Abschnitt 5

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung


12. Die Fahrt auf der Elbe ist den Lübecker Leuten unbekannt. Die Lauenburger und Magdeburger werden sie als Neu-ankommende auf der Elbe disputieren und bei ihren Fürsten und Herren ausbringen. Ohnedies ist um die Elbe von Magdeburg herum wenig anderes zu holen als Mühlensteine, die zu laden den kleinen Lübecker Schiffen nur unbequem ist. Mit Roggen und Gerste ist es von Magdeburg an versucht worden, aber mit wenig Nutzen. Es lohnt sich nicht, da das Getreide auch noch oft umgeladen werden muß wegen zu geringen Wassers. - Ein Beweis, wie durch die vielen Privilegien, Zoll- und Umladegerechtigkeiten der Handel erschwert wurde, so daß gerade das Getreide, heute neben Zucker der Hauptausfuhrartikel Magdeburgs, zum Versand zu teuer wurde.


13. Bei guten Zeiten hat man das Getreide aus dem Strich von Magdeburg nicht nötig, weil man es von der Ostsee wohlfeiler haben könnte. Die Hamburger holen es sich durch den Sund, und Lübeck erhandelt es sich dann lieber von den Hamburgern. - Man versprach sich eben mehr von einem Handel die Elbe abwärts als hinauf.

Punkt 16 macht auf folgendes aufmerksam: Wenn die Holländer eine neue Fahrt anrichten, dann sind sie darauf bedacht, daß dieserzeit von 4 oder 5 Jahren die Kosten wiederum einkommen. Aber hier können die Waren nicht mit einer neuen Lizent belegt werden, und wenn gleich 1/2 % sollte darauf gelegt werden, würden 2 Mill. Rthlr. Waren dazu gehören, wenn die Interessen nur abgetragen werden sollten. Zu diesem Werk, an dem 3 Jahre gearbeitet werden soll, gehört ein großes Kapital, welches, da es nicht vorhanden und auch nicht zu erborgen ist, von den Bürgern erpreßt werden müßte. Zudem könnte man die Stecknitzfahrt während dieser drei Jahre nicht gebrauchen, was für manchen Bürger einen schmerzlichen Ausfall an Verdienst bedeuten würde.

17. Die Stecknitzschiffe fahren ledig hinauf. Denn sie sind besonders für den Salztransport eingerichtet, und Lübecker Waren müßten auf die Elbe gebracht werden, wozu die Stecknitzprähme zu leicht sind. - Wiederum konnten größere Schiffe von mehreren Fuß Tiefe auf der Stecknitz kaum passieren, da der Graben sehr flach war.

