Jahrhunderts findet es philosophischer, sich ohne Preis an den Mann der Neigung anzuwerfen, und der Mann findet es überaus bequem und wohlfeil, durch diese Philosophie großer Sorgen und Mühen enthoben zu werden!

Der Verfasser sieht sich hier veranlasst eine Äußerung einzuschalten, welche er am anderen Orte schon niederlegt. Es ist in unsern Zeiten der Emanzipation aller menschlichen Schwachheit, wo es fast kein Gebrechen, keine Infirmität des Verstandes und Herzens gibt, welche nicht irgend einen sophistischen Lobredner gefunden hätte, so viel über Beruf und Fähigkeit des Weibes zur Geistestätigkeit pro und kontra debattiert und disputiert worden, dass diese Frage durch die Ereiferung von beiden Seiten ein Zeitfrage geworden ist. Je mehr nun Verkehrtheiten aller Art im geistigen Leben um sich greifen, je mehr Wunderkinder, Wunderdoktoren und Wunderdichterinnen aufstehen, Epoche machen und sykophantische Lobredner finden, je dringender ist es der gesunden Vernunft schwindelfreier Köpfe zu raten, das windige Spinngewebe nichtiger Berühmtheiten, welches die Tempel der Literatur und Kunst verunziert, hinwegzukehren, um dem echt männlichen Geiste Suprematie und Würde zu retten. Jahrtausende sind vorübergegangen, ohne dass es den Menschen eingefallen wäre, die Weiber zur geistigen Herrschaft zuzulassen, ohne dass es ihrem Geschlechte selbst eingefallen wäre, danach zu streben; in keinem Staate der alten und neuen Welt hat sich eine geistige Suprematie geltend gemacht, niemals hat sich der weibliche Geist über die Sphäre der Leidenschaften erhoben; die ganze Geschichte der Menschheit aller Zeiten hat nirgends auch nur eine Spur von weiblicher Geistestätigkeit hinterlassen, bis endlich das vorige Jahrhundert die Welt zuerst mit den Klatschereien der weiblichen Memoirenliteratur beglückte und bald darauf ein ganzes Heer von „Blaustrümpfen“ auf den Markt der Literatur brachte. Ein bis zwei Jahrtausende der Vorzeit haben nur eine Sappho [(*zwischen 630 v. Chr. und 612 v. Chr. †um 570 v. Chr.) antike griechische Dichterin] hervorgebracht, die noch dazu so bescheiden war, ihr Talent in den Stellen zu begraben; ein einziges Dezennium der Jetztzeit beglückte Deutschland allein mit einem Dutzend Sappho's, welche mehr Verse machten, als sechstausend frühere Jahre zusammengenommen von dieser Art weiblicher Arbeiten hervorbrachten. Und wirklich kamen, zum größten Leidwesen aller denkenden Männer, welche in dieser geistigen Amazonenwirtschaft nur den Verfall der männlichen Kraft und Würde erblicken konnten, nur die Unfruchtbarkeit des Zeitalters an männlichen Gedanken symtomisiert sahen, so viele Werke und Werkchen, Gedichte und Komödien, Memoiren und Romane zum Vorschein, worin sattsam Mutterwitz, leidlicher Geschmack und reizende Geisteskoketterie enthalten waren, um in Zeiten eines weibischen Geschmacks und weibischer Denkweise als Wunderwerke des Geistes zu gelten. Diese Tatsache ist es, welche wir zuerst zu bekämpfen haben, und wir fangen damit an, völlig zu leugnen und in bestimmter Weise zu widersprechen, dass alle diese berühmten Weiber, welche wir meinen, sich durch ihre Werke ein Recht erworben haben, geistig zu gelten und einen Beruf für sich in Anspruch zu nehmen, der eben so wenig passt für ihr geistiges Vermögen, wie ein Schwert für ihre physische Kraft.

