Abschnitt 6

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung


Soweit die alten Nachrichten. Von der Mündung der Schale in die Sude ging die Fahrt auf diesem Flusse weiter. Die Sude teilt sich bald in mehrere Arme, die sich dann wieder vereinigen. Der breiteste und schiffbarste ist der vielumstrittene Bandekower See mit dem Orte gleichen Namens. Nach der alten Karte führt er auch noch den Namen Schwarzes Wasser, die neueren Karten jedoch - und darin stimmen die alten Urkunden mit ihnen überein - bezeichnen das Mündungsgebiet der Sude zwischen Bandekower See und Elbe als Schwarzes Wasser. Der Mündung gegenüber liegt Brackede und nördlich davon, an der Elbe Boizenburg.


Das ist in Kürze der Lauf des Flusses, für den sich die Lüneburger zur Anrichtung einer Schiffahrt 1553 privilegieren ließen. Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre machten sie endlich von dieser Erlaubnis Gebrauch. Nachdem die Schale gereinigt und aufgeräumt worden war, begannen nun die eigentlichen Kanalarbeiten. Sie konnten sich auf eine Begradigung des Flusses hie und da beschränken. Um die Schiffahrt auf der ganzen Flußstrecke möglich zu machen und sonst auch zu erleichtern, wurden 15 Schleusen angelegt, und zwar Kisten-, Stau- und Freischleusen. Die Kistenschleusen, wie wir sie hier, bei der Stecknitzfahrt oder auch dem Dömitzer Kanal kennen lernen, sind mit die ältesten, bekannten Kammerschleusen in Deutschland. Sie haben Kesselform, und ihre Wände bestehen aus Busch- und Pfahlwerk, das über dem Wasserspiegel mit Steinen beschwert ist. An den beiden am weitesten voneinander entfernten Stellen des Kessels befinden sich die hölzernen Schleusentore. Diese Kistenschleusen bieten Raum zur Aufnahme von zehn Schiffen. Mit einer Flut konnten auf der Schale fünf Schiffe heraustreiben, und acht Fluten konnten an einem Tage gesammelt werden. Um jedoch den Mühlen das Wasser nicht zu entziehen, sollte nur alle zwei Tage geschleust werden. Während die Kistenschleusen Schiffahrtsschleusen waren, steigern die Stauschleusen den Wasserstand bis zu einer gewissen Höhe, damit das Wasser die erforderliche Kraft zum Treiben von Mühlen habe. Weit einfacher sind die Freischleusen. Sie sind derartig konstruiert, daß bei einem bestimmten Tiefen- oder Höhenstande des Wassers die Tore sich von selbst schließen oder öffnen. Im Laufe der Schale sind nur vier Staustufen, nämlich bei der Schalmühle, bei Kölzin, hinter Kogel und bei Blücher. Beginnt man nun die Fahrt auf dem ungefähr zwei Meilen langen Schalsee, so kommt man im Süden an den Schalfluß und fährt unter der Zarrentiner Brücke durch bis an die Schalmühle. Hier befinden sich die oberste Kistenschleuse und die Stauschleuse ob dem Hofe, welche die Schalmühle treibt. Bei Öffnung der Kistenschleuse werden die Schiffe von der hinausdrängenden Flutwelle vorwärts getrieben nach der zweiten Stauschleuse zu, nach Kölzin. sie hat eine ganz besondere Bedeutung, weil hier sämtliche Schiffe anlegen mußten, und erst, nachdem sie abgefertigt waren, durften sie die Fahrt fortsetzen. Dazu kam, daß bei dem etwas saumseligen Betrieb der Zöllner sich die Schiffe häufig in größerer Menge ansammelten. Es mußte darum für die nötige Stauung gesorgt werden. Sie wurde auf dem Hofe zu Kölzin durch eine Kisten- und eine Freischleuse bewirkt. Auf der nun folgenden Strecke ist der Flußlauf ganz besonders vielfach gewunden, so daß er durch mehrere Schleusen geregelt werden muß. Wir haben hinter dem Hofe Kölzin die sogenannte Kortlandes Schleuse, die nächstfolgende ist die Berckenschleuse, bei Kogel gelegen; und die dritte dazugehörige Schleuse ist die auf dem langen Rade, auch Kruschenschleuse geheißen. Die Namen der Schleusen sind entweder nach dem Ort, dem Schleusenmeister, dem Mühlenbesitzer oder dem Zöllner gewählt. Es beginnt die dritte Staustufe mit der Gabrielsschleuse, es folgen die Hoge und die Danielsschleuse. Die Fahrt geht nun auf dem natürlichen Flußlaufe weiter, an Wittkow, Bennin, Bengerstorf und Zahrensdorf vorbei nach Hühnerbusch, wo die Boizenburger eine Schleuse unterhalten, bis nach Blücher. Hier ist wieder eine größere Anlage, ähnlich wie bei der Schalmühle und zu Kölzin. Auf dem Blücherzollhofe befindet sich eine große Kisten- und eine Freischleuse und weiter herab die Stauschleuse für die Mühle. Hiernächst ist noch eine Schleuse bei dem Dorfe Gülze, die Gülzerschleuse genannt. Unterhalb Blücher, wenn man niederfährt zur linken Hand, „kommt die Sude in die Schale,“ wie es in der alten Handschrift heißt.

