Abschnitt 6

Die Sage vom Feuerreiter


Allerdings ist bei diesem Segen nicht gesagt, daß der Feuerreiter ihn gesprochen habe, er ist wohl auch etwas zu lang dazu. Man soll ihn in mehreren Abschriften im Hause aufbewahren und bei ausbrechendem Feuer die Flammen damit bannen. Diese Vorsicht wurde sehr oft geübt, ja, sie war zum Teil sogar von der Obrigkeit vorgeschrieben, wie folgender Erlaß des Herzogs Ernst August von Weimar beweist: „Wir usw. fügen hier mit allen Unseren nachgesetzten fürstlichen Beamten usw. zu wissen, und ist denselben vorher schon bekannt, was maßen Wir aus tragender, Väterlicher Vorsorge alles was nur zur Conservation unserer Lande und getreuer Unterthanen gereichen kann, sorgfältig vorkehren und verordnen wir nun: Durch Brandschaden viele in große Armuth gerathen können, dahero dergleichen Unglück zeitig zu steuern, Wir in Gnaden befehlen, daß in einer jeden Stadt und Dorf verschiedene hölzerne Teller, worauf schon gegessen gewesen und mit der Figur und Buchstaben, wie der beigefügte Abriß besagt, des Feiertags bei abnehmendem Monde, Mittags zwischen 11 und 12 Uhr, mit frischer Tinte und neuen Federn beschrieben, vorrätig sein, sodann aber, wenn eine Feuersbrunst, davor der große Gott hiesige Lande in Gnaden behüten wolle, entstehen sollte, ein solcher nun bemeldeter maaßen beschriebener Teller mit den Worten „Im Namen Gottes“ ins Feuer geworfen, und, wofern das Feuer dennoch weiter um sich greifen wollte, dreimal solches wiederholt werden soll, dadurch denn die Gluth unfehlbar getilgt wird. Dergleichen Teller nun haben die regierenden Bürgermeister in denen Städten, auf dem Lande aber die Schultheißen und Gerichtsschöppen in Verwahrung aufzubehalten und bei entstehender Noth, da Gott für sei, beschriebener maaßen zu gebrauchen. Hiernächst aber, weilen dieses jeden Bürger und Bauer zu wissen nicht nötig ist, solches bei sich zu behalten. Hieran vollbringen dieselben Unsern resp. gnädigsten Willen.


Gegeben in unserer Residenz [Weimar], den 24. Dezember 1747.“

Wir könnten die Zahl der Feuersegen noch stark vermehren, wollen aber davon absehen; neue charakteristische Züge ergeben sich dadurch nicht mehr, höchstens, daß einmal gemeldet wird, man solle bei dem Sprechen des Segens „unter dem rechten oder linken Fuß ein wenig Erde wegnehmen und sie ins Feuer werfen“ - also eine Verbindung des Besprechens mit dem Opfer an das Feuer.

Zum Schlüsse dieses Abschnittes wollen wir nur noch darauf hinweisen, daß die Sage vom Löschen des Feuers durch Zauber schon vor Mörike dichterische Behandlung gefunden hat. Wir finden sie in der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“:

Das Feuerbesprechen.


1. Zigeuner sieben von Reitern gebracht,
Gerichtet, verurteilt in einer Nacht,
Sie klagen um ihre Unschuld laut,
Ein Jud’ hält ihnen den Kelch vertraut.

2. Die Ratsherrn sprechen das Leben leicht ab,
Sie brachen dem sechsten schon den Stab,
Der siebent’, ihr König, sprach da mit Ruh:
„Ich hör’ wohl in Lüften den Vögeln zu.

3. Ihr sollt mir nicht sengen ein Härlein vom Kleid,
Bald krähet der rote Hahn so weit!“
Da bricht die Flamme wohl über wohl aus,
Aus allen vier Ecken der Stadt so kraus.

4. Der rote Hahn auf die Spitze gesteckt,
Er krähet, wie jener, der Petrum erweckt,
Die Herren erwachen aus Sünden Schlaf,
Gedenke der Unschuld, der harten Straf’.

5. Die Herren, sie sprechen zum Manne mit Flehn,
Er möge besprechen das feurige Wehn,
Er möge halten den feurigen Wind,
Sein Leben sie wollten ihm schenken geschwind.

6. Den Todesstab da entreißt er gleich,
Den Herren damit gibt Backenstreich,
Er ruft: „Was gießet ihr schuldlos Blut?
Wie wollet ihr löschen die höllische Glut?

7. Das Kindlein vom Stahle die Funken gern zieht,
Der Fromme im Steine das Feuer wohl sieht,
Was spielt ihr mit Dingen, die schneidig und spitz,
Der rote Hahn wohl unter euch sitzt.“

8. Jetzt spricht er: „Willkommen, du feuriger Gast,
Nichts greife weiter, als was du hast,
Das sag ich dir, Feuer, zu deiner Buß’,
Im Namen Christi, des Blut hier auch floß.

9. Ich sage dir, Feuer, bei Gottes Kraft,
Die alles tut und alles schafft,
Du wollest also stille stehn,
Wie Christus wollt’ im Jordan stehn.

10. Ich sag’ dir, Feuer, behalt dein Flamm’,
Wie einst Maria, die heilige Dam’
Hielt Jungfrauschaft so keusch und rein,
So stelle, Flamm’, deine Reinigung ein.“

11. Da flog der rote Hahn hinweg,
Da nahm der Wind den andern Weg,
Das Feuer sank in sich zusamm’,
Der Wundermann ging fort durch die Flamm.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sage vom Feuerreiter