Wir wollen uns kurz fassen! Unter allen schriftstellernden Weibern des Jahrhunderts sind die Stael [Anne Louise Germaine de Staël-Holstein (1766-1817) französische Schriftstellerin], die Genlis [Stéphanie-Félicité Ducrest de Saint-Aubin, comtesse de Genlis (1746-1830) französische Hofdame und Schriftstellerin], die Bettine [Bettina von Arnim, geb. Elisabeth C. L. M. Brentano (1785-1859) deutsche Schriftstellerin] die berühmtesten. Jede von ihnen repräsentiert eine Gattung, und mit dem Urteil über sie ist so ziemlich das Urteil über Alle gebrochen, denn von den Memoiren schreibenden Weibern, von den Romanspinnerinnen vulgärer Gattung, den Theaterdichterinnen für die letzte Galerie wird man uns hoffentlich erlassen zu sprechen. Was haben aber oben erwähnte gepriesene Frauen zu Wege gefördert? Madame Stael, von der Natur vernachlässigt, unfähig mit schönen Augen zu kokettieren, hat sich mit Glück auf die geistige Koketterie verlegt. Einige geistige Bonmots sind das Einzige, was von ihr älter geworden ist als 25 Jahre, was sich durch Tradition hungriger Kalender bis auf heute erhalten hat; ihre Dichtungen mit ihrem Bombast, mit ihren hergebrachten, tausendfältig in den ältesten Zeiten abgeklatschten stereotypen Charakteren, hat der fruchtbare, alles Nichtige verheerende Kehrbesen der Zeit so rein von der Erde gefegt, dass nur selten ein Antiquar zu finden sein dürfte, der noch Etwas von ihnen für den Kuriositätenfreund aufgehoben hat. Die Genlis ist eine recht ehrbare, achtungswerte Frau, sie ist, um von ihr so zu sprechen, wie die Stael von Napoleon, den sie einen Robespierre zu Pferde nannte, als Schriftstellerin doch Nichts als eine Gouvernante zu Pferde. Allbekannte gute Erziehungsgrundsätze, ermunternde sittliche Beispiele, gute Lehren für Alt und Jung aus der Rüstkammer der Fibelweisheit — sie sind ein achtbares pädagogisches Geschenk, aber wahrhaftig von wenig Bedeutung für die geistige Welt, da hier weder neue Ideen, noch originelle schaffende Produktivität zu finden ist.

Madame Sand [George S. (1804-1876) französische Schriftstellerin], — ja diese steht höher als Beide an Talent und Fähigkeit, sie steht über vielen Männern, welche schwächer sind an Geist als ihr Geschlecht; ihre Romane sind wahrhafte Kunstwerke der Musivarbeit [musivische Kunst, alter Ausdruck für Mosaiken und Einlagen aus Stein- oder Glasstückchen. Auch ausgeschnittene und eingefasste Glasstücke (mit oder ohne Malerei) wurden früher als Musivarbeiten bezeichnet], aber im Grunde doch auch nichts als weibliche Arbeit, mit Feinheit, Geschmack und Geschick auf Canevas [Die musikalische Bedeutung desselben, ausdrückend das Wortmaß für den Begleitungstext, die einzelnen Worte, welche der Komponist den Noten unterlegt, das Silbenmaß zu bestimmen, ja den Text selbst.] übertragene Lebensbilder, charmante Liebesgeschichten voll pikanter Situationen und Lebenswahrheit, aber ohne alle poetische oder philosophische Intuition, geistreich und mit weiblichem Nachgefühl erzählte Chroniken der Liebesärgernisse dieser weibervollen Welt. Sie kennt ihr Geschlecht und schildert es gut mit allen seinen Schwachheiten, sie hat trotz einem vielwissenden Kammermädchen einen tiefen Blick in die Geheimnisse des heutigen Familienlebens getan — aber von Poesie hat sie nur geträumt, und ihre Philosophie hat sie aus der Enzyklopädie genommen. Sie hat es zu keiner andern Positivität gebracht als zum Zigarrenrauchen. Sie erzählt die galanten Abenteuer, Intriguen und Ärgernisse der Salons wie eine geist- und gefühlvolle Kammerfrau von vieler Weltkenntnis, jener oberflächlichen Art, wie sie Weibern eigen ist. Die Leidenschaften, Motive und Interessen des Lebens sind ihr genau bekannt, insofern sie mit dem andern Geschlechte zusammenhängen und sich darauf beziehen, sie versteht sich auch soviel aus Politik, wie eine Pariser Zeitung — aber wo ist die höhere Welt- und Lebensanschauung, wo nur der tiefe, heilige Ernst der Weisheit, welche über den Dingen steht, wo überhaupt Alles das, was nur den männlichen Geist als ein ausschließendes, angestammtes Prärogativ [Für Vorzug oder Vorrecht im staatsrechtlichen Sinn.] charakterisiert und ein Haupterfordernis der geistigen Bedeutung ist, das schaffende Leben und Walten weitverzweigter, tiefer Gedanken in Beziehung auf den höhern Lebenszweck und die höhern Lebensmotive der Menschheit?

