Abschnitt 15

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung


Jedenfalls machte der Zoll sowohl in Lüneburg als auch in Mecklenburg ziemlich viel zu schaffen. Dazu kam, daß Herzog Johann Albrecht außer auf das Salz noch auf andere Waren einen Zoll zu nehmen wünschte. Nach dem 1561 aufgerichteten Vertrage waren die Lüneburger jedoch nicht verpflichtet, auf seine Absichten einzugehen. Sie erinnern ihn deshalb an ihre damals festgesetzten Freiheiten: „Dieweil die alten Privilegien vermögen, daß die Güter und Waren, die den Räten und Bürgern zu Lüneburg zuständig, auf der Schale, ausgeschlossen das Salz, zollfrei sein sollen, so hat doch ein ehrbarer Rat ihrer fürstlichen Gnaden aus sunderlichem, untertänigem Willen nachgegeben, daß ihrer fürstlichen Gnaden von allerlei Holz der bewilligte Zoll gereicht und gegeben werden soll, dagegen aber haben Eure fürstliche Gnaden den Rat und Bürgern in anderen Kaufmannswaren der Zollfreiheiten vermöge der alten Privilegien genießen zu lassen, gnädiglich versprochen und zugesagt, wie Euer fürstliche Gnaden gegebene Obligation, unter diesen hierbei erwähnten Clausuln gezeichnet, klärlich mit sich bringt.“ Sie bitten den Fürsten dringend, die anderen Waren nicht mit Zoll zu belegen, und ganz besonders wollen sie wegen der Butter mit ihm verhandeln. Sie berufen sich dabei auf die älteren Privilegien und auch auf seine 1561 aufgerichteten neuen Obligationen, nach denen die Butter Freiheit genießen sollte, und bitten, er möchte sie nun dabei belassen. Trotzdem schickt er ihnen im August 1564 eine lange Taxe und Zollsetzung auf die Güter, so auf der Schale geführt werden, zu. Ob das ausführliche, alphabetisch geordnete Warenregister dem tatsächlichen Handelsverkehr entsprach, ist zweifelhaft. Das Register ist nur auf die Schale übertragen nach Johann Albrechts eigenhändiger Überschrift: „Weil man zu Wittenburg in der Eil sich nicht genugsam entsinnen können, was für Güter künftiglich die Schalen auf- und niedergeführt werden möchten, da wir aufs förderlichst andere Rollen vor uns nehmen, daraus der Waren Namen ziehen und einen Zoll darauf setzen wollten und alsdann euch dieselben zuschicken.“ Die Taxe gibt uns jedoch einige Aufschlüsse über die Höhe der beabsichtigten Zölle. Er setzt danach für 1 Tonne Heringe = 6 . . . , 1 Tonne Aal oder Dorsch je = 8 . . . , für 1 Tonne Butter, Fett, Fleisch oder Talg = 2 ß, für 1 Tonne Öl oder schwarze Seife = 1 ß, für 1 Drömpt Gerste Roggen oder Weizen = 1 ß, für 1 Last Mehl 6 ß, für 1 Tonne Honig = 2 ß, für 100 Pfund Zwetschen = 2 ß, für 1 Wolfsbalg = 2 ß und für 1 Centner Metall = 2-3 ß. Diese Liste ist zum Schluß mit dem Vermerk versehen: „Vorbehaltlich da künftig unter unserm Landzoll zu Vietow ein hoher und großer Zoll gesetzet und geleget wurde als hierin begriffen, daß uns unsere beiden Zölle gleichesfalls zu verhöhen freistehen und unbenommen sein soll.“ Die Lüneburger vergleichen den Tarif mit dem Elbzollregister und finden in vielen Örtern eine „discrepation“, wahrscheinlich zu ihren Ungunsten. Leider ist die Elbzollrolle jetzt zum Vergleich nicht mehr zur Hand. Jedenfalls beschlossen sie, sich dem Herzog nicht so ohne weiteres zu fügen. Da treten 1565 die mecklenburgischen Städte gegen die Zollfreiheit der fremden Warengüter auf. Boizenburg, Wittenburg und Zarrentin klagen, daß Lüneburg alles an sich brächte, und wollen sich auf dem nächsten Landtage ernstlich darüber beschweren. Auch bei den Herzögen selbst laufen Berichte ein über die verschiedensten Übelstände, die sich durch den Handel mit fremden Waren und die unsichere Handhabung der Zölle ergeben hatten. So wurden die Wasserzölle vielfach vermieden, indem man die Landstraße benutzte, wie Johann Wesserke an Herzog Heinrich schreibt: „Wo das viele Wagenfahren außerhalb ihrer fürstlichen Gnaden Lande vor Blücher und Gülzow mit allerlei Korn wider ihrer fürstlichen Gnaden Dekret und Verbot auch sonst mit Hering, Honig, Salz und anderer Kaufmannsware hin und wieder, davon ihre fürstliche Gnaden keinen Zoll bekommt und wodurch ihre Flur und Heerstraße ganz wüste wird.“ Schließlich war die Verwirrung so groß, daß bei allen Teilen der Wunsch nach einer gemeinsamen Beratung über den Zoll auf die fremden Waren laut wurde. Die Gesandten mußten mehrmals hin und her gehen, bis sie schließlich das endgültige Ergebnis ihrer diesbezüglichen Zusammenkünfte aufzeichnen konnten. So bestimmt denn Punkt 4 der Verhandlungen von 1567 folgendes: „Weil auch der von Boitzenburg auf der Suden geflößet Holz durch die mittelste und letzte oder dritte Schleuse, die itzo bei Bandekow gebauet werden soll, durchgeflößet werden muß, soll ihnen solch Flößen durch dieselbe mittelste und dritte Schleuse und ferner bis auf das Schwarze Wasser ohne Schleusengeld und Zoll fürbehalten, und die von Lüneburg obgemelte dritte und letzte Schleuse mit dieser condition auf diesmal zu erbauen und künftiglich zu unterhalten aus Gnaden und günstigem Willen hiermit erlaubt sein.“ War das für die Boizenburger sehr günstig, so wurde weiterhin mit dem Herzog vereinbart, daß künftighin die Kaufmannsware den Wasserweg der Lüneburger geführt werde. „Auf dieselbe soll hochgedachtem Fürsten oder ihrer fürstlichen Gnaden Erben und Nachkommen einen billigen gleichmäßigen Zoll zu setzen, hiermit unbenommen sein und ihrer fürstlichen Gnaden und derselben Erben und Nachkommen derselbige Zoll auch allein zukommen und gegeben werden.“


