Die Salzburger-Einwanderung in Preußen

Autor: Krüger, Theodor (?) evangelischer Prediger, Erscheinungsjahr: 1857
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Auswanderung, Auswanderer, Religion, Einwanderer, Einwanderung, Salzburger, Preußen
Es sind jetzt 25 Jahre, dass in den letzten Julitagen des Jahres 1832 die Stadt Gumbinnen ein außergewöhnlich freudig bewegtes und festliches Aussehen hatte. Ehrenpforten an allen Toren und an der Brücke, wehende Fahnen und Laubgewinde in allen Straßen und dazwischen freudig blickende Menschen im Festtagsputze, und von nah und ferne ankommende Gäste zu Ross und zu Wagen von wohlbehäbigem Aussehen. Am Morgen des Jacobi-Tages feierliches Glockengeläute und Vormittagsgottesdienst in allen drei Kirchen der Stadt, denn es galt zunächst Gott die Ehre und den Dank bewegter Herzen zu bringen; dann große gemeinsame Festtafel im Freien unter den Linden und gleichzeitig festliche Bewirtung der Armen in den Hospitälern, Freudengesänge und glänzende Beleuchtung, Musik und Theater am Abend und anderen Tags eine Lustfahrt, deren heimkehrender Wagenzug sinnbildlich an die eigentümliche Bedeutung des Festes erinnern sollte. Das war die hundertjährige Jubelfeier der Salzburger-Einwanderung in unsere Stadt und Provinz, gefeiert von dankbaren und fröhlichen Nachkommen jenes frommen Geschlechtes, und nicht nur durch das Herzuströmen ihrer zahlreichen verschwägerter Verwandten und Freunde, sondern durch die lebhafte, der tiefen Bedeutung des Tages geltende Teilnahme aller Stände, zum wahrhaften Volksfeste gesteigert.

Aus Veranlassung dieses Festes erschienen damals in Verlag und Druck des Herrn Krauseneck in Gumbinnen: die „Geschichte der Auswanderung der evangelischen Salzburger" von Herrn Pfarrer Haak aus Zabienen. Acht Jahre später, als im Jahre des hundertjährigen Bestehens des hiesigen Salzburger-Hospitals, schrieb Herr Lehrer Raths seine „Chronik der Salzburger Hospitals-Armen-Anstalt," herausgegeben im Verlage von I. F. Lemke, Gumbinnen 1841. Beide schätzenswerte Schriften haben damals eine ziemlich zahlreiche Verbreitung in unserer Provinz gefunden. Hier weniger bekannt sind die über denselben Gegenstand erschienenen Werke von Panse 1832 und das von Redenbacher, 1853 bei Naumann in Dresden herausgegeben.

Fünf und zwanzig Jahre sind nun seit jener Säkularfeier und seit der Herausgabe des erstgenannten Werkes vergangen. Wieder haben wir am 25. Juli dieses Jahres mit erhöhter Teilnahme das Fest der einhundert fünf und zwanzigjährigen Erinnerung an jenen denkwürdigen Auszug und Einzug gefeiert und es dürfte ebenso gewagt als überflüssig erscheinen, an dieses 125jährige Erinnerungsfest nochmals eine neue Bearbeitung desselben Gegenstandes anzuknüpfen. Dennoch bin ich auf die Aufforderung des geehrten Herrn Verlegers gern und willig eingegangen, nicht bloß, weil seiner Ansicht nach, ein guter Teil jener Schriften in unserer Provinz unter der Zeit schon wieder verloren gegangen und eine große Anzahl der jetzt unter uns lebenden Salzburger-Nachkommen nichts über die denkwürdige Einwanderung in Händen hätte, sondern auch, weil ich, von der herrlichen Glaubenstreue jener standhaften evangelischen Emigranten tief ergriffen, es nicht für nutzlos hielt, das einfache aber lehrreiche Lebensbild derselben in einer Zeit wieder aufzufrischen, deren hervorragenster Zug eine ruhelose Gewinnsucht ist, die unter Vornehm und Gering, wenig bekümmert um das Heil der Seele, den Erwerb irdischer Güter für den höchsten Lebenszweck achtet und sehr verschieden von der heilsbegierigen Gottergebenheit, womit jene evangelischen Männer Haus, Hof und Heimat um der Glaubensfreiheit willen im Stiche ließen, in unseren Tagen tausende von Auswanderern, in der Hoffnung schnell reich zu werden, aus dem deutschen Vaterlande über das Weltmeer nach Amerika treibt.

