Abschnitt 18

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung


Schwieriger war es, den gegenseitigen Schikanen der Schiffer und Zöllner zu begegnen. Hielten die Lüneburger die Verträge nicht und holten sich viel Eichen- und Buchenholz aus Mecklenburg, so rächten sich die Zöllner dafür, indem sie alles vorübergeführte Holz, auch das gehauene Faden-Staffholz, gleich als sei es Mastholz, aufhielten. Die einen suchten, soviel es immer möglich war, dem Zoll zu entziehen, die ändern strebten danach, alles mit Zoll zu belegen. Tatsächlich führten die Lüneburger viel verbotenes Holz die Schale herab. Die Folge davon war, daß die Zöllner dieses Holz willkürlich verzollten, woraus sich Unregelmäßigkeiten ergaben, über die sich die Lüneburger schließlich doch beschwerten, wie über die falschen Zolleinschätzungen des Jürgen Hornemann. Überhaupt bekamen die Zöllner durch die Unterschleife der Lüneburger das Gefühl, diese in der Hand zu haben und verlangten daraufhin allerlei Abgaben, die sie nur für ihre eigene Tasche erwarben. So nahm 1594 der Zöllner bei der Blüchermühle den Vorüberschiffenden und -flößenden ganz unrechtmäßigerweise einen Rosenobel ab. Schließlich, bei genauer Betrachtung, waren beide Teile einander wohl wert.


Durch die Schalfahrt hatten die Lüneburger auch einige Marktgerechtsame an sich gebracht, die ihnen baldigst von den Mecklenburgern wieder genommen werden sollten. Rat, Bürgermeister und die ganze Gemeinde Boizenburg wandten sich an Herzog Ulrich mit der Bitte um Abhilfe. Die Lüneburger hätten aus den herzoglichen Ämtern Waren zum Verkauf erworben, „welche Ware denn also, als Roggen, Gerste, Hafer und anderes Korn mitsamt dem jungen Vieh, Lämmer, Gänse, Hühner, Eier, welche jeher uns allhier auf das Markt ist zu Kaufe gebracht worden, uns zum merklichen Schaden und Fürfang uns von ihnen könnte entkaufet und aus den Händen gebracht werden. Auch das Schiderholz, welches allhier auf das Markt zu Kaufe gebracht wird, dabei man backet, braut, uns könnte von ihnen verrücket werden, auch das Korn, so aus Euer fürstlichen Gnaden Städten als zu Bützow, Güstrow, Brandenburg und anderen mehr uns bis anhero zu Kaufe ist zugeführt worden, so es von denen von Lüneburg entkaufet würde, würde es uns nicht allein zum großen Nachteil gereichen, besunderen Euer fürstliche Gnaden müßte auch die Mauten und Tzise, welche wir untertäniglich Euer fürstliche Gnaden zu geben verpflichtet sein, auch derselbigen entraten und missen .... wir doch an keinen andern Orteren Korn wissen zu bekommen, denn allein aus diesen Orten, darinnen uns die von Lüneburg zum Fürfang mitsamt ihren Fürkäufern gegen und wider Euer fürstliche Gnaden Polizei-Landes-Ordnung zu sein gedenken, wie auch zum Teil von ihnen ins Werk gestellet ist, und wenn wir armen Leute den geringen Acker, so wir noch haben, nicht enhetten, müssen wir Kornes halber große Not leiden, wie vorudt genoch geschehen, denn schier nicht ein Schiff Roggen dieses Jahr aus demselbigen Orte allhier zu Markte gekommen ist.“

Eine sehr wichtige präge war auch die, von wem man berechtigt sei, Holz zu kaufen, ob von den Bauern und Bürgern oder vom Adel, welch letzterer natürlich als der Herr der großen Waldungen das beste Holz hatte. Darum wurde es als Vorzug angesehen, von ihm kaufen zu dürfen. Die Boizenburger geben nach und bewilligen, daß die von Lüneburg zwischen Blücher, Bennin, Camin kein Fuder Holz, das von Bauern verkauft wird, kaufen lassen. Dafür soll beiden Teilen zwischen den genannten Orten und fürder hinauf von denen vom Adel zu kaufen freistehen. Wiederum sollen die vom Adel das den Lüneburgern oder Boizenburgern verkaufte Holz, an welche Orte es diesen in besagter Gegend geliebet, an das Wasser führen, von wo aus jeder Teil sein Holz ohne Verhinderung des ändern an seinen Ort, nach Boizenburg oder Lüneburg bringen mag. „Ohne Verhinderung des ändern“ mußte besonders hinzugefügt werden. Denn die Boizenburger suchten auf jede Weise zu verhindern, daß die Lüneburger ihr Holz elbabwärts zum Verkauf brachten. Ihre Eifersucht sollte durch das Bekenntnis der Lüneburger beschwichtigt werden: „So sollen auch die von Boitzenburg nicht gedenken, daß die von Lüneburg ihnen an ihrem Handel, so sie mit Holzkauf nach Hamburg bishero gehabt und noch gebrauchen, verhindern wollen, denn allein dasselbige Holz, welches sie durch oder aus dem Fürstentum zu Mecklenburg oder anderswo bringen lassen, nach Lüneburg schiffen oder schiffen wollen.“ Trotzdem hatten sich die Lüneburger immer wieder zu beklagen, daß ihnen der Holzkauf erschwert würde, was besonders in den achtziger Jahren unangenehme Folgen für sie hatte. „Es ist itziger Zeit die Steckenfahrt, dahero wir sonsten auch eine ziemliche Notdurft Holzes zu empfangen pflegen, bei dieser großen Teurung und Hungersnot dermaßen mit Korn fürbelegt, daß wir dieses Jahr nicht einen Stock Holz darauf han gen Lüneburg bringen können.“ Sie knüpfen an diesen Bericht die Befürchtung, daß bei dem Holzmangel ihre Sülze bald kalt liegen werde. Einen gelinden Druck vermochten sie auf die Boizenburger durch Schließung der Schleusen auszuüben, weswegen dann das Schiffamt seinerseits Klage führte. Die Sache wurde dahin entschieden, daß die Lüneburger die Schleuse öffnen und das Holz baldmöglichst hindurchlassen mußten, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß die Boizenburger ihnen den 3. Teil des Holzes zum Kaufe anboten und zukommen ließen. Auf diese Weise half man dem Holzmangel und der Teurung in Lüneburg ab.

