1. Die käuflichen Maitressen

Die Entstehung dieser Klasse ist sehr einfach. In Familien der höheren und sogenannten besseren Stände befindet sich ein junges schönes Mädchen. Sie ist vornehm erzogen und gebildet, an einen gewissen Luxus gewöhnt und von dem Himmel mit Eltern bedacht, welche philosophisch zu denken meinen, indem sie niederträchtig denken. Man weiß dass eine Person von ausgezeichneter Schönheit und seiner Bildung, wenn ihre Grundsätze nicht altvaterisch sind und ihr Geist aufgeklärt ist, ein weit größeres Fortune machen kann, als das, was man gewöhnlich eine standesmässige gute Partie nennt. Besitzt die Familie Vermögen, was häufig der Fall ist, so ist der Vater vermöge, seiner Philosophie doch weit entfernt, seiner Tochter durch eine Mitgift zu einem Mann zu verhelfen. Man findet es höchst albern, einen Schatz, der eine so hohe Geltung hat, noch auszustatten; der Mann muss diesen Schatz nach seinem ganzen Werte erstehen, wenn er ihn haben will. Man wirft seine Augen auf eine hohe Person — einen Prinzen fremden Hofes — denn der österreichische hat zu seinem größten Ruhme sich von aller Maitressenwirtschaft fern gehalten ? oder sonst eine Person von Millionen — man zeigt sich nur ? man läßt an sich herankommen ? man gewährt als eine Gunst der hohen Person Zutritt zum Hause — nebst ihm aber seinem Haushofmeister oder Adjutanten, der auf die zarteste Seife die Unterhandlungen in Gang bringt. Das Geschenk eines Diamantschmuckes, eines türkischen Schaals, einer Equipage, eröffnet die Präliminarien [vorbereitete Handlungen] ? nach Umständen nimmt man es an oder weist es zurück, besonders, wenn es nicht wertvoll genug ist — man bittet wohl gar den hohen Herrn flehentlich, die Ehre des Hauses zu schonen, Mutter und Tochter zerfließen ein Mal über ein ihrer Ehre nachteiliges Geschwätz in Tränen — die Sache endigt mit Verschreibung einer wertvollen Realität, eines großen Zinshauses, einer Herrschaft. Die Maitresse ist deklariert — sie erscheint öffentlich mit ihrem Geliebten, man zeigt sie im Prater, in den Bädern, umgeben von fürstlicher Pracht. Ist die Phantasie des hohen Herrn vorüber, was oft in einem halben Jahre, oft früher, selten aber später als nach 2 Jahren, der Fall ist, so tritt gewöhnlich ein Anderer zu gleichem Preise in seine Stelle. Die Maitresse bleibt aber immer eine vornehme Dame und die Ehrfurcht vor ihr in allen Ständen kennt keine Grenzen. — Zuweilen, aber seltener, sind auch berühmte Schauspielerinnen, Tänzerinnen, Sängerinnen so glücklich, die hohe Stufe dieser geschäftlichen Stellung zu erreichen.

Diese Klasse nun, nur um einen Grad niedriger als die der Pompadours, Lavallieres ? welche eher Frauen der Könige als Maitressen ? das ist maitresses im urfranzösischen Sinne des Wortes gewesen sind — ist aber in diesen schlechten Zeiten fast ausgestorben ? die Millionäre sind ziemlich selten und die hohe Aristokratie hat sich in Folge der Aufklärung dieser Zeiten überzeugt, dass sie wohlfeiler ihre Zwecke erreichen kann. Sie sucht ihre Maitressen selten mehr in den höheren Ständen, wo die Rasse vielleicht zu sehr herabgekommen ist, und steigt gerne zu den tieferen Klassen der Prostitution herab, welche ihnen bei geringeren Kosten mehr Abwechselung und mehr gesunde Natur darbieten. Es gibt wenige Fälle der beschriebenen Art mehr ? denn diejenigen, wo das Herz Anteil nimmt beiderseits — wo es sich nicht um Wollust allein, sondern um Liebe handelt, und welche sich in perpetuirliche Verhältnisse verwandeln, gehören nicht zu der Prostitution, sondern zu den Missverhältnissen ohne unmoralische Tendenz.


Die erste Klasse der Prostitution ist daher in Österreich ziemlich fabelhaft, obwohl noch von 20 Jahren her schöne Fabeln von ihr erzählt werden.

Noch gibt es in der vornehmen Welt einige Personen dieser Klasse, deren schöne Tage schon längst vorüber sind, welche zur Zeit des Kongresses geglänzt und enorme Summen vergeudet haben. Wenn man den Gesamtaufwand dieser Damen in der ganzen Monarchie nur aus eine Million jährlich anschlägt, was offenbar viel zu wenig ist, so hätte man von dieser Summe 10.000 Freudenmädchen jährlich der sittlichen Welt erhalten können. In dieser Betrachtung enthüllt sich das furchtbare Missverhältnis zwischen den aus unmoralischem Wege von Einzelnen eroberten unermesslichen Glücksgütern und dem redlichen Erwerbe der Mittelstände. Diese Klasse der Prostitution ist jetzt hauptsächlich deshalb so rar in Österreich, weil sie besonders in den Zeiten von Joseph II. bis 1820 ungefähr fast den ganzen österreichischen Adel zu Grunde gerichtet hat. Von allen den zahlreichen reichbegüterten Adelsfamilien, welche noch zu Maria Theresias Zeiten großenteils vorhanden waren, ist gewiß nicht der zwanzigste Teil reich geblieben; die übrigen sind mehr oder minder verarmt und ihre Güter sind zum Teil in den Händen jener Maitressen und ihrer Familien, zum Teil in jenen der Juden, welche zwar wenig eigene Güter besitzen, aber desto mehr Geld auf ihnen liegen haben. Ein Teil des unermesslichen Vermögens dieses Adels befindet sich zwar auch in den Händen des Bürgerstandes, aber gerade des schlechtesten Teils ? der Wucherer.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Schicksale der Frauen und die Prostitution
Ein Abend mit schönen

Ein Abend mit schönen "Maiden"

Sittenbild aus der Zeit Louis XIII.

Sittenbild aus der Zeit Louis XIII.

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