Warum will man die Gesetze der Natur umkehren? Das Weib, in Bezug auf seine körperliche Natur, ist nur zum Empfangen, zur Reproduktion oder zur Vermittlung des Werdens geschaffen. Es ist bloß das heilige Gefäß, worin die Natur die Keime ihres Lebens aufbewahrt und zur Reife bringt. Sollte der Geist des Weibes auf eine heterogene Weise gebildet sein, sollte der Schöpfer, in dessen Kreaturen jeder Art sich eine harmonische Verhältnismäßigkeit der Begebung zeigt, allein beim Weibe einen Missgriff begangen und demselben einen kräftigen, zeugungsfähigen Geist verliehen haben zu einem schwachen Mutterleibe, der nur geschaffen ist aufzunehmen und zu gebären? Nimmermehr. Nie haben Weiber Gesetze gemacht, niemals Positives erdacht, niemals waren sie etwas Anderes als von äußeren Impulsen beherrschte Wesen, ohne selbstständige, unabhängige Seelenkraft. Der Kreis, auf den sie die Natur verwies, ist das Haus, die Wirtschaftsstube, das Familienleben. Dort ist sie allein heimisch — überall sonst erscheint sie als Abnorminität, als ein Wesen, welches seine Naturbestimmung verleugnet und dem Zufalle preis gegeben ist.

Allein Not, Unglaube, Krankheit, physische und moralische Anarchie der Meinungen und Grundsätze, Gesetzlosigkeit der moralischen Zustände, durch Übervölkerung, Drang der Bedürfnisse, durch Ausartung der Begierden erzeugt, die heterogene Witterung des Jahrhunderts, haben das männliche Geschlecht so verweichlicht, erschlafft, entmutigt, blasiert und entmannt, dass es aus Trägheit, Schwäche und Infirmität danach strebt, die schwere Bürde seiner Naturbestimmung von sich ab und teilweise auf das andere Geschlecht zu wälzen. Der Mann des Jahrhunderts, zu schwach seinen Beruf zu erfüllen, ladet auf weibliche Schultern einen Teil der Lasten seiner Mission, um in gemächlicher Faulheit sein teures Ich zu pflegen. Daher die Neigung des Zeitalters, dem Weibe Rechte einzuräumen, welche Pflichten mit sich bringen, daher die Willfährigkeit des männlichen Geschlechtes, einen Teil seiner Domänen dem Weibe abzutreten, damit er die der Mühe der Verwaltung und Obhut darüber enthoben sei.

Wer dem weiblichen Geiste Weihrauch streut, der ist ein Erzfeind des Geschlechtes; er ist geneigt, des Weibes Herz zu zertreten, um sich an ihren Gedanken zu erlustigen. Begreift endlich eure Schmach, euer Schicksal, emanzipationssüchtige Weiber; der Mann der Zeit, nachdem er eure Herzen längst dazu missbraucht, eure Reize und Tugenden, will auch euren Geist zum Werkzeug seines schnödesten Vergnügens machen! Erbietet euch ein Spottrohr als Szepter der Selbsttäuschung für den euch entrissenen goldnen Zauberstab der Liebe. Er will euch ehren, anstatt euch lieben, er will euch arbeiten und herrschen lassen, um auf dem Faulbette seiner Begierden der Sorgfalt für euer Wohl enthoben zu sein. Er gewährt euch Freiheit, um euch zu verlassen, hilflos in die Wüste des Lebens zu stoßen, wo nur verwilderte, rohe, begierdenvolle Tierheit euch begegnet — seine Pflichten sind ihm zur Last, darum beschenkt er euch mit dem Recht und Beruf, eure zarte, liebliche, gottgeschützte und liebegesegnete Schwachheit mit der schweren Bürde der Gedanken zu belasten.

