Abschnitt 2

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung


Während die Urkunden der Herzöge Johann und Albrecht nur von Kanälen überhaupt sprachen, und die Schale und der Schalsee nur stillschweigend in Betracht gezogen waren, werden beide Gewässer in dem Vergleich von 1430 ausdrücklich genannt. Herzogin Katharine erlaubt darin den Lüneburgern, die Schale aufzuräumen und schiffbar zu machen, auch von dort eine Straße nach Wismar zu suchen. Auf die Beschwerde der Lüneburger, daß die Boizenburger ihnen die Schiffahrt und Flößerei auf dem schwarzen Wasser streitig machten, bestimmt sie, daß beide Teile das schwarze Wasser befahren mögen, nur der Oberlauf der Sude sei allein den Boizenburgern gestattet. Im weiteren Verlauf der Urkunde betont sie das Umladerecht der Boizenburger. Sollten die Lüneburger so große Elbschiffe haben, daß sie auf der Sude und Schale nicht fortkommen können, so müssen die Waren auf der Schütte zu Boizenburg in Boizenburger Schiffe umgeladen werden. Die kleinen Elbschiffe hingegen dürfen durchfahren. Das ganze Verhalten der Mecklenburger Regenten den Boizenburgern gegenüber zeigt, daß sie sehr wohl die Rechte und Vorteile ihrer Untertanen zu wahren wußten, obgleich sie andererseits die Lüneburger mit den weitgehendsten Privilegien ausstatteten.


Zur Zeit der Streitigkeiten zwischen Rat und Zünften in Lüneburg, während 80 Jahren, schweigen die Verhandlungen so Privilegs betrachtet werden. Die Flüsse waren überhaupt fürstliche Regalien, und sicherlich haben die Herzöge sich ihre Privilegien von den Lüneburgern bezahlen lassen. Von Herzog Ulrich wissen Wir es nicht, aber von Herzog Johann Albrecht heißt es in einem Schreiben des Rates zu Lüneburg, daß er etliche 100 Taler dafür bekommen. Außerdem reservierte sich Johann Albrecht das Recht der Fischerei. Denn die Schale war außerordentlich ertragreich. Und ebenso schützte er seine Jagd. Denn alle, so auf Schiffen fahren und bei den Schleusen wohnen, sollen sich des Hauens, Schießens und Weidwerks ganz und gar enthalten und keine Hunde halten, weil die Fahrt durch die Wildbahn geht.

Was den Holzhandel betrifft, so steht er mit Eichen- und Buchenmastholz allein den Mecklenburgern zu, die Lüneburger dürfen nur Brennholz kaufen und Schiffen. Aber auch dieser beschränkte Handel flößte den Boizenburgern Besorgnis ein, wie aus der Schiffahrtshandlung von 1563 zu ersehen ist. Dadurch, daß die Lüneburger das Holz teurer bezahlen, kaufen sie die Boizenburger aus und bringen so den Hamburger Holzhandel an sich. Darum regelt Johann Albrecht die Einkaufsgerechtigkeit noch einmal. Es wird bestimmt: Beide Teile dürfen vom Adel Holz kaufen, aber jeder an seinem Orte. Ist dem einen Teile Schaden zugefügt worden, so hat man ihm Ersatz zu schaffen und den Übeltäter zu bestrafen. Der Strom ist zu schließen und die Schiffahrt zu verbieten, bis der Schaden wieder erstattet ist. Das Verhörs- und Strafrecht wird den Vögten des Herzogs übertragen und damit die Lüneburger Schalfahrt unter Mecklenburger Gerichtsbarkeit gestellt.

Im großen und ganzen war nun alles geordnet, so daß am 18. August 1564 die Lüneburger den Herzögen Johann Albrecht und Ulrich ihren Dank abstatten und melden konnten, sie hätten die Schleusen und Schalfahrt dermaßen ins Werk gestellt, daß es binnen acht oder vierzehn Tagen geliefert werden könne. Es erübrigte nur noch, verschiedene Einzelheiten festzusetzen, wie die Höhe des Schleusenzolls, der auf dem von einem ehrbaren Rate zu Kölzin erkauften Hofe erhoben werden soll und von dem die Hälfte an die Herzöge, die andere Hälfte an den Rat zu Lüneburg abgeht. Auch wünschen sie noch einmal eine Erörterung über den Punkt, ob der fremde Kaufmann die Schalfahrt auf und tal gebrauchen dürfe oder nicht.

