Abschnitt 4

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung


Die Terrainschwierigreiten lagen darin, daß der Boden fast durchweg morastig war. Darum hielt die Kommission es auch für nötig, dem Graben durch die Moore eine Tiefe von 4 Ellen = 2,40 m zu geben. Durch das Grammer Moor mußte sogar 8 Ellen tief = 4,80 m gegangen werden. Zwischen dem Mechower und dem Ratzeburger See ändert sich der Boden, er wird hart und hügelig. Es muß durch eine Bodenwelle ein Durchstich von 17 Ellen = 10,20 m Tiefe gemacht werden, und weiterhin geht es durch Steingrund mit 3 Ellen = 1,80 m Tiefe, bei dem der Arbeitslohn auf das Doppelte erhöht wurde. Der Graben sollte demnach mit seiner durchschnittlichen Tiefe von 3 Ellen = 1,80m für damalige Verhältnisse ein recht tiefer werden, hatte doch der gleichzeitige Dömitzer Kanal eine Tiefe, schwankend zwischen 1,20 m und 1,70 m und der Delvenaugraben eine solche von nur 0,85 m. Die durchschnittliche Breite betrug 1 1/2 Rth. = 7,20 m, ungefähr dieselbe wie beim Delvenaugraben, während der Dömitzer Kanal ein beträchtliches breiter war, etwa 9,20 m bis 13,80 m. Die Länge der durchgrabenen Landstrecke sollte 2217 Rth. = 10641,60 m betragen. Der Weg des Dömitzer Kanals wurde auf 62 Morgen = 17 856 m 20) berechnet. Eine weitere Schwierigkeit bot die verschiedene Höhenlage der Seen. Die kleineren, wie der goldene, der Mostiner, der Luttken See und Papendik lagen 1-3 m höher als der Schalsee, der Lankower und Mechower See dagegen 3 und 4 m tiefer, und bei dem Ratzeburger See machte der Tiefenunterschied sogar 60 Ellen, also ungefähr 36 m aus. Folglich mußte der Lauf des Kanals reguliert werden, was zu Besorgnissen Veranlassung gab. „Und obwohl der Schallsee 60 Ellen höher als der Ratzeburger See, und man sich befürchten möchte, daß in Kriegsläuften oder sonsten die Kiste zerbrechen und das Wasser also häufig nachstürzen möchte, ist doch verhoffentlich keine Gefahr deßfalls zu vermuten, und wenn gleich in solchen Zeiten die Kisten zerbrechen und dem Wasser zu laufen Raum gegeben werde, könnte doch auf solchen Fall das Wasser aus dem Schallsee nicht über 2 Ellen nachfallen, auch wegen Widrichkeit des Weges so eilig nicht nachfolgen, welcher alles allhier durch unsere Frei-Schutte wohl ohne Schaden wieder abtragen könne.“


Zu diesem Ratzeburger Kanal wurden sehr sorgfältige Abrisse gezeichnet, die schon mehr kleinen Bildern glichen, und die sich noch bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Sie sind lang und schmal, auf starkes Papier gezeichnet und bunt ausgemalt. Das längste Exemplar - wohl mehrere Meter lang - ist das zu Lübeck, aber das Iustigste befindet sich in Schwerin, lustig, weil es mit naiven Erklärungen versehen ist. Man sehe sich nur den kleinen Platz am Schalsee an mit den Baumstümpfen und Holzstapeln mit der Unterschrift: „Hir hawen die lunenborger“. Solche Karten wurden an die in Betracht kommenden Regierungen verschickt. Denn es hieß nun, Interesse für den Plan zu erregen. Heinrich Husanus erfuhr 1587 unter der Hand, daß der Herzog von Lauenburg wohl geneigt sei zur bewußten Durchgrabung, aber Lüder Lützow habe einen Streit mit ihm, und darum läge die Sache wieder darnieder. Auch sei der Herzog von Mecklenburg besonders zu gewinnen.

