Preis-Tarif der Prostitution

Unter allen Untersuchungen über die Prostitution ist keine wichtiger als diejenige, welche ihre Erträgnisse, ihren Erwerb betrifft. Es ist schlechterdings notwendig zu wissen, wie groß der sogenannte „Verdienst“ der Unglücklichen ist, besonders da es gewisse weise und tugendhafte Verurteiler derselben gibt, welche steif und fest darauf beharren, daß nur Luxus und Leichtsinn zu diesem in ihren Augen glänzenden Erwerbe führt. Die Delikatesse darf auf diese Untersuchung nicht den geringster Tatsachen verhüllenden Einfluss ausüben, und so sehr sich die Feder sträubt, Dinge aufzuzeichnen, welche unser Zeitalter mit einer unvertilgbaren Schmach bedecken, so gehässig auch der hämische Blick sein mag, welchen der gute Anstand auf solche Aufzeichnungen werfen mag, es darf nichts verschwiegen werden, was die Aufmerksamkeit des Staates und seiner Gesetzgebung auf diejenigen Mittel hinzulenken geeignet ist, wodurch allein geholfen werden kann. Die Öffentlichkeit solcher Tatsachen, wie wir sie hier niederschreiben, allein ist schon eine halbe Hilfe, und es kann den Schriftstellern dieses Zeitalters nicht verziehen werden, daß sie aus Furcht, sich zu beschmutzen, diese Hilfe niemals geleistet haben. Das Gefühl, welches sie davon abhielt, ist kein sittliches; es ist dasselbe Gefühl, welches unter 10 Menschen, welche auf der Straße einen Epileptischen finden, 9 abhält ihm beizubringen, das Gefühl eines feigen Ekels, die Furcht, in Berührung mit einem Kranken zu kommen! —

Die Platzpreise der Prostitution sind überall bekannt; Jedermann kennt sie, aber Niemand nimmt sich die Mühe, sie auch zur Kenntniß der Behörden aus eine Weise zu bringen, dass sie nicht ignoriert werden können. Die nachstehenden Angaben beruhen zum größten Teil aus den Mitteilungen unterrichteter Beamten, welche ohne Auftrag sich darum bekümmert haben, ohne zu wissen, welcher nützliche Gebrauch von der Staatsverwaltung von solchen Notizen gemacht werden kann.


Die vornehmsten, gebildetsten und raffiniertesten Klassen der Prostitution können nicht taxiert werden. Wohl aber die große Mehrzahl aller jener Kategorien, welchen nicht, außer ihren körperlichen Vorzügen, besondere Talente, Geistesgaben, Ränke, Verstellungskünste, vornehme Helfershelfer, verschmitzte Kuppler in ihrem Gewerbe zu Hilfe kommen. Es gibt in der Prostitution wie bei jeder anderen Industrie einen Großhandel und Kleinhandel. Des ersteren Erträgnisse sind unberechenbar, nicht so die des Kleinhandels, welchem die Konkurrenz eine gewisse Regelmäßigkeit des Nutzungsertrags aufzwingt, für den Kleinhandel der Prostitution aber kann man füglich folgenden Tarif annehmen:

Der höchste Preis, den ein schönes, junges, tadellos gebildetes Mädchen der Straße erhält (ausgenommen von unkundigen Fremden oder aus besonderer Zuneigung) und die höchste Taxe für schon sehr gewählte Ware ist: 10 Fl. E-M. (7 Thlr.)

Der gewöhnliche Preis, den ein Freudenmädchen begehrt, welches eine eigene elegante Wohnung, Dienerschaft und Papageien besitzt, ist 5 Fl.(3½Thlr.)

Nur wenige Auserwählte — sehr wenige — sind so glücklich, so honoriert zu werden.

Ein junges, frisches Mädchen in eleganter Kleidung, welches nur in den Theatern Bekanntschaften macht, erhält 2 Fl. (1 Thlr. 12 Ngr.)

Der allergewöhnlichste Platzpreis für eine elegant gekleidete Straßendirne, welche sich überall anreden und begleiten läßt, ist. 1 Fl. (21 Ngr.) oder 40 Fl. (14 Ngr.)!!!

Diese beiden Taren können allein in einer Durchschnittsberechnung in Erwägung gezogen werden.