Somit war die Schalfahrt um den 1. September 1564 vollendet, und es handelte sich nun darum, vom Schalsee aus die Fahrt nach Wismar herzustellen. Dazu brauchten die Lüneburger wieder die Hilfe der Herzöge. Aber ihr Gesandter klagt am 7. April 1565, er hätte Briefe überkommen, daß beide Fürsten von der Wismer in die Elbe eine neue Schiffahrt anrichten lassen, und er merkt, daß es ihnen um diese neue Schiffahrt mehr zu tun ist, als um die alte. Das Interesse wandte sich dem Kanal Wismar-Dömitz zu.

Während die Lüneburger doch noch auf die Vollendung ihres Werkes hofften, wurden sie wegen der Benutzung der Schalfahrt von mißgünstigen Nachbarn angefeindet. Am 23. Februar 1568 wünscht Herzog Franz von Lauenburg, daß die Lüneburger sich des Schiffens, Handels und Wandels auf dem Schalsee enthalten, weil sie seiner Hoheit auf dem See nicht Rechnung getragen und sich des Holzzolls wegen nicht mit ihm verglichen, und weil sie der Fischerei geschadet hätten. Johann Albrecht tritt Februar und März 1568 für sie ein und bestätigt noch einmal die früheren Verträge, aber mit dem Vorbehalt, daß die Privilegien der Stadt Lüneburg nicht nachteilig seien. Denn die Herzöge beschützten zwar die Lüneburger Kaufleute in Kriegs- und Friedenszeiten in Mecklenburg, wollten aber ihretwegen nicht in Fehde mit den Nachbarfürsten geraten. Die Verhandlungen gehen nach Art der damaligen Zeit hin und her. Herzog Franz nimmt Lüneburger Schiffe und Waren in Arrest. Der Rat behauptet, seine Vorfahren hätten die Privilegien gegeben, und er wäre nur nicht damit zufrieden, „seitdem sie ihn einer Schuld halben vor ausgeliehenes Geld hätten ansprechen lassen“. Sie bitten nun wiederholt um Abschaffung des Arrests, weil es ein zu Recht verbotenes Vornehmen sei. Schließlich, 1570, wird der Streit beigelegt und die Schiffahrt auf dem See freigegeben.

In demselben Jahre verlangt Herzog Christoph von Mecklenburg als Administrator des Stiftes Ratzeburg Abtrag von der Stadt Lüneburg wegen ihrer Schiffahrt auf der Schale, besonders beim Dorfe Bennin. Denn das Stift hätte nicht nur die Hoheit am Grund und Boden, sondern auch über den halben Strom des daran anstoßenden Wassers. Er läßt deshalb einen Baum über den Fluß schlagen und schickt zum Beweis für die Stiftsgerechtsame das documentum von 1245 an den Rat der Stadt. Herzog Ulrichs Vermittlung gelingt es, den Frieden herzustellen, und im April 1571 wird gegen Überreichung des Bewilligungsguldens der Bewilligungsbrief gegeben.

16 Jahre später trat man von Lübeck aus mit einem neuen Schiffahrtsplan an die Herzöge heran. Die Lübecker Reederei, das Bäcker- und Brauergewerbe blühte, aber den Schiffbauern fehlte es an Holz für ihre Schiffe, und die Brauer und Bäcker brauchten einen bequemen, billigen Zugang zu den Mühlen am Schalsee. Schon 1530 17) hatte man daran gedacht, wie man vom Ratzeburger See in die Elbe kommen könnte. Diesen Plan griff man auf und arbeitete ihn aus. Es existieren davon teils Karten, teils Beschreibungen. Anno 1587 den 21. Oktober 18) wurde auf Befehl eines ehrbaren Rates der Stadt Lübeck eine Kommission nach dem Schalsee verordnet, mit „was Fuge und Bequemlichkeit eine Schiffahrt aus dem Schalsee in den Ratzeburger See zu verfertigen wäre“. „Die Ratmannen und Handwerksmeister haben nach fleißiger Besichtigung und Abmessung befunden, daß die Fahrt aus dem Schalsee auf das bequemste zu verfertigen und anzurichten wäre und ungefähr kostet, wie folgt: Wörtlich, bis auf Änderung der niederdeutschen Worte in hochdeutsche und auf die Hinweglassung immer wiederkehrender Wendungen“




17) Lauenburgica XII, Lb.
18) Lauenburgica XII, Lb.