Der Verfasser dieses Buches gehört nicht zu Jenen, welche das Weib tief unter dem Manne, unter die subordinierten Geschöpfe des Weltalls zu rangieren geneigt sind. Er bekennt sich nur zu der Ansicht einer mathematischen Unterordnung des Weibes in der Reihenfolge der Dinge, einer zweiten Bestimmung, der eine erste vorausgehen müsse, ohne deshalb das weibliche Prinzip der Schöpfung geringer zu achten als das männliche. Was ist die männliche Zeugungskraft anders, als wieder ein Zweites in der Schöpfung, welchem das Erste der Schöpferkraft gewaltig vorangeht, und wer vermöchte zu beurteilen, was in der Idee des Schöpfers mehr gelte, ob das auf ihr folgende Zweite oder Dritte der Lebensgenerierung? Was ist am Ende Alles, was menschlicher Geist vollbringt, als eine notwendige, von göttlicher Urkraft bestimmte zweite Aktion zu unbekannten Zwecken und von unbekannter Bedeutung für das All? Allein keine Kraft soll aus ihrem Kreise treten. Wenn uns auch Alles unbekannt ist im großen Mysterium des Weltalls, so ist dies doch nachweisbar, dass jede Kraftbewegung ewig unveränderliche Schranken vor sich hat. Bloß gegen das Hinausstreben aus diesen Schranken, das nur zu Unnatur und Verderben führen kann, erheben wir unsere Stimmen. Und ein solches Hinausstreben ist gewiss das Geltendmachen weiblicher Gedankenbefangenheit in der Urteilsfreiheit des Mannes, das Auftreten des Weibes in der Literatur, sofern sie nicht bloß ein Spiel der Gedanken ist und einem höhern zeugenden Berufe lebt. Freilich wohl lebt unsere Literatur nicht diesem Berufe! Aber eine Krankheit — so allgemein und seuchenartig sie auch sei — stößt noch nicht die Gesetze der normalen Gesundheit um, und eine Infirmität des männlichen Geschlechts beweist noch nicht, das weibliche Infirmität zur geistigen Herrschaft berufen sei.

Das Glück, welches die Weiber in der modernen Literatur machten, der bedeutende Rang, welchen eine Sand unter den Schriftstellerautoritäten einnimmt, zeugen nicht von ihrer höhern Befähigung, zeugen nur von dem tiefen und entwürdigten, selbst weibisch gewordenen Geist unsrer Zeit, nur von der Blasiertheit und durch geistige Unzucht herbeigeführten Impotenz des männlichen Geistes, dem schon der weibliche Mutterwitz imponiert, nur von dem Ruine mannhafter Sinnes- und Denkungsart, welche sich nicht erhebt über die Fragen des materiellen Daseins. Geld haben und nicht haben, Genuss von Bequemlichkeit, Luxus, Geschlechtsfreuden und Putz und äußeres Ansehen, Titel, Macht und Einfluss — das ist Alles, was den Egoismus interessiert, worüber sich jetzt kein Gedanke zu erheben wagt — und das ist gerade der Kreis, den auch weiblichen Gedanken umfassen. Über das hinaus ist nach dem Zeitglauben — Wahnsinn; Wahnsinn der Vaterlandsliebe, des Gemeinsinns, der göttlichen Poesie und der Religion; Schwärmerei der überspannten Patrioten, Thoren und Weltbesserer, Fanatiker und Idioten — von heute auf morgen genießen und leben, lieben und erwerben, satt werden und sterben — das umfasst des Weibes und der Zeit Geist. Allein, dass es so ist, markiert nur einen Übelstand, kann aber keine Basis darbieten für ein neues Naturgesetz, das nur in der Verrücktheit des Zeitgeistes eine Begründung fände. Es ist traurig, dass die höheren Motive geistigen Lebens Nichts mehr gelten vor der tyrannischen Herrschaft der materiellen Interessen; traurig, dass diese Motive jetzt als fabelhafte Dinge erscheinen, aber nicht bewiesen ist es, niemals kann es bewiesen werden, dass sie wirklich fabelhafte Dinge sind diese Motive, welche die Gesammtheit so sichtbar zu Grunde richten!

