Die Russen in Berlin. 1760 – Geschichtsbild

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 8. 1873
Autor: W. Girschner, Erscheinungsjahr: 1873

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Berlin, Friedrich der Große, Russen, Österreicher, Sachsen, Siebenjähriger Krieg, Gotzkowsky, Plünderungen, Kontribution, Nationalhass, Patriot,
Die preußische Hauptstadt, welche in den ersten vier Jahren des Siebenjährigen Krieges nur wenig von den Drangsalen desselben zu leiden gehabt hatte, sollte endlich noch in hohem Grade davon betroffen werden. Am 3. Oktober 1760, während Friedrich der Große gegen die Österreicher in Schlesien operierte, erschien mit einem Male und unerwartet der gefürchtetste Feind, die Russen, vor ihren Toren. Es war zunächst der Vortrab des nach Berlin entsandten russischen Corps unter dem General Tottleben angekommen, 3.000 Mann stark. Angst und Bestürzung verbreitete sich bei dieser Nachricht unter den Berlinern. Hatten doch die russischen Generale bei ihrer Ankunft auf preußischem Boden bekannt machen lassen, dass in jeder eroberten Stadt und Provinz den preußischen Untertanen nichts als Luft und Erde übrig bleiben solle. Und wie schrecklich hatten sie bereits diese Drohung wahr gemacht und ihre Spuren überall mit Mord und Brand und Gräueln aller Art bezeichnet!

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Die ungeheure Königsstadt ohne Wälle und Mauern war nur mit 1.200 Mann Garnisonstruppen besetzt, die fast nur aus ausgedienten Leuten und Invaliden bestanden, und besaß keine anderen Geschütze als nur zwei verrostete Kanonen. Wie konnte man da an Verteidigung denken? Und doch beschloss man, der Aufforderung der Russen, die Stadt zu übergeben, sich nicht zu fügen, sie vielmehr bis auf den letzten Blutstropfen zu verteidigen. Es waren namentlich die in Berlin sich befindenden alten tapferen und kampferprobten preußischen Heerführer: Der greise General Kochow, Kommandant der Stadt, der achtzigjährige Feldmarschall Lehwald und die schwerverwundeten Generale Seydlitz und Knoblauch, welche in heldenmütiger Erbitterung und edler Kampfbegier dazu aufforderten.

Durch alle Straßen der Stadt ließen sie Patrouillen marschieren und unter Trommelwirbel alle waffenfähigen Bürger auffordern, sich an der Abwehr des Feindes zu beteiligen. Und der Schreckensruf: „der Russe ist vor den Toren!“ sowie der alte erwachende Nationalhass gab selbst den Feiglingen und Schwachen die Waffen in die Hand und verlieh ihnen Mut und Kraft.

Indessen die weisen Väter der Stadt und mancher friedliche und ängstliche Bürger mit ihnen, beeiferten sich, ihre Bürger von einem nutzlosen und verderblichen Kampfe gegen einen Feind zurückzuhalten, der ihnen dreimal überlegen sei und sich schwer für ihren Widerstand rächen würde. Die Kampfeslust ward dadurch nicht wenig herabgestimmt, die Reihen derjenigen, welche dem Rufe zur Verteidigung gefolgt waren, begannen sich zu lichten, und selbst kühne und entschlossene Männer wurden wankend und kleinmütig.

Da stellte sich ein edler patriotischer Bürger den Wankenden und Kleinmütigen entschlossen entgegen, riss sie, selbst sich an die Spitze einer kampfesmutigen Schaar stellend, durch sein begeisterndes Wort und Beispiel mit sich fort, dass sie ihrer Pflicht und ihrer Mannesehre genügten.