Aus diesen Zweifeln spricht kleinliche Geldsorge, Mangel an Wagemut und an Initiative. Da der Lübecker Rat mit seinem Schiffahrtsplan in seiner nächsten Umgebung so wenig Gegenliebe fand, so wandte er sich später an Magdeburg. Denn dorthin sollte die Ratzeburger Schalfahrt führen, war doch seit 1574 die Elbe für die Schiffahrt freigegeben. Magdeburg ging 1604 auf die Vorschläge der Lübecker ein und übernahm sogar 1605 die Vermittlung bei dem Herzoge von Sachsen. Herzog Franz knüpfte seine Zusage an die der Mecklenburger und diese wieder an die Erfüllung ihrer Zollforderungen. Die Lübecker legten 1609 noch einen zweiten Schiffahrtsplan vor. Auch dieser Graben mußte in der Hauptsache durch Moore gehen, die aber viel tiefer waren als die zwischen Schal- und Mechower See. Denn man hätte - nach den Angaben - zwischen 8 und 13 Ellen = 4,80 m und 7,80 m tief graben müssen. Das „Graue“ und das „Rumpell“-Moor werden als besonders tief erwähnt. Die Verbindung sollte vom Schalsee aus durch den Pfuhl-, Piper- und Salemersee nach dem äußersten Südende des Ratzeburger Sees erfolgen. Wenn sich die Beteiligten auch noch nicht für einen der beiden Pläne entschieden hatten, so waren sie sich doch darin einig, daß diese Schiffahrt überhaupt zustande kommen sollte. Die Vorarbeiten hätten also beginnen können, als Magdeburg plötzlich zurücktrat, weil Lübeck einige Zuschüsse an Geld forderte, die Magdeburg nicht zahlen wollte, und damit fiel das ganze Projekt ins Wasser. Wäre dieser Kanal gebaut worden, so hätte man in der Praxis beinahe das erreicht, was man 200 Jahre früher gerade verhindern wollte. Statt einer Verteilung des Lüneburger Ostseehandels auf Lübeck und Wismar wäre eine starke Konzentration aus Lübeck eingetreten durch die nunmehr verdoppelte und außerordentlich erleichterte Verbindung, wenn auch die Lüneburger den Lübeckern gegebenenfalls die Schale und damit die Elbe sperren konnten. Es kam weder zu diesem Graben noch zu der Fortsetzung der Schalfahrt nach Wismar. Für den Bau eines Schiffahrtsweges nach Wismar vom Schalsee aus waren die Herzöge nicht zu gewinnen, sie interessierten sich mehr für ihren eigenen Kanal nach Dömitz, und beide, sie sowohl als der Rat von Wismar, scheuten die doppelten Kosten. Der Rat von Lüneburg aber wollte die Durchgrabung nicht auf eigene Rechnung unternehmen, weil es sich hier auf dieser Strecke um den Bau eines Kanals handelte, was natürlich viel teurer war als die einfache Säuberung der Schale und die Anlage von Schleusen. Es fehlte eben in der damaligen Zeit an Großzügigkeit in der Finanzpolitik. Es wurde von der geplanten großen Anlage nur die Schalfahrt fertiggestellt, und die Herzöge privilegierten sie immer von neuem, so Adolph Friedrich 1612 und Hans Albrecht 1614. sie hat bestanden bis Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts.

über die Schalfahrt orientieren wir uns am besten durch die: „Vnderrichtunghe van der schale“ im liber memorialis von 1409-1614: „De Schale lopt tho Blücher / eyne myle weghes bauenn Boytzenborch / Jn eyn water / heyt de Zuder / dar lycht eyne Mole erstlych vpp der Schale.

Eyne myle weghes bauen Blucher / lycht eyn dorp ghenomet Zernstorp / dat hordt eynem ghenant Jürgen mies dar lopt de Schale achter dem dorpe henvp na Bennyn / dat dorp hort deme Bysschoppe van Ratzeborch.

Eyne myle vertan lycht eyn dorp / dat hett Pamperyn / hort tho deme Closter Zerntyn / lopt de Schale ock hender her.

Eyne halue mile noch furder / lycht eyn dorp ghenant Koltzyn / demesuluen Closter tohorych / lycht ock eyne Mole / deme ghemelten Closter ghehorende.

Eyne halue myle lycht noch eyne Mole / ghenant de schale mole / lycht vor deme Schaleße / hort ock tho Zerntyn / to handes gheydt de Schallße an.“

Der liber gibt nun einen Hinweis, wie man etwa mit Schwerin in Verbindung treten könnte, womit ja dann die Wasserstraße nach Wismar erreicht wäre. „Den schalße entlanck eyne halue myle weghes / gheydt eyn meer Jn eynen ordt her oth na deme Bussower see / by eynem ferndeyll weghes Jn den Bussower see / gehort deme Capittell tho Ratzeborch / vth dem Bussouwer zee gheydt eyn fleyt na deme nygenkercker zee / dar lycht eyne mole vpp / dat is woll vyff ferndeyl weghes van Zerntyn / fur der is dar neyn fleydt noch see vpp dre myle na Sweryn / de dar wyll offte kan batlych szynn / wente dar is berch vpp vnnd nedder .....“