Möchte es den nachstehenden Blättern gelungen sein, ihren Lesern die herzgewinnenden Züge dieser treuen Zeugen unseres evangelischen Bekenntnisses so lebensfrisch und lebenswarm vorzuführen, dass sie an ihnen nicht ohne den Eindruck vorüber gingen: es sei der reichste Gewinn, sich zu Christo, dem Herrn, zu bekennen, — aber nicht bloß mit Worten und Gebärden, sondern mit der Tat und in der Wahrheit. —

Dann wäre die Aufgabe gelöst, welche ein nach Gottes Rat erblindeter und deshalb von seinem teuern Beruf und Dienst am Evangelio frühzeitig ausgeschiedener Mann sich bei diesem schriftstellerischen Erstlingsversuche seiner unfreiwilligen Mußezeit gestellt hat.

Was nun die Art der Behandlung anbetrifft, welche ich meinem Gegenstande angepasst habe, so konnte es mir bei der vielfachen und sorgfältigen Bearbeitung desselben nicht in den Sinn kommen, völlig Neues und Unbekanntes über die Sache selbst zu sagen;aber indem ich die ältesten Quellen, nämlich die ausführliche Historie derer Emigranten oder vertriebenen Lutheraner aus dem Erzbistum Salzburg: „Leipzig 1732 zu finden in Teubners Buchladen." Und die vollkommene Emigrations-Geschichte, von denen aus dem Erzbistum Salzburg vertriebenen und größtenteils nach Preußen gegangenen Lutheranern, verfertigt von Gerhard Gottlieb Günther Göcking, Frankfurt und Leipzig bei Christian Ulrich Wagner, 1734 fleißig benutzte, habe ich meiner Geschichte der Salzburger Einwanderung in Preußen dadurch eine größere Anschaulichkeit zu geben versucht, dass ich einem jeden der vier Abschnitte eine Schilderung der allgemeinen geschichtlichen Zustände vorausschickte, welche auf die Auswanderung der Salzburger Einfluss ausübten oder von ihr berührt und mit bewegt wurden.

Zum Eingang des ersten Abschnittes aber habe ich eine kurze Schilderung des herrlichen Salzburger Landes mit um so größerem Vergnügen zu geben versucht, als die Erinnerung an die unauslöschlichen Eindrücke der salzburgischen Alpennatur, welche ich auf einer Reise im Jahre 1847 durch eigene Anschauung in mich aufzunehmen so glücklich war, für mich zu einer Quelle reichsten und nachhaltigsten Genusses geworden ist.

Für den vierten Abschnitt, die Niederlassung der Salzburger in Litauen, hat es mir wünschenswert geschienen, durch zahlreich mitgeteilte Briefe eben angesiedelter Salzburger, so wie durch Mitteilung der Berichte des Emigranten Predigers Breuer, der Darstellung das Gepräge unmittelbarer Anschaulichkeit zu geben. Auch die betreffenden Aktenstücke im Anhange zum ersten Teile in einen Lesern zur eigener Kenntnisnahme vorzulegen, schien mir zweckmäßig, dagegen habe ich es unterlassen, das von meinem Vorgänger Raths bereits mitgeteilte, fünf Druckbogen umfassende Namens-Verzeichnis der eingewanderten Salzburger meinem Buche wiederum einzuverleiben.

Zu der im zweiten Teile enthaltenen Geschichte der hiesigen Salzburger-Armen-Anstalt hat mir das geehrte Vorsteher-Amt die Einsicht der Akten auf das Bereitwilligste gestattet und die gütige Zuvorkommenheit des Herrn Rendanten Lindtner mich bei deren Benutzung freundlichst gefördert, wofür ich meinen Dank öffentlich auszusprechen hier nicht unterlassen kann. Aber auch die vorerwähnte schätzenswerte Arbeit des Herrn Lehrer Raths über denselben Gegenstand hat mich für einzelne Punkte dieser Hospitals-Geschichte durch ihre aktenmäßige genaue Zusammenstellung der Tatsachen der Mühe überhoben, noch einmal die Quellen nachzuschlagen.

Die Beigabe des Statuts wird gewiss jedem Salzburger-Stammgenossen eben so willkommen sein, wie die lithographische Darstellung der Kirche und des Hospitals, womit der Herr Verleger das Büchlein ausgeschmückt hat.
Und so möge denn dasselbe ausgehen unter seine Leser, die ihm schon vor seinem Erscheinen durch ihre freundliche Subskription ihre Teilnahme zugewandt haben und auf deren gütige Nachsicht bauend, es weniger für sich, als für den Gegenstand, den es behandelt, um ihre Zuneigung wirbt.

Gumbinnen, am Martinstage 1857.

Das Salzburger Hospital in Gumbinnen

Das Salzburger Hospital in Gumbinnen

Die Salzburger-Hospitals-Kirche in Gumbinnen

Die Salzburger-Hospitals-Kirche in Gumbinnen