Abschnitt 9

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung


Auf der Schale verkehrten nur kleine Lastschiffe, Prahme, Ewer und „Steckelschiffe“. Von den Prahmen erfahren wir aus einer Nachricht des Jahres 1669: „Es dienet zu berichten, daß der Rat vor vielen Jahren einige Schiffe, Prahmen genannt, gleich den Boizenburgern zu Anbringung des Holzes auf der Schale in der Fahrt gehabt, welche aber, nachdem die Flößung aufgekommen, nicht mehr gebraucht worden, und daher meistens verdorben und liegen im Grunde im Wasser.“ Der betriebsame Berichterstatter gibt weiter ihre Wiederverwendung an: „Es seind aber von etlichen der unterste Boden noch gut und könnte ein oder anderes noch wohl wieder in stand gebracht und, wann über kurz oder lang Sülfmeister einige Partien Holz Jenseits der Schalsee erhandelten, solches damit angebracht werden, damit ihre Gerechtigkeit, den Schalsee zu befahren, von den Boizenburgern nicht disputieret werden könnte.“


Die Prahme waren flache, schmale Kähne zum Befördern schwerer Lasten. Sie hatten eine Größe von ungefähr 19 m Länge, 3,24 m Breite, 0,86 m Bordhöhe und 0,41 bis 0,43 m Tiefgang. Sie konnten etwa 12,5 Tonnen laden. Es hing gänzlich von dem Willen des Landesherrn ab, mit welcher Art von Kähnen man fahren durfte. So erlaubte Herzog Heinrich den Boizenburgern nicht mit eigenen Booten, sondern nur mit Boizenburger Prahmen über das Schwarze Wasser zu fahren.

Neben den Prahmen waren auf der Schale auch die Ewer gestattet. Diese waren zweimastige Segelboote, die besonders an der Küste, aber auch, wie hier, auf den Binnengewässern ihre Verwendung fanden.

Eine dritte Art, die „Steckelschiffe“, lernen wir nur aus der Zolltaxe kennen, nach der sie auf und tal 5 ß kosteten, während die Lübecker und Boizenburger Prahme 10 ß zahlen mußten. Sie wurden mit langen Stangen - wie es heute noch im Spreewald allgemein üblich ist - fortbewegt.

So klein diese Fahrzeuge an sich schon waren, so waren sie doch immer noch viel zu groß, als daß sie ohne Schleusenstauung die Fahrt hätten machen können. Trotz der zahlreichen Wasserbauten gab es doch noch etliche seichte Stellen, die nur umgangen werden konnten. Es blieb nichts anderes übrig, als die Waren umzuladen. Dies wurde z. B. bei Bandekow nötig. „Weil die Bandekower Schleuse vermöge 1581 aufgerichteten Vertrages ohne äußerste Not nicht kann noch mag gestauet werden und also das Wasser des Orts so klein und gering ist, daß sie mit vollen, geladenen Schiffen nicht durchfahren können, so pflegen sie allda die Schiffe zu leichten und das Holz zum Teil auszuladen und auf dem Ufer der Schale [- Sude, Unterlauf] aufzusetzen und hernach zu holen.“ Diese Leichtungs- und Umladestellen wuchsen sich sehr bald zu Stapelplätzen aus, da das Holz oft längere Zeit lagern mußte, Weil es nicht sofort abgeholt wurde oder abgeholt werden konnte. So natürlich auch dieser Vorgang erscheint, so wenig war er doch nach dem Sinne der Mecklenburger und ihrer Herzöge. Sie wollten die Stapelplätze nur bei den Zollstellen gestatten, weil sie dann unter ihrer amtlichen Aufsicht standen, was zur Vermeidung der so häufigen Unterschleife sehr erwünscht war.

