Abschnitt 10

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung


Einen gewissen Einblick in die Salzlieferungen nach Mecklenburg gewinnen wir durch die Rechnungen des Herzogs Ulrich. Er bestellt bei dem Rat der Stadt, was er für seine Hofhaltung und seine Ämter gebraucht. Es sind daher große Posten, die er sich kommen läßt. Gewöhnlich 30 Last, manchmal auch nur 15 Last. Rechnet man die Last zu 33 hl, so wären 30 Last = 990 hl; oder die Last zu 3000 kg gerechnet, dann stellte sich der Posten auf 90 000 kg oder 180 000 Pfund. Die Belege sind leider zu lückenhaft, als daß man mit Bestimmtheit sagen könnte, in welchem Zeitraum er seine Bestellung wiederholt. Es scheint, alle zwei Jahre. Als guter Hauswirt sieht er zu, daß er seine Ware billig erhält, er läßt handeln und den Preis für sich drücken. Fast bei jedem Auftrag macht er sich vorher aus, daß er das Salz gegen „gebührliche“ und „billige“ Zahlung geliefert bekomme. Da er sich weitläufige Verhandlungen nicht verdrießen läßt, gelingt es ihm auch meist, obgleich der Rat zu Lüneburg ebenso das seine versucht, wie aus der Beschwerde des Bartold Hardecke, des Küchenmeisters zu Witten- bürg, hervorgeht, der 1573 Klage führt, daß die Tonne Salz 6 ß teurer fei als zuvor und energisch Abstellung für den Herzog verlangt oder eine diesbezügliche schriftliche Mitteilung, damit er seinem gnädigen pursten und Herrn eine beweisliche Meldung machen könne.


Herzog Ulrich will nicht nur billig, sondern auch gut einkaufen. Er macht daher seine Bestellungen im Winter, zwischen Januar und März, zu der Zeit, wenn das neue Salz eben gesotten aus der Sülze kommt. Selbstverständlich verlangt er, daß ihm von diesem frischen Salze geschickt werde, während die Lüneburger natürlich lieber ihre alten Vorräte erst ausverkauften, was sie ihm 1575 ganz offen mitteilen: Sie werden ihm von dem neuen Salze schicken, „obgleich wir zu dieser Zeit des Jahres nicht gern schon das neue Salz abgeben.“

Als weitere Vergünstigung erbittet sich Ulrich jedesmal von neuem, daß seine Boizenburger Amtleute persönlich aus der Sülze in der Stadt das Salz einkaufen dürfen und daß dieses dann möglichst billig nach Mecklenburg verfrachtet werde; sei es, daß der Rat den Boizenburgern gestattete, das Salz selbst aus der Stadt hinauszuführen, sei es, daß die Lüneburger Fahrgelegenheiten bewilligen mußten, und wenn es auch nur die z. B. 1575 unentgeltlich gewährte Erlaubnis war, das Salz aus der Elbe die Lüneburger Strecke von Lauenburg bis gen Boizenburg verschiffen zu dürfen.

Dadurch, daß die Amtleute häufig den Einkauf selbst besorgten, geschah es, daß die Mecklenburger zwar ihren Salzbedarf billig und gut decken konnten, daß aber der Rat außer dem baren Geldgewinn einen besonderen Vorteil von diesem Kaufe nicht mehr hatte. Die Lüneburger forderten darum 1576 von Herzog Ulrich, in künftiger Zeit möge er dafür sorgen, daß das Salz hinfürder zu Wagen und gegen Zufuhr Korns und anderer Ware ihrem althergebrachten und wohlhergebrachten Gebrauche nach abgeholt und zu weiterer Neuerung dadurch bei ihren Bürgern keine Ursache gegeben werden möge. Von diesem alten Brauche spricht schon Herzog Heinrich von Mecklenburg-Schwerin in einer Urkunde vom April 1526, in der es heißt, daß die Mecklenburger Roggen und anderes ihrer Hantierung nach Lüneburg führen und dafür Salz wegnehmen. Die Lüneburger wünschten eben Handel mit Aus- und Einfuhr und machten deswegen den Herzögen bei der Abgabe des Salzes hin und wieder Schwierigkeiten. Trotzdem hielten diese für ihr Land an dem einheimischen Salze fest. Herzog Ulrich erklärte sogar dem Rate von Lüneburg 1576, er suspendiere von diesem bis auf nächstes Pfingsten das Verbot der Schiffahrt auf der Schale, weil er für seine Hofhaltung und seine Ämter vom Salz auf der Sülze in der Stadt kaufen wollte. Er suchte nun um die Erlaubnis nach, es auch „gutwillig“ und „ohne Limitation“ herausführen zu dürfen.