Nicht die Feinde des weiblichen Geschlechts sind es, welche gegen dessen Emanzipation sich auflehnen, sondern dessen wärmste, aufrichtigste Freunde. Nur wer das Weib achtet und liebt, wer es anbetet und verehrt, kann sein höchstes Glück darin finden, es zu bevormundschaften und die schwere Last des unbestrittenen Ober-Regiments auf sich zu nehmen. Diese Freunde des weiblichen Geschlechts können aber niemals zugeben, dass das Weib in ihre Prävogative greift. Um den Preis der Liebe wollen sie Gehorsam und Unterwerfung, wie sie ein guter Vater von seinen Kindern verlangt. Dafür, dass sie ihre eigene Wohlfahrt, ihr eigenes Behagen opfern für das Wohl ihrer Schutzbefohlenen, wollen sie nicht anerkennen, dass diese berechtigt seien, durch ihre Torheit, ihre Leidenschaft, ihren Unverstand die heilsamsten Bemühungen für ihre Wohlfahrt selbstmörderisch zu zerstören.

Aber auch diese können durch Verzweiflung begeistert werden für die moderne Frauengröße, sie können bewundernd sogar ausrufen: „die Weiber hoch!“ aber nur wenn sie hinzufügen: pfui über die Männer! Ja, die Weiber sind groß geworden, weil die Männer klein geworden; ja, den Weibern gebührt auch ein Regiment in der modernen Geisterwelt, wo nur weibische Ideen regieren. Mannhafte Gesinnung hat Feder und Schwert, beide Waffen des Geistes, vor „dem siegenden Dalai Lama des Eigennutzes gestreckt — denn diese Waffen sind längst besudelt und beschimpft, nur eine Waffe blieb dem wahren Manne, der selbstdurchbohrende Dolch des stillen, zeitverachtenden Grams um die fallende Menschheit. Und es ist ein großes Zeichen der Zeiten: — da wo der Geist der Weiber zu regieren anfängt, beginnt ein furchtbarer Menschensturz, das weltentvölkernde Menschenverderben, das kein Ende nimmt, bis auf den Gebäuden des damaligen Geistes Gras und Moos gewachsen, die Blätter seiner Bücher in alle vier Winde gestreut, seine letzten Spuren von der Erde verschwunden sind. Nehmt dem Weibe den Scepter dieser Herrschaft und liebt sie statt dessen — es ist Alles zu wetten, dass die berühmteste Schriftstellerin weit glücklicher sein wird, wenn ein wohlbeschaffener Zeitgenosse ihr sein Herz, seine Hand, seinen stärkeren Arm fürs Leben weiht, als wenn in allen Journalen ein Dutzend blasierter Hohlköpfe ihr Kränze der Unsterblichkeit windet.

Nach allen diesen Untersuchungen konnte es fast scheinen, als hätten wir die Überschrift dieses Abschnittes vergessen. Wir wollten von ihrer Sklaverei sprechen und sprechen von dem Übermaß ihrer schädlichen Freiheit — ein großer Widerspruch. Aber darin besteht ja die Sklaverei der Frauen, dass sie unsere Zivilisation immer mehr frei, das ist hilflos macht — diese Freiheit macht sie eben zu Sklavinnen unserer niedrigsten Begierden, während sie die Herrinnen unserer Herzen sein könnten und sein sollten.

Ich spreche von den Männern! Hört! Wir haben Alles in unseren Händen, wir sind nicht bloß zum Spotte, sondern in der Tat die Herren der Schöpfung. Niemand könnte der Kraft unserer Natur Widerstand leisten, als unser Weib, das uns durch Liebe beherrschte. Aber auf andere Weise vermag sie nichts über uns, unsere Arme haben wenigstens dreifache Kraft, unser Verstand — obgleich ihre List und Schlauheit größer ist — wird weniger von Gemütsstimmungen beherrscht, unsere Herzen sind stärker, unsere Nerven weniger reizbar — in uns ist alle Macht Gottes. In Folge unserer geistigen und physischen Überlegenheit — welche freilich der Tross von schwächlichen Knaben nicht fühlt, der sicher die Frucht unserer Sünden und Verbrechen gegen das Weib ist — besitzen wir Alles in dieser Welt. Das Land, den Boden mit allen seinen Erzeugnissen, das Meer, die Luft, Alles ist unser. Wir rotten Wälder und Tiere aus. Wir haben in unseren Händen über unser Geschlecht die Gewalt der Regierung, die Gewalt des Priesters, die Gewalt der Wissenschaft. Das Weib hat nichts als das, was es von uns empfängt, was ihm Gesetze zulassen, welche wir machen und umstoßen. Wägt nun, messet, beurteilet — es ist wenig genug. Unsere Gesetze sichern den Weibern Rechte, Vermögen, Rang. Aber wenn diejenigen Männer gestorben sind, welche die Weiber in ihren persönlichen Schutze genommen, wie verfährt unser Geschlecht gegen die Witwen und Waisen. Trotz aller Gesetze wissen verschmitzte Advokaten die Witwen und Waisen um ihr Habe und Gut zu bringen. Ihr Rang geht mit dem Gatten zu Grabe und hinterlässt nur einen leeren Schatten. Man missbraucht ihre Schwachheiten, um sie an den Bettelstab zu bringen. Wehe der Witwe, welche nicht wieder befreundete Männer zu ihrem Beistand findet. Wehe einer armen Waise, deren Erbe in der Hand eines Vormunds aus unserem Geschlechte ist!