Die Herzöge hatten also ihre Wünsche durchgesetzt, sich als die Herren der Zölle behauptet, nun werden sie großmütig und gewähren wieder Freiheiten, zunächst ihren eigenen Landeskindern, dann auch den Lüneburgern. Nach Punkt 12 sollen die Boizenburger, „wann sie auf der Schalen schiffen wollen, mit dem halben Schleusenzoll für und für verschont bleiben, angemerkt, daß sie solcher Schiffahrt halben sunderlich von ihrer fürstlichen Gnaden den alten gewöhnlichen Zoll von der Schale und das Geleitgeld von der Sude nach wie vor jährlich für und für geben und entrichten sollen und wollen.“ Die Lüneburger betreffend will Johann Albrecht den halben Schleusenzoll zu Kölzin auf Kaufmannswaren, so den Bürgern zu Lüneburg zuständig, hiermit gnädiglich fallen lassen, doch vorbehaltlich den Zoll, so seiner fürstlichen Gnaden daselbst von Salz und Holz von männiglich, auch den Lüneburgern, soll entrichtet werden. Den ganzen Landzoll aber zu Vietow will seine fürstliche Gnaden von allen Gütern von den Lüneburgern und den andern zuständigen haben.

Dafür, daß die Herzöge den fremden Kaufleuten in Mecklenburg Handelsvorteile gewährten, wünschten sie ihren Untertanen in den anderen Staaten auch Gerechtsame zu verschaffen. So mancher Brief ist aus diesem Grunde aus ihrer Kanzlei hervorgegangen, Für uns kommt besonders das Befreiungsgesuch Herzog Ulrichs für seine Bürger an den Rat zu Lübeck in Betracht. Er fordert, daß die Boizenburger, wenn sie von Lübeck Waren wegführen, nicht mit Zoll beschweret werden, wie geschehen, besonders da die Lübecker in Boizenburg keinen Zoll zu bezahlen brauchen.

Man sieht, an Gesetzen für den Zoll und seine Einrichtung fehlt es nicht. Darum ist es doppelt merkwürdig, daß wir aus jener Zeit so wenige Zollrollen haben. Aus den weiteren Erlassen der Herzöge wird klar, daß der außerordentlich mangelhafte Ordnungssinn der Zöllner daran schuld ist. An Aufsicht und Befehlen von beiden Teilen, von seiten der Herzöge sowohl als von seiten des Rates hat es nicht gefehlt. Schon 1564 bat der Bürgermeister Hans Witzendorf von Lüneburg um Abräumung des Holzes an der Schale und um Vergleichung des Zolls an der Schale. Von 1570 ab bemüht sich Herzog Ulrich, Ordnung in die Rollenführung zu bringen. Er befiehlt: Es sollen auch die Rechnungen geschehen vom Zoll und Register, und auch das Übermaß soll mitgerechnet und bezahlt werden. Bestimmter wird der Herzog 1582, da gibt er das Rechnungsjahr an. Der Zöllner hat auf Trinitatis sein Amtsregister zu schließen und den Schalzoll jährlich zu berechnen. Und auf die gute, klare, zugelegte Rechnung begehren seine fürstliche Gnaden auch gebührliche Bezahlung. Diese neue Einrichtung wird auch dem Rat zu Lüneburg mitgeteilt. Es weht überhaupt im Jahre 1581/82 ein schärferer Wind. Denn die Befehle werden nicht nur gegeben, sondern auch ausgeführt. Derselbe Zöllner, der damals sein Amt so gut verwaltete, hält überhaupt auf Ordnung. Er läßt z. B. den Rat wissen, daß ihre fürstliche Gnaden derselben Erbieten nach das Holz, so auf dem Ufer der Schale in seiner fürstlichen Gnaden Land, Stadt und der Schiffahrt hinderlich ist, räumen lassen wollen. 1586 wird das Kassenjahr wieder geändert. Der Zöllner wird von nun an jährlich ad Trium Regum (Jan. 6) Rechnung ablegen.