Die Kähne waren persönliches Eigentum und wurden als solches besonders vom Gesetz geschützt. Es durfte niemand des andern Schiffe ohne des Schiffherrn Wissen und Willen antasten und gebrauchen bei willkürlicher Strafe, jedoch so eine solche Wassersnot sich beweislich zutrüge, daß jemand sich der Hinwegtreibung seines Holzes zu befürchten hätte, so sollte ihm unbenommen sein, des andern Schiffe zu gebrauchen. Wenn etwa in solcher Not und Gebrauch des andern Schiff beschädigt würde, sollte er den Schaden bessern, würde aber hinwider gehandelt und der Amtmann des Orts dessen berichtet, so sollte er Strafe zahlen.

War die Art der Schiffe genau vorgeschrieben, so mußte sich auch jeder, der schiffen wollte, erst privilegieren lassen. Wie es in der Bestimmung heißt: „Auf der Schale und dem Schalsee sollen keine Schiffe, denn die darauf privilegiert sein, als nämlich von Bürgern zu Lüneburg und Boizenburger Schiffamtsbrüdern gehalten und geführt werden bei Verlust der Schiffe und des Holzes, aber auch niemand denn ein Lüneburger oder Boizenburger Bürger den Holzkauf auf der Schale treiben soll.“

Im folgenden Jahrhundert erzählt uns einer der Zöllner zu Kölzin, daß der Kaufleute Schiffe über zehn Jahre auf dem Schalsee nicht gebräuchlich, weil die Schiffahrt auf dem Schalsee später abnahm und zeitweise sogar ganz aufhörte. Damals mußten sich die Kaufleute zum Wiederbeginn der Schiffahrt neue Kähne bauen lassen. Nur zwei der alten, auf dem Grunde des Sees gefundenen Schiffe konnten neu vorgerichtet werden. Sie wurden denn auch sofort angekauft.

Mit den oben erwähnten Schiffen fuhr man nun seit Fertigstellung der Schalfahrt die Strecke Schalsee-Zarrentin bis zur Elbe nach Boizenburg. Denn zu einer Schiffahrt war die Schale hergerichtet worden, das wird bei jeder Gelegenheit ausdrücklich betont. Zu diesem Zwecke hatte man sich die Privilegien verschafft und nicht zur Flößung, die schon immer im Gange gewesen war. Da die Lüneburger nicht dabei bleiben, sondern durchaus eine Schiffahrt einrichten wollten, so mußten sie sich wohl für den Handel und vor allem für den Salzvertrieb große Vorteile versprechen. Sie wollten für ihre Salzausfuhr neue Wege öffnen. Nun stand der Lüneburger Salzhandel gerade in der Mitte des 16. Jahrhunderts unter einem ganz besonders ungünstigen Zeichen.

Um diese Zeit nämlich kam in Deutschland überall die Einfuhr des Seesalzes von der Küste des Atlantischen Ozeans auf. Das fremde Salz wurde bei uns an den verschiedensten Orten versotten und erhielt den Namen Bai- oder Boysalz nach der westfranzösischen Bai Bourgneuf, von der aus es schon seit dem Ende des 14. Jahrhunderts nach Danzig gebracht wurde. Als aber von 1546 ab das Baisalz durch holländische Schiffe nach Stettin und anderen deutschen Hafenplätzen geführt wurde, gaben diese den Zwischenhandel mit dem einheimischen Salze nach dem Norden zumeist auf, was für Lüneburg einen argen Ausfall bedeutete.

Wenn auch in Mecklenburg zunächst der Handel mit dem fremden Salze verboten ward, in der Stadt Wismar fand das Baisalz schließlich doch Eingang, und damit war die Hoffnung der Lüneburger, daß ihr Salz auf dieser Schiffahrt, will sagen der Schalfahrt, einen guten „schlet“ haben sollte, zunichte gemacht. Sie klagen, das Salz habe keinen Abgang mehr, es sei auch noch kein Salz geführt worden, als was gerade zur Lieferung der Schiffahrt, d. h. für den Inlandshandel, gebraucht wurde.