Eine Straßendirne in Dienstbotenkleidung erhält. 20 Fl. (7 Ngr.)
Ein schlechtgekleidetes, gemeines Fabrikmädchen erhält 10 Fl. (3½ Ngr.)
Ein Mädchen, welches in die Kasernen geht, 2 — 5 Fl. (1-2 Ngr.)

Mit den Preisen dieser Industrie geht es völlig so wie mit jenen jeder anderen — sie wechseln, sie steigen und fallen — sind aber seit Jahren immerwährend im Fallen — ein -Beweis, dass die Zahl dieser Unglücklichen und ihre Industrie immer zunimmt.

Bringt man nun in Anschlag, dass von diesen elenden Preisen in den meisten Fällen noch die Hälfte abgegeben werden muss, dass von der übrigen Hälfte die Unglückliche — will sie anders sicher gehen und zu gewissen Zeiten gewarnt werden — noch einen Polizeidiener bestechen muss, so reduziert sich meist das Erträgnis dieses schrecklichen Gewerbes auf einen elenden Taglohn, der weder gegen Hunger noch Kälte schürt — besonders da sie auf Putz und Tand mehr verwenden muss, als es ohne ein solches Gewerbe nötig wäre.

Ich frage nun um aller menschlichen Barmherzigkeit willen, ist es möglich, dass ein solcher Erwerb etwas Anlockendes für ein Weib habe, welches nicht durch Verzweiflung gezwungen ist, ihn ohne Prüfung zu ergreifen, gleichviel wie gering die Vorteile, wie groß die Gefahren sind, um nur nicht Hungers zu sterben — oder doch nicht gleich?!

Es ist in der Regel ganz einerlei, ob eine Prostituierte den höchsten oder den niedrigsten Preis für ihre Herabwürdigung erhält. Wir wollen die Sache gründlich untersuchen. Hohe Preise werden nur denjenigen gezahlt, welche sich mit einer gewissen Eleganz, mit Komfort umgeben. Allein die Klasse der Männer, welche diesen hohen Preis bezahlen können, ist nicht zahlreich. Es dürften z. B. in Wien kaum einige hundert Männer leben, welche diesen Preis bezahlen können. Da nun die Zahl der Freudenmädchen viel größer ist, so ist die Folge, daß die Prätentiösen weniger Zuspruch haben, Es muss hoch kommen, wenn eine prätentiöse Lustdirne auf eine Einnahme von fünf Gulden täglich rechnen kann. Man rechne nun nach, was ihr übrig bleibt:

Die Wohnung, elegant meubliert, zwei Stuben Belletage, kostet wenigstens 40 Fl. EM.
Der Kleiderluxus, Schmuck, wenigstens 30 Fl. EM
Eine Gesellschafterin, welche ihr unentbehrlich ist, da sie nicht allein ausgehen darf, wenn sie den Preis halten will, wenigstens 40 Fl. EM
(Denn sie muss eben so anständig geneidet sein, wie die Dame selbst.)

Eine Magd an Sohn...... 6 Fl. EM
Der Haushalt monatlich wenigstens 50 Fl. EM
Die Wäsche 5 Fl. EM
————
171 gl. CM.

Das Fazit dieser Rechnung ist, dass ihr Erwerb ganz darauf geht, und sie nicht nur nichts erübrigen kann, sondern oft in den Fall geraten muss, Schulden zu machen.

Ökonomisch besser daran sind, wie bei jeder andern Industrie, diejenigen, welche mäßige Preise machen. Eine Prostituierte, welche ihre Gunst nicht höher taxiert, als zu 2 — 3 Fl., kann täglich auf zwei bis drei Besuche rechnen, freilich mit größerer Gefahr für ihre Gesundheit. Der Erwerb einer solchen Dirne, welche nicht nötig hat, so großen Aufwand zu machen, wird sich ungefähr in folgender Weise berechnen lassen:

Monatliche Einnahme, wobei monatlich 8 — 10 Verdiensttage wegfallen wegen der gewöhnlichen weiblichen Zustände und einiger Regentage, welche die Prostituierte außer Stand setzen, ihrem Erwerb nachzugehen. — 80 bis 120 Fl.