Wir wollen nun sehen, wie wir Herren der Schöpfung unsere von Gott verliehene Gewalt unter den bestehenden Sitten und Grundsätzen weise und milde gebrauchen. Erstens heiraten wir in der Regel nicht, ehe wir alle Freuden der Geschlechtsfreiheit bis zur Ermüdung genossen, das heißt wir ernähren nicht früher ein Weib, als bis wir seines Beistandes, seiner Pflege, bis wir der Ruhe bedürftig geworden sind. Zehn bis achtzehn Jahre unseres Lebens, in welchen wir schon ein Weib erhalten konnten, überlassen wir es sich selbst, einer wilden Freiheit, welche es zur Sklavin unserer vorübergehenden Lüste macht. Da aller Erwerb in unseren Händen ist, so ist also in der Regel das Weib achtzehn bis zwanzig Jahre seines Lebens hilflos, ohne Schutz, dem Zufall und der Großmut, der Leidenschaft oder der Tyrannei der Dienstherrschaften preisgegeben.

Zweitens aber heiraten wir oft gar nicht — denn wenn wir die Freiheit erst recht schätzen gelernt, wenn wir durch Erfahrungen und Beobachtungen die Lasten des Ehestandes fürchten gelernt haben, so beschließen wir gerne lieber einsam als geplagt und mühsam zu leben und unsere Genüsse und Güter mit einem Weibe zu teilen.

Drittens — wenn wir dem ungeachtet heiraten, so wollen wir dadurch nicht etwa eines jener hilflosen Weiber versorgen, sondern uns durch eine reiche Mitgift selbst versorgen, oder doch unterstützen lassen — wir sind erzogen worden und erziehen unsere Söhne in der edlen Überzeugung, dass es von einem Manne sehr unvernünftig, ja sträflich gehandelt sei, eine sogenannte schlechte Partie zu machen, das ist, ein armes Mädchen zu heiraten. Man heiratet - nicht um eine Pflicht, um ein Gebot der Natur zu erfüllen, um dem Drange seiner stärksten Gefühle zu folgen — welche ein vernünftiger Mann nach der Lehre des Jahrhunderts weise beherrschen muss — sondern um sich ein angenehmes warmes Nest zu bauen — man etabliert sich — man heiratet nicht mehr!

Viertens. Erziehen wir unsere Söhne in jener kostbaren Lebensweisheit, welche ihnen lehrt, ja nicht früher — leichtsinnig — sich zu binden an eine Gattin, ehe man seine Gefühle durch frühzeitige Ausschweifungen hinlänglich abgestumpft hat — so dass das Weib dadurch alle Gewalt über ein solches blasiertes Männerherz verloren hat und — wäre sie die Erbin aller Reize der Grazien — doch nicht im Stande ist, zu einer schlechten Partie zu verleiten.

Fünftens. Hüten wir uns wohl, das Weib von einem andern Gesichtspunkte aus zu achten, als in seiner Eigenschaft als ein Werkzeug der Wollust, oder als ein Mittel unser Glück zu machen. Ein Weib glücklich zu machen — das ist ein Gedanke, der unserem Geschlechte gar nicht in den Sinn kommt.

Sechstens. Die Unglücklichen aber, welche vor Not und Entbehrungen auf einige Minuten sich zum Vergnügen mieten zu lassen gezwungen werden, sie werden von den Männern noch weit mehr verachtet, als von den Weibern. Die Art und Weise wie man mit ihnen umgeht, wie man sie ablohnt, wie man sich ihrer bedient — gräuelhaft, himmmelschreiend, schimpflich —sie ist dazu geeignet, den letzten Rest weiblicher Würde in den Staub zu treten, und dem Opferer, das je ein Mal der Wollust Frohne geleistet, die Wiederkehr auf eine Bahn, wo nicht Schamlosigkeit sie begleitet, unmöglich zu machen.