Eine neue Quelle des Streites war der Holzpreis. Man schuf für die Festsetzung des Holzpreises eine Autorität durch die sogenannte Gallikonferenz, die alljährlich am Montag nach Galli (Galli = 16. Okt.) zusammentreten sollte. Sie wurde von beiden Städten durch je zwei Ratsverwandte beschickt, die sich über einen einhelligen, gleichmäßigen Preis für das Holz bei der Schale und bei Blücher, es sei lang oder kurz, verglichen. Dieser bekanntgegebene Preis war das ganze Jahr über innezuhalten und wenn der eine den andern darüber im Kaufe übersetzte, so sollte er des Holzes verlustig sein. Für die Praxis hatte diese Konferenz kaum eine Bedeutung, weder hatte sie einen Einfluß auf die Preise, noch beseitigte sie das gegenseitige Übervorteilen. Sie war nur eine Instanz mehr, an die man sich gegebenenfalls wenden konnte. Auch wurden von der Preisfrage in der Hauptsache die einzelnen Händler betroffen, während der Rat und das Schiffswerk in ihrer Gesamtheit beide ihre Vorrechte hatten und sie in Kraft zu setzen verstanden.

Anders war es bei dem Streit um Schiffahrt und Flößung. Hier standen die Behörden als solche einander gegenüber. Der Lüneburger Rat trat für die Schiffahrt ein, Boizenburg machte das Flößungsrecht geltend und wollte sich, wenn es gerade Vorteil brachte, auch der Schiffahrt bedienen. Keiner mochte sich dem andern fügen. Die Lüneburger beriefen sich darauf daß sie auf ihre Unkosten nicht nur die Schleusen erbaut, sondern sie auch stets repariert hatten, obgleich die Schleusen durch die Flößung stark litten, die doch hauptsächlich von den Boizenburger Schiffamtsgenossen betrieben würde. Außerdem wünschten die Boizenburger eine so große Menge Holzes zu flößen, daß es unmöglich wäre, es in 2 Monaten herabzubringen. Darüber lägen ihre Schiffe still, und wenn sie nach der Flößung ihre Schiffahrt beginnen wollten und das Wasser zu dem Behuf stauen müßten, so kämen sie eben in die Zeit der Mähung des Grases und Korns, was den Landleuten wieder nicht recht wäre, und so machten sie sich denen auch verhaßt. Sie seien aber auf die Schiffahrt angewiesen, weil sie das Brennholz für die Sülze brauchten. Sie appellierten im weiteren Verlaufe der Verhandlungen an das Gerechtigkeitsgefühl und den Gemeinsinn der Boizenburger, die doch sicherlich nicht die deutschen Gaue von der Weichsel bis zur Weser des Lüneburger Salzes berauben wollten, aber die Salzfuhren nach Osten und Westen würden bald aufhören, wenn die Sülze nicht in kürzerer Frist Holz zugeführt bekäme. Auch wäre die Schiffahrt laut ausgerichteter Verträge der Lüneburger gutes Recht, und es sei den Boizenburgern unbenommen, ihr Holz auch per Schiff herabzuholen, für sie nur ein Vorteil, da sie es aus der Elbe ja doch auf die Schiffe setzen müßten, um es nach Hamburg zu bringen. Die Flößung hingegen sei ein unbefugter und schon oft verbotener „actus“, zudem störe sie die Schiffahrt, um derentwillen die Schleusen doch gebaut worden wären. Sollten die Boizenburger jedoch des Handels wegen eine Verschiffung des einmal gehauenen Holzes durchaus verweigern, so seien die Lüneburger zu allem Überflusse erbötig, ihnen ihr Holz mit barem Geld sofort zu bezahlen und abzunehmen, und sie fügen zum Schluß an ihre Eingabe die Bitte: „So bitten wir darauf in aller Untertänigkeit, es wolle mehrfach gedachter unser gnädiger Fürst und Herr, Herr Ulrich Herzog zu Mecklenburg usw. um 4 oder 5 Boitzenburger Schiffamtsbrüder willen, die anders nichts als ihren Privatvorteil diesfalls suchen und unter dem Namen des Schiffamts das Spiel fast allein in ihren Händen haben und ihres Gefallens karten, uns an unserer wohlhergebrachten Schiffahrt, darauf wir soviele 1000 Taler Unkosten gewendet, nicht hindern, noch den gemeinen Nutzen durch solche Hinderung verlegen lassen, sondern die Boitzenburger Schiffamtsbrüder dahin weisen, daß sie ihr Holz zu Schiffe heraber bringen oder aber von uns bar Geld dafür nehmen.“ - Herzog Ulrich kam beiden Teilen entgegen, indem er die Flößungs- und Kauffrage in der schon mehrfach erwähnten Weise regelte.