Dies war der Kaufmann und Fabrikant Johann Gotzkowsky, der Krösus von Berlin, welcher eins der größten und stattlichsten Gebäude in der Leipziger-Straße bewohnte. Aus einem armen Knaben, der mit zerlumpten Kleidern und bloßen Füßen an den Straßenecken Berlins kauerte und sein Stück erbetteltes Brod verzehrte, hatte er sich durch Fleiß, Klugheit und Sparsamkeit zum reichen Manne emporgeschwungen. Er hatte in Berlin die ersten großen Fabriken geschaffen — Samt- und Seidenfabriken — und beschäftigte täglich Hunderte von Arbeitern; er war auch der Erste gewesen, der mit inländischen Stoffen die Leipziger Messe bezog. Die Teilnahme und der hilfreiche Beistand Friedrichs des Großen hatte ihm bei seinen Unternehmungen zur Seite gestanden, seine Zufriedenheit war sein Sporn gewesen, und so war er ein glühender Verehrer des großen Königs geworden. Die Größe seines Reichtums mag man daraus ersehen, dass er Friedrich für 300.000 Thaler Bilder in Italien gekauft hatte, ohne bis jetzt diese Summe wieder erhalten zu haben, und dennoch im Stande war, eine Proviantlieferung für ihn für acht Millionen Thaler zu übernehmen. Mit Tugenden, Fähigkeiten und starkem Mut ausgerüstet, war er durch seinen Reichtum in den Stand gesetzt, den edelsten Gebrauch von diesen glänzenden Eigenschaften zu machen. So ward er nicht nur der Schutzgeist Berlins in der jetzigen Bedrängnis, sondern übte auch Einfluss auf den ganzen Krieg, ein Beispiel, wieviel in bedrängten Umständen der gute Wille und die Klugheit eines Mannes vermag. —

Mit Waffen aus dem Zeughause versehen, strömten jetzt, von Gotzkowsky aufs Neue angefeuert, kampfeslustige Scharen von Männern, Jünglingen und Greisen nach dem Dresdener und dem Cottbusser Tore, vor denen die Russen standen. Auf die abgeschlagene Aufforderung eröffneten die letzteren noch am Tage ihrer Ankunft ein heftiges Bombardement mit Feuerkugeln und Haubitzengranaten gegen die Stadt, in welcher hier und da die Flammen brennender Häuser emporschlugen, und jene Tore wurden Heftig von ihnen bestürmt. Aber dennoch sank den wackeren Kämpfern an den dort errichteten Schanzen und Palisaden nicht der Mut. Wurden sie doch gestärkt durch das edle Beispiel der schon genannten ruhmgekrönten Heerführer, die, ihres Ranges vergessend, hier die Dienste eines gemeinen Soldaten verrichteten, und von denen sich der General Seydlitz, den seine Verwundung am Gehen hinderte, auf einer Tragbahre zur Batterie des Cottbusser Tores hatte bringen lassen, um hier wenigstens die Verteidigung zu leiten. Und mit heldenmütiger Tapferkeit schlugen sie wiederholt den Sturm zurück. Auch die Feuersbrünste wurden bald wieder gelöscht. Die Russen mussten endlich den Sturm aufgeben.

Am folgenden Tage nahte Hilfe, und mit Jubelgeschrei ward von den Berlinern die Kunde begrüßt, dass der Prinz von Württemberg mit seinem 5.000 Mann starken Corps soeben von Pasewalk eingetroffen sei, und General Hülsen sich von Coswig her nahe. Ersterer war neun Meilen in einem Tage marschiert. Man begrüßte ihn wie einen vom Himmel gesandten Erretter, und seine ermatteten Truppen wurden in den Räumen des neuen schönen Opernhauses, welches der König erst vor kurzer Zeit hatte bauen lassen, von der Bürgerschaft mit Bier, Fleisch und Wein bewirtet. Gotzkowsky war einer der Tätigsten gewesen, dieses Gastmahl des Patriotismus in der Geschwindigkeit herzurichten, und hatte selbst nicht nur bedeutende Geldsummen, sondern auch die besten Weine aus seinem Keller dazu hergegeben.

Als sich seine Truppen ein wenig erholt hatten, griff der Prinz die Russen an und trieb sie bis Köpenick zurück.

Berlin Münze 00 Die Königliche Münze

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Berlin Münze 01 Der Glühofen

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Berlin Münze 02 Ansicht des königlichen Münzgebäudes zu Berlin

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Berlin Münze 04 Das Ausschlagen der runden Stücke

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Berlin Münze 05 Prägepresse für Stahlmatritzen

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Berlin Münze 06 Das Justieren der Münze

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Berlin Münze 07 Die Rändelmaschine

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Berlin Münze 08 Prägemaschinen

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Berlin Münze 09 Maschine zum Strecken der Bänder

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Berlin Münze 10 Das Beizen der fertigen Münzen

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Berlin Münze 11 Die Schmelze

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