Tatsächlich also deckten die Mecklenburger ihren Salzbedarf weiter von Lüneburg her, doch konnte dieses Ergebnis der Schalfahrt weder den Rat noch die Sülfmeister zufriedenstellen. Sie hatten auf den Wismarer Zwischenhandel gerechnet oder noch besser auf den eignen Seehandel über Wismar, den ihnen das notwendige Nahrungsmittel, das Salz, verschaffen sollte. Aber die Küste und ihre Städte: Danzig, Stettin, Hamburg, Lübeck, Wismar wurde ihnen durch das Baisalz allmählich verschlossen, und so blieben sie auf den Binnenhandel beschränkt, der aber als reiner Ausfuhrhandel nicht genug Gewinn brachte.

Freilich hatten sie sowohl als auch die Herzöge gehofft, daß die Schalfahrt zum Handel noch mit anderen Waren Veranlassung geben würde, wie man dies aus der Zollrolle Johann Albrechts von 1564 ersieht. Es ist eine lange Liste von Waren, die der Herzog aufsetzte. Aus ihr entnehmen wir, daß er durch die Schalfahrt einen regen Ein- und Ausfuhrverkehr mit allerlei Erzeugnissen erwartete. Er glaubte, die Lüneburger würden Fettwaren, Fleisch, gesalzene Heringe, Gewürze, Metallwaren, Mühlsteine und Leinwand zum Verkaufe bringen und den Mecklenburgern dafür ihr Leder, ihre Wolfs- und Fuchsbälge, ihre Gerste, ihren Hafer, ihren Roggen und ihren Weizen abnehmen. Beide Teile sahen sich darin schwer getäuscht. Die Macht der ganz veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse war stärker als sie.

Aus mancherlei Gründen kam dieser Handel nicht recht in Fluß. Einmal hatte der europäische Handel überhaupt sich verschoben. Statt nach dem Norden und Osten ging der Zug jetzt nach dem Westen. Die Ostsee hatte bereits ihre große Bedeutung als Handelsmeer eingebüßt. Handel und Verkehr hatten neue Wege gefunden, und die alte Blüte ließ sich nicht wieder zurückzaubern.

Aber auch der inländische Handel stand unter einem Drucke. Die Eifersucht der Boizenburger wollte den Lüneburgern nur den Einkauf, soweit er zur Deckung ihrer persönlichen Bedürfnisse diente, gestatten, untersagte ihnen jedoch den Innenhandel auf das energischste. Sie hielten darauf, daß die Lüneburger keine Heringe, Butter, Käse und dergleichen ins Land und kein Korn, keine Gerste oder anderes aus dem Lande zu Markte führten. Bürgermeister und Ratmannen der Stadt Lüneburg verwahrten sich 1564 gegen solches Vorgehen. Sie seien verklagt worden, im Amte Wittenburg zu Kölzin einen Stapel für Salz und andere Waren zu haben den Boizenburgern zum Schaden. Und kurz und bündig lautete ihre Antwort, es sei ihnen nicht in den Sinn gestiegen, ihnen zu schaden; weswegen aber sei sonst die Wasserfahrt gemacht, als um Handel zu treiben? Trotzdem blieb es im großen und ganzen dabei, daß die Lüneburger ihre Salzschiffe auf der Rückfahrt mit Waren, die zum Gebrauche im Haushalt der betreffenden Schiffsherren oder Schiffer dienen sollten, befrachteten. Nur ein Handel konnte mit Eifer betrieben werden, und zwar der mit Holz.

Wenn sich auch die Handelsverbindungen, die man von der Schalfahrt erhofft hatte, nicht bilden wollten, so entwickelte sich dafür der Holzhandel, der schon vorher im Gange gewesen war, zu erneuter Blüte. An den Ufern der Schale und ganz besonders um den Schalsee herum befanden sich ausgedehnte Forsten. Da waren der Tessiner Wald, der bei Techin, bei Testorf, der Bernstorfer Forst, die Holzungen der Herren von Lützow bei Dutzow, dann im Nordwesten des Sees die sächsischen Waldungen, wie der mehrfach erwähnte „schöne“ Wald.