Klassen der Prostitution

Man kann unter den Prostituierten alle jene Personen verstehen, welche auf die eine oder andere, offene oder verdeckte Weise mit ihren Gunstbezeugungen einen Handel treiben, dadurch entweder ihren ganzen Lebensunterhalt hereinbringen oder doch einen Teil ihrer Bedürfnisse dadurch bestreiten. Freilich ist dann der Prostitution ein weiterer als der gewöhnliche Begriff gegeben, da man unter Prostituierten in der Regel nur gemeine Freudenmädchen versteht; aber gewiß ist dieser weitere Begriff gerechtfertigter als der engere. Es ist durchaus kein Grund vorhanden, diejenigen Frauenspersonen höheren Standes von der Schmach dieses allgemeinen Begriffs auszufließen, bloß deshalb, weil sie nicht durch absolute Not gezwungen sind, sich feil zu bieten, oder weil sie, um ihre Preise höher stellen zu können, mehr Anstand und Klugheit beobachten. Die Frau oder Tochter eines hochgebornen Herrn oder großen Beamten, welche sich zur Maitresse eines noch größeren Herrn hergibt, verdient keineswegs eine Auszeichnung vor jenen Unglücklichen, welche ihr Brot auf der Straße suchen. Brauchen wir einerseits das Wort Prostitution in einem weiteren Sinne, so wollen wir es doch in keinem pedantischen gebrauchen, am wenigsten in einem ungerechten. Alle jene Personen, welche das naturgemäße Zusammenleben mit einem Manne nicht zum Erwerbe machen, welche, ob aus legalem oder illegalem Wege Verbindungen schließen, die in ihren wesentlichen Zwecken der Ehe gleichkommen, sind von dieser Bezeichnung ausgeschlossen und wir werden von ihnen in einer besonderen Abteilung als von sozialen Missverhältnissen und legalen Ehen sprechen. Denn wenn den ersteren auch die Sanktion des Gesetzes fehlt, so fehlt ihnen doch auch nichts als eben diese, um sie zu legalen Ehen zu machen; sie stehen nicht im Widerspruche mit der Moral, sondern nur mit den Einrichtungen dieses Zeitalters. Ebensowenig können wir die bloß unsittlichen Frauen, deren Zahl durch ein lebhaftes Volkstemperament in Österreich außerordentlich groß ist, unter den Prostituierten klassifizieren. Die Prostituierten aber teilen wir in folgende Klassen:

1. Die käuflichen Maitressen, welche auf unbestimmte Zeiten ohne Beschränkung gemietet werden.
2. Die galanten Frauen, welche sich den Protektoren ihrer Männer preisgeben.
3. Die verkauften Jungfrauen der besseren Stände und die Grisetten.
4. Die Noblesse der Prostitution.
5. Die anständigen Freudenmädchen.
6. Die Gassendirnen erster Klasse.
7. Die Gassendirnen zweiter Klasse.


Jede dieser Klassen ist sehr eigentümlich von allen anderen verschieden; in jeder herrscht ein anderer Ton, eine andere Philosophie, ein anderer Geschmack, eine andere Erwerbsmethode ? andere Trachten, Manieren, Sitten und andere Glücksumstände. Natürlich sind diese Klassen aber untereinander in einer solchen Verwandtschaft und Verbindung, dass es sehr leicht ist, eine Stufe herabzusinken oder eine Stufe höher zu steigen. Jede dieser Klassen verdient daher eine eigne Charakteristik. Die öffentliche Meinung unterscheidet sehr wohl zwischen allen diesen Klassen und jeder mit dem Leben der Residenzstadt Bekannte kennt diese Unterscheidungen. Das Studium der Prostitution ist unter allen Ständen so vollkommen durch die Frauen kultiviert, dass selbst die geistlichen Behörden von dieser Kenntniß nicht ausgeschlossen sind. Viel zu dieser allgemein verbreiteten Kenntniß, welche das Übel ungemein befördert, trägt der in allen Hauptstädten der Monarchie in allen Ständen herrschende ungemein freie Konversationston bei. Die Chronique scandaleuse ist die Lieblingsunterhaltung in allen Gesellschaften, wo man kaum junge Mädchen gegenüber die Rücksichten der Delikatesse beobachtet. Unter allen Klassen der Prostitution ist natürlich die geachtetste die der folgenden:


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Schicksale der Frauen und die Prostitution
Französische Kurtisanen zwischen 1620-1630

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Französische Prostituierte im 17. Jahrhundert

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