Siebentens. Bezahlen wir unsere weiblichen Dienstboten — und ernähren wir sie — kaum so gut um sie dem Hungertod zu entreißen. Wir tragen zärtliche Sorge für unser Vieh, für das Futter und die Schonung unserer Pferde, aber der weibliche Dienstbote erhält nur Abfälle unserer Mahlzeit, er erhält, nicht genug Lohn, um sich durch gute Kleidung vor dem Ungemach des Wetters schützen zu können, man weist ihm, unbarmherziger als gegen Pferde, einen Winkel zur Schlafstelle an, wo er unter nasser Wäsche, Schmutz und der Kälte ausgesetzt, nur durch den barmherzigen Himmel von tödlichen Krankheiten befreit bleiben kann.

Indem wir also — wir werden es vielleicht nachweisen können — zwei Drittteile des weiblichen Geschlechtes in einer furchtbaren wilden Freiheit, oder in der Knechtschaft des Dienstes, oder in dem Dienste der Wollust, der Schmach, dem Elend, der Krankheit, dem Tode preisgeben — lasset uns sehen, nun wie wir das Dritte Drittteil beglücken!

Die Glücklichsten unter diesen Glücklichen sind die Frauen, welche eigenes Vermögen besitzen und sich von dem tugendhaften Ehegatten darum nicht prellen lassen. Aber welcher Unfriede, welcher Hader, welcher Groll ist meist mit diesem Glücke verbunden! Die Zahl dieser Auserwählten ist nicht groß — desto größer aber die Zahl der Opfer unserer leichtsinnigen Launen — die Gemälde dieser Ehen, die Schilderung der Leiden und unwürdigen Knechtschaft des Weibes durch eine gehässige und in schlimmer Absicht gewährte Freiheit — diese Tränen der darbenden Weiber, welche mit den Ihrigen dürftig oder elend lebend, während der Gemahl bei einem einzigen Saufgelage dasselbe durchbringt, was er seiner Frau auf eine Woche zum Lebensunterhalte anweist, diese Szenen — wir werden sie besonders schildern. Für jetzt nur dies: das Weib, aller Mittel beraubt selbstständig zu existieren, von uns ganz und gar abhängig und in Freiheit gelassen, befindet sich in Europa in einer zehnfach schrecklicheren Sklaverei als im Orient, wo es zwar seiner Freiheit beraubt ist, aber von Liebe liebend betreut wird.

Man sagt, das europäische Weib sei frei, aber man lässt es ohne Erbarmen verhungern, wenn es nicht den Frohndienst der Wollust leistet.

Das europäische Weib ist frei: aber wenn es nicht Alles zu entbehren gelernt hat, wenn es uns nicht um elenden Sold sklavische Dienste leistet, wenn es nicht bei Tag und Nacht nähen und ihr Augenlicht verlieren will so, muss es sich der Schande preisgeben.

Das europäische Weib ist frei, aber — während unsere eigenen Ausschweifungen unserer Ehre keinen Abbruch tun — ruiniert der kleinste Fehltritt, die kleinste Unbesonnenheit — ein leichtfertiges Wort, ein Kuss, bringt ein Mädchen oft auf Lebenszeit um Alles was sie hoffen durfte, gibt sie der Schande und Verzweiflung preis.

Das europäische Weib ist frei — aber wehe der Ehefrau, welche ihre Pflichten einen Augenblick vergisst — wir sind ein zivilisiertes Volk, wir strangulieren unsere Weiber nicht — aber — während wir selber tun, was uns beliebt — ist eine im Ehebruch ertappte Frau, wie Eugen Sue [Eigentlich: Joseph-Marie Sue (1804-1857) französischer Schriftsteller] sehr richtig bemerkt — ganz wie in der Türkei eine tote Frau. Wir geben sie in unseren Gerichtshöfen dem Hohne einer ganzen Nation, Millionen schadensfrohen Weibern, der Verachtung der Welt preis, wir töten sie langsam — grausamer und sicher. Das heißt — wir geben das Weib und seine natürliche Schwachheit allen erdenklichen Versuchungen preis, wir lassen es frei mit unseren Freunden — den gewissenhaften — allein spazieren gehen, wir lassen es tanzen, spielen, scherzen, tändeln mit jungen Leuten, wir geben ihm Gelegenheit und Freiheit zu Allem, stellen täglich seine Sinne auf die gefährlichsten Proben, welchen wir selbst immer unterliegen, aber ist das geschehen, was bei solcher Freiheit fast unvermeidlich wird — und ist die Unglückliche nicht geschickt genug ihren Fehltritt zu verbergen, so ist sie verloren, auf immer moralisch tot — von Männern und Weibern verabscheut, und von giftigen Zungen zu Tode gestachelt.