Selbstverständlich sind die Lüneburger dagegen, daß die Lübecker ihnen hier ins Gehege kamen. Es werden daher Circumcisionis Domini (1. Jan.) 1588 Gesandte für Herzog Ulrich und seinen Neffen Johann instruiert. Die Herzöge sollen veranlaßt werden, Franz von Lauenburg dahin zu bestimmen, daß er die Erlaubnis verweigert und den Lübeckern befiehlt, ihre „vorhabende Durchgrabung wiederumb abzuschaffen und in vorigen Stand zu bringen, so sich befinden würde, daß sie mit Unfüge und zu ihrer fürstlichen Gnaden oder dero Untertanen und die in ihrer fürstlichen Gnaden diesfalls Verspruch und Schutz stehenden Schaden und Nachteil gegeben haben würden.“ Doch auch in Lübeck gab es Leute, die gegen den neuen Kanal waren. Es wurde sogar - für uns von unbekannter Hand - ein Schriftstück verfaßt, das alle Dubia wegen der neuen Fahrt in die Elbe enthielt. Solcher Bedenken sind folgende:

1. Das Werk wird zuvörderst ein großes kosten, wie man vormeint, über 150 000 Rthlr. - Diese Summe ist im Vergleich zu der obigen Berechnung doch wohl sehr hoch gegriffen, selbst dann, wenn recht schwierige Arbeiten an der Wakenitz zwischen Ratzeburger See und Trave nötig gewesen wären, wovon aber in dem amtlichen Gutachten nicht die Rede ist. Zu bemerken ist, daß die Gesamtkosten des Dömitzer Kanals auf höchstens 90 000 . . . berechnet wurden.

2. Die jährlichen Zinsen betragen zu 5 % = 7500 Rthlr. Die jährlichen Unterhaltungskosten werden auf 2500 Rthlr. veranschlagt. - Auch dieser Ausgabeposten ist sehr reichlich bemessen. Man bedenke nur, daß man es in damaliger Zeit mit den Reparaturen nicht so ängstlich hatte, daß die Besoldungen nicht sehr hoch waren, und daß die Unterhaltungskosten der Schalfahrt, bei der es sich allerdings nur um einen regulierten Flußlauf handelte, auf rund 1000 . . . jährlich angegeben wurden.

3. Wie solches Geld aufzubringen, ist noch ungewiß.

4. Die Vorväter haben die Stecknitz benutzt. Im ganzen ist sie ihnen nützlich gewesen, warum nun, wo der Handel darnieder liegt, eine Änderung machend - Die neue Fahrt sollte die Stecknitzfahrt durchaus nicht etwa ablösen, davon ist in den Berichten keine Rede; beide Fahrten sollten nebeneinander bestehen, die alte zum Zwecke des Salztransportes, die neue aus den oben angegebenen Gründen.

5. Es fragt sich, ob es praktikabel, 7 teure Schleusen einzureißen und dafür das hohe Land 20 oder 30 Fuß tief durchzugraben. - Es handelt sich bei diesem Einwand nicht um die Fortführung der Fahrt aus dem Ratzeburger See durch die Wakenitz nach Lübeck, sondern um einen neu anzulegenden Graben aus dem Ratzeburger See nach der Stecknitz, so daß die Schalfahrt schließlich in der Stecknitzfahrt geendet hätte.

6. Der Bau dauert drei Jahre, das wird ein großer Schaden sein für die Zufuhr des Salzes. - Mit dieser Entgegnung hat der Schreiber die Fahrt nach dem unter Punkt 5 erwähnten Plan im Auge.

7. Ob die Ratzeburger Fahrt mehr gebraucht werden wird, ist fraglich, weil der Handel nach der Ostsee jetzt schlecht ist. - Dagegen ist zu sagen, daß die Lübecker dort in erster Linie nicht Handel treiben wollten, sondern sie wollten sich mit Holz versehen und ihr Getreide in den Mühlen am See mahlen lassen.

8. Den Fremden ist keine Durchfahrt gestattet, und Lübeck selbst handelt nicht mit ausländischen Waren. Also würde die Fahrt auf den eigenen Handel beschränkt bleiben.

9. Die Stecknitz wird kaum noch benutzt. - Punkt 6 und 9 widersprechen einander.

10. Der ausländische Handel geht von Nowgorod nach Hamburg, Holland und England durch den Sund und nicht über Lübeck an die Nordsee und ins Innere des Landes.

11. Die Elbe hinauf ist wenig Handel zu treiben, weil die Elbzölle hin und wieder sehr hoch sind.




20) Fr. Stuhr, „Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar“, Schwerin, Bärensprung, 1899, S. 19. Meckl. Jahrb. 64, 209