Nachtrag

1. Zu dem Gedichte Das Feuerbesprechen aus „Des Knaben Wunderhorn“ kann noch bemerkt werden, daß wir es hier mit einem Liede zu tun haben, das von Achim von Arnim gedichtet ist. Er kannte den alten Feuersegen, brachte ihn in Reime und umkleidete ihn mit der romantischen Zigeunerszene.

2. Nach der Drucklegung der Arbeit kommt mir noch ein größerer Aufsatz vor Augen, der im 24. Jahrgang 1909 bis 1910 der Burschenschaftlichen Blätter erschienen ist: Proelß, „Hauffs Feuerreuterlied und Mörikes Feuerreiter. Ein Beitrag zur Geschichte der Tübinger Burschenschaft.“ Für die Geschichte der zugrundeliegenden Sage ergibt sich daraus nichts Neues, dagegen mancherlei Bemerkenswertes über Mörikes Dichtung. In den Jahren 1822 bis 24 weilten Mörike und Hauff zusammen in Tübingen als Studenten. Hauff gehörte zur Burschenschaft, und in dieser wieder zum engeren Kreis der „Feuerreuter“. Unter den Feuerreutern verstand man damals in Württemberg zweierlei. Zunächst die Meldereiter, die nach Feuersausbruch auf dem schnellsten Gaule des Ortes fortgaloppierten und Hilfe holten. Sie trugen rote Beinkleider. Dann die Guts= und Landesherren, die sich zur Leitung des Löschwesens auf schnellem Rosse zur Brandstätte begaben. Nun nannte sich jener studentische Kreis auch Feuerreuter, und zwar wegen ihres besonderen Eifers für burschenschaftliche und allgemein studentische Angelegenheiten. Für die Genossen seiner „Compagnie“ dichtete Hauff 1824 das „Trinklied“, das eigentlich „Feuerreuterlied“ hieß; und einem der Freunde schrieb er folgenden Neckvers ins Stammbuch:


„s'jagt einer im Schritt über die Brück',
„Aus dem Weg! aus dem Weg! zurück!“
Was giebt's, Herr von Röder? brennt's wo?
„In Glems, in Glems! Feuerjo!“

Wegen mancherlei Anklänge kommt man auf den Gedanken, daß Mörike diesen Vers gekannt hat. Seine „Romanze vom wahnsinnigen Feuerreiter“ wurde im selben Jahre wie dieser Vers und wie Hauffs „Feuerreuterlied“ gedichtet - ein gewisser Zusammenhang ist also nicht ohne weiteres abzulehnen.

Um zu zeigen, wie Mörike zur Dichtung seiner Romanze kam, weist Proelß noch darauf hin, daß die Herzen der studierenden Jugend damals von zwei großen Bewegungen erfüllt waren: Zunächst von der Begeisterung für den Freibeitskampf der Griechen. Mörikes Freunde waren vielfach ausgesprochene Philhellenen, und einer derselben, der oben erwähnte Lohbauer, richtete an ihn die Aufforderung, mit ihm nach Griechenland zu ziehen, um den Griechen mit Wort und Tat zu helfen. Mörike dachte freilich nicht daran, der Aufforderung Folge zu leisten.

Ebenso erregt war man über den Verlauf der burschenschaftlichen Bewegung und deren verhängnisvolle Folge: die Demagogenverfolgung. Einige studentische Kreise waren zu heimlichen Verschwörungen im Sinne Follens und Sands geneigt. Andere wollten ihre burschenschaftliche, national-deutsche Gesinnung in ostentativen Aufzügen und Festveranstaltungen mit feurigen Reden zeigen. Der kühle Beobachter - Mörike gehörte nicht, wie Hauff, zur Burschenschaft - konnte also zwei Ausartungen des burschenschaftlichen Lebens feststellen: „Die im Grunde harmlose Übertreibung des kriegerischen Auftretens und die verhängnisvolle Demagogie der Jugendbündler.“ (Hierauf bezieht sich die satirische Schornsteinfegerszene auf dem Maskenball im „Maler Nolten“ kurz vor dem Vortrage unseres Liedes.)

Beide Anregungen nun: mit seiner Person, mit Leib und Leben einzutreten für die Sache der Griechen und für diese burschenschaftlichen Ideale lehnte Mörike ab, mußte er seiner Natur und seinen damaligen inneren Erlebnissen nach ablehnen. Er sah in beiden ein toddrohendes Spiel mit dem Feuer, - und so kam er zur Dichtung seines „Feuerreiters“, der bei seinem wilden Werke zugrunde geht.

Dann könnte man im Anschluß an Proelß noch auf einige Einzelheiten hinweisen:

Die Verwandlung der weisen Mütze Hölderlins in eine rote wird dadurch erklärt, daß die „Feuerreuter“ der Burschenschaft rote Mützen trugen.

Der runde Turm, von dem in der Erzählung im „Maler Nolten“ die Rede ist, steht heute noch in Tübingen. Es ist der „Hölderlinturm“ in der „Eberhardtei“, einer malerischen Häusergruppe am Neckar unterhalb des Schlosses. Damit wäre das Lied in Tübingen lokalisiert, und nicht, wie man sonst wohl meinte, in Stuttgart.

Neben dem oben erwähnten Brande des Klinikums war es dann noch ein anderer Brand in Tübingen, der Mörike ganz besonders naheging: Bei einer großen Feuersbrunst konnte die Braut seines guten Freundes Waiblinger nur mit Mühe dem wütenden Elemente entrissen werden. Wir wissen, daß dies auf die leicht erregte Phantasie des Dichters außerordentlich stark einwirkte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Sage vom Feuerreiter