Das europäische Weib ist frei — vollkommen frei, aber wir geben ihm nur zu essen, wir gestatten ihm nur Obdach und bekleiden es nur, wenn es sich an uns wohlfeil und für den Moment wegwirft — wir heiraten — zerpflücken ihre Reize und werfen sie dann weg — ein altes Weib — ohne Mann, ohne große Arbeitsfähigkeit — die uns nichts bieten kann, ist immer eine Bettlerin, und unter jenen Millionen Schurken, welche, ohne einen Augenblick daran zu denken, dass sie Pflichten haben könnten gegen das Geschlecht und insbesondere die Opfer ihrer Lüste — gibt es wohl zahllos Viele, welche in ihrem Alter mitleidlos an einer alten Bettlerin vorbeigehen, der sie einst, niedergeworfen von heuchlerischer Brunst, zu Füßen gelegen haben: O es ist über alle Begriffe erhaben das System unserer heutigen Zivilisation, die Freiheit des Weibes zu befördern! Es ist die Freiheit der Hunde in Konstantinopel! Man lässt sie laufen, wohin sie wollen, man duldet ihr Dasein, aber man lässt sie auf der Straße verhungern!

Verzweiflung ist das Los der Hälfte des ganzen weiblichen Geschlechts — Schmach ihre Lebensbegleiterin, der Gram ist ihr Schlafkissen, die Kälte ihr Betttuch, der Hunger ihr täglicher Gesellschafter. Hätte die Natur dieses Geschlecht nicht mit einer fast übermenschlichen Geduld ausgerüstet, die Weiber müssten längst wie Hyänen über ihre Tyrannen — nein ihre Schlächter — hergefallen sein. Aber es gibt ein Maß menschlicher Verzweiflung, welches, ist es ein Mal erreicht, die Gesetze der Natur umstößt und aus friedlichen Lämmern reißende Wölfe macht. Das Beispiel des böhmischen Mädchenkriegs unter Wlasta [Eine Heldin der böhmischen Sage; http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834/A/Wlasta] wird zwar schwerlich eine Nachahmung finden, aber wenn dieses sittenlose, verderbte Mannsgeschlecht, welches alle Macht, alle Gesetze in Händen hat, noch länger die Lose der Weiber unbeachtet lassen sollte, so werden die Unglücklichen mit den ihnen zu Gebote stehenden Waffen einen geheimen Krieg mit furchtbarern Gräueln fortsetzen, der — wie wir zeigen werden — bereits in diesem Augenblick begonnen hat und der auf nichts Geringeres abzielt, als auf eine verzweiflungsmutige, selbstmörderische — weder sich noch Andere schonende Ausrottung des menschlichen Geschlechts.

Eine Nacht mit Laura Pisciotta in Venedig

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Französische Kurtisanen zwischen 1620-1630

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Französische Prostituierte im 17. Jahrhundert

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Ein Abend mit schönen

Ein Abend mit schönen "Maiden"

Sittenbild aus der Zeit Louis XIII.

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Im Zimmer einer Kurtisane, Frankreich 15. Jahrhundert

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Freier und Huren, Frankreich 16. Jahrhundert

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Orientalische Kurtisane, Türkei 16. Jahrhundert

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Römisches Bordell, Italien 16. Jahrhundert

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Herrliche, ruhmreiche Venus

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Ein Frauenschicksal im Mittelalter

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Bordellszene in der Antike

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Sklavenmarkt in der Antike

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Ein römisches Bordell

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Ein Freier verlässt das Bordell, Antike

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Bordellbesuch der Sieger, Antike

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Eine schwere Entscheidung, alles süße Früchte

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Bordellbesuch am Ende des 16. Jahrhunderts

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