Da der Bandekower See und das Schwarze Wasser in den Privilegien der Boizenburger und der Lüneburger eine so große Rolle spielen, und da sie so oft die Veranlassung zum Streit waren, so seien die dort in Betracht kommenden Schleusen hier noch kurz erwähnt. Auf der Sude bei Bandekow sind die beiden Bandekower Schleusen. Von da kommt man auf den Bandekower See und von dannen auf das Schwarze Wasser. Zum Schlusse sei noch Wappau genannt, von wo das Holz nach Lüneburg abgeholt wird.

Die Schleusen waren damals noch primitiv. Durch das Loslassen der Stauwelle wurden die Ufer bei dem Mangel an Buhnen und Bollwerken häufig überschwemmt und den armen Leuten Schaden zugefügt an Wiesen und Weiden. Das ist der Grund, weshalb die Bauern und Anlieger meist gegen den Schleusenbau waren. Zur Zeit der Ernte mußte daher jedesmal besonders darum gebeten werden, daß die Schleusen stark gestaut würden, damit die Landleute mit ihren Wagen durch die Furt fahren könnten, falls sich an dem betreffenden Orte keine Brücken befanden. Als die Lüneburger 1567 eine dritte Schleuse auf der Sude bei Bandekow erbauen wollten, mußten sie erst lange Verhandlungen pflegen, bis sie endlich die Erlaubnis erhielten. Denn Johann Albrecht wollte nicht, daß seinen Landleuten daraus Schwierigkeiten bei ihren Feldarbeiten erwüchsen, und ihre Bitte wurde ihnen auch nur unter der Bedingung gewährt, daß sie zwischen den Schleusen „den Strom aufräumen und reinigen“ ließen, damit er in seinem natürlichen Bette Platz habe, und damit das Land vor Überschwemmungen bewahrt bleibe.

Der Bandekower See litt besonders stark an Untiefen. Über die Ursache der Flußversandung war man sich damals noch nicht recht klar. So werden in einem Bericht von 1581 zwei sich widerstreitende Ansichten über die Versandung im Bandekower See mitgeteilt. Die einen geben den Schleusen schuld, daß sie den Sand aufhäuften, die andern finden, daß gerade die Schleusen den Sand vom Bandekower See fort nach der Elbe zu treiben.

Einen großen Reiz der mecklenburgischen Flüsse bilden die zahlreichen Mühlen, die als Öl-, als Walk-, als Getreidemühlen die Ufer schmücken. Auch an der Schale finden wir einige. Die bekanntesten sind die Blüchermühle, die Walkmühle bei Kölzin, die Schildmühle am Mühlengraben östlich der Schale und die Schalmühle selbst am Ausfluß aus dem See. Obgleich in den Verträgen ausdrücklich betont war, daß nur das Recht zu Wasserbauten und zum Schiffen abgetreten werde, nicht aber mecklenburgischer Grund und Boden, so suchten die Lüneburger selbstverständlich sehr bald Anlegestellen zu erwerben. Denn das Schiffen ging damals langsam vor sich, besonders, da nur alle zwei Tage geschleust werden sollte und es in der Praxis unregelmäßig, ganz nach dem Belieben der Zöllner und Schleusenmeister geschah, und außerdem wollte man auch unterwegs Handel treiben.

Die erste Veranlassung zum Ankauf gab ihnen der Zoll, den sie zu Kölzin erheben mußten. Deswegen brauchten sie ein Zollhaus, wozu die Walkmühle vortrefflich paßte, besonders auch, weil dort bereits eine Schleuse war. Die Herzöge, die in fortwährender Verlegenheit um bares Geld waren, ergriffen gern jede Gelegenheit, um sich solches zu verschaffen. Infolgedessen wurde 1561 abgemacht: „Die Walckmühle belangend, haben die von Lüneburg sich mit uns verglichen und uns dafür 200 Gld. in Münze vergnuget, dagegen wir ihnen berührte Walckmühle mit ihrem Gebäu und Aalkisten zugestellet, auch den Müller ohne ihr Zutun befriediget, also daß sie die Mühlen zu einer Schleusen und das Haus zu einer Wohnung und Zollhaus ohne jedermanns Verhinderung geruhiglichen gebrauchen sollen und mögen.“