Ausgabe:

Logis (im vierten Stock) 10 Fl.
Magd 4 Fl.
Haushalt 40 Fl.
Wäsche 3 Fl.
Geschenke an Hausmeister,
Polizeidiener 5 Fl.
Kleidung 15 Fl.
——
77 Fl.

Durch Sparsamkeit und geschickte Wirtschaft kann sie diese Auslagen aus 70 Fl. herabbringen, aber tiefer nicht, ohne sich in der Kleidung zu vernachlässigen, ohne zu hungern und in Stadtgegenden zu wohnen, welche für ihre Industrie schlecht gelegen sind. Sie wird daher im glücklichen Falle 10 bis 20 Fl. durchschnittlich monatlich ersparen können. Rechnet man nun aber, daß sie wenigstens drei Monat im Jahre krank sein wird, dass übles Aussehen, schlechtes Wetter ihren Erwerb oft bedeutend schmälern, dass sie dann Schulden machen und hundert Prozent Zinsen zahlen muss, so wird man begreifen, dass auch diese Unglückliche früh oder spät verderben muss.

Aber der Erwerb der bei Weitem größeren Mehrzahl ist kaum auf ein Drittteil zu taxieren! Der gewöhnliche Blutpreis ist 1 Fl. oder 40 Kreuzer. Wenn die Unglückliche 20 Tage Erwerb hat und sich in diesen 20 Tagen 40 bis 60 Male preisgibt — vierzig bis sechzig Male sage in Gefahr setzt, den Tod zu empfangen — so erwirbt sie monatlich nur 40 bis 60 Fl. Hat sie eine eigene Wohnung, so ist es noch gut für sie, sie wird wenigstens nicht hungern, aber wenn sie mit Unterstandgebern teilen muss, so reduziert sich ihr ganzer Erwerb auf 20 bis 30 Fl. EM., davon sie, da auch diese Klasse noch anständig gekleidet sein muss, 10 Fl. allein für ihren Anzug wenigstens braucht. Wird sie krank, so ist sie ohne Hilfe des Hospitals so gut wie tot und durch dessen Hilfe gewinnt sie nichts als ein sieches Leben.

Aber selbst zu diesem elenden Erwerbe gehört noch ein großer Grad von körperlicher Schönheit und Jugend. Jedes Jahr vom sechzehnten angefangen schmälert den Erwerb. Personen von geringeren körperlichen Vorzügen aber müssen vollends halb verhungern. Wir wollen nicht mehr tiefer herabsteigen in unserer Berechnung. Die Meisten dieser Unglücklichen sterben frühzeitig an Hunger, Schande und entsetzlichen Krankheiten: das allgemeine Krankenhaus in Wien könnte eine grässliche Statistik dem Staate vor Augen stellen. Es ist hohe Zeit, dass es geschieht, damit man wenigstens aus der Anzahl der in dem Gebärhaus und in der syphilitischen Abteilung auf den Umfang des gräßlichen Schlüsse machen könnte.

Gewiss, das Los derjenigen Frauenspersonen, welche sich einem redlichen Erwerb zuwenden, muss schaudererregend sein, wenn ihm entgegengehalten das Los eines Freudenmädchens als ein anlockendes erscheinen und viele Tausende armer Mädchen bewegen kann, sich solchem Elende und einem gewissen Tode in die Arme zu werfen!!!

Es ist eine schon oft von dem Verfasser vergeblich gemachte Bemerkung, dass der Staat bedenken solle, wie der Wert des Geldes täglich ein anderer wird.

Man nimmt in der Regel an, dass ein Mensch in Wien mit 5 Fl. monatlich zur Not leben könne.

Aber in der Tat lebt kein Bettler damit, ohne vor Hunger zu sterben.

Um zu essen, zu wohnen, um gut gekleidet zu sein — bloß geschützt gegen die Witterung und nicht in Schmutz und Ungeziefer umzukommen — bedarf eine einzelne Person in Wien — gleichviel ob Mann oder Frau — monatlich wenigstens 30 Fl.!

Man sehe zu, ob die Näherinnen, Taglöhnersfrauen, Fabrikarbeiterinnen dieß wirklich verdienen durch den sogenannten redlichen Erwerb, ob sie auch nur das Drittteil erschwingen können, und man wird die Hauptquelle der Prostitution gefunden haben.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Schicksale der Frauen und die Prostitution