Abschnitt 2

Sechstes Capitel


„Ho ho! was Teufel ist nun wieder los?“ rief der Förster und sprang vom Stuhle auf, als ihn der Hausknecht, der ungestüm in die Thür trat, aus seinem Mittags-Schlafe weckte. „Ich wollte nur sagen,“ antwortete der Hausknecht, „daß die Pferde nun gleich kommen werden. Die Mamsel und der Officier, die im Zimmer hier neben an logiren, wollen auch fort, sobald er nur wieder zurückkömmt.“ – „Was für eine Mamsell?“ sprach der Pastor – Wir wollen in des Hausknechts Namen antworten.


In der Nacht vom Sonnabende zum Sonntage kam in Peina im Posthause eine kleine Callesche an, in welcher ein österreichscher Officier mit einem schönen jungen Frauenzimmer saß. Auf die Frage: ob sie gleich weiter wollten, antworteten sie: nein! sie müßten vielmehr hier die Ankunft eines Fremden erwarten. Das Frauenzimmer legte sich zu Bette; der Officier wünschte ihr, mehr ehrerbiethig, als vertraulich, eine gute Nacht, und ließ sich eine andre Cammer anweisen. Am folgenden Tage (das heißt an eben dem, an welchem unsre Freunde das Mittagsmahl in Peina hielten) lief der Officier selbst und schickte auch einigemal vor das Thor hinaus, das nach Hannover führt. Daselbst liegt ein Wirthshaus, welches, wenn ich nicht irre, die Eulenburg heißt; Dort ließ er sich nach einem Fremden erkundigen und bitten, daß man es ihm sogleich melden mögte, wenn er angekommen seyn würde. Übrigens hielt sich das Pärchen sehr still in dem Zimmer des Posthauses, und schien dem Anblicke so vieler Fremden, welche an diesem Tage da einkehrten, auszuweichen. Endlich, als der Pastor Schottenius eben mit seiner Predigt beschäftigt war, kam ein Knabe aus der Eulenburg gelaufen und brachte dem Officier ein Briefchen. „OGottlob!“ rief der Officier und umarmte das Frauenzimmer, „Er ist da! Er ist da! Nun geht alles nach Wunsche. Ich will hin; Laß Dir die Zeit nicht lange währen, meine Meta! Wir werden uns so mancherley zu erzählen haben. Sobald ich mich aber losreißen kann, eile ich zurück, bringe ihn mit, oder hole Dich ab. Adieu, mein Engel!“ – Und damit griff er nach Hut, Stock und Degen, und fort, die Treppe hinunter, zum Hause hinaus, nach der Eulenburg – Das war’s, was der Hausknecht erzählte.

„Es ist angespannt“, sagte ein andrer Aufwärter, der in das Zimmer trat; der Pastor raffte seine Papiere zusammen, und der Förster fragte nach der Zeche. „Der Herr Amtmann“, sprach er, „hat mir aufgetragen, für ihn und seinen Sohn mitzubezahlen“ – „Ich weiß es“, erwiederte der Aufwärter, „und auch für Ihren Herrn Vetter“. – „Was für ein Vetter?“ – „Der Musicus!“ – „Hole der Teufel, den Kerl! Ich kenne den verfluchten Dudelsack gar nicht“. – „Ey! er reist ja mit dem Herrn Amtmanne“. – Doch kurz! von dieser unbedeutenden Sache! der Förster, der nicht geizig war und viel Ehrgefühl besaß, zahlte – freylich nicht ohne Schimpfen und Fluchen; und nun wollten sie fort; allein als sie aus ihrem Zimmer traten, öfnete zufällig das Frauenzimmer eben auch die Thür des ihrigen. – „Was, zum Teufel!“, schrie der Förster, „Grete! Du bist es? Da soll ja das Wetter hineinschlagen! Wo kömmst Du her?“ – Und damit drang er in ihre Stube, schlug die Thür hinter sich zu, und ließ den Pastor verwundert draußen stehn.

Sehr laut und stürmisch gieng es nun in dem Zimmer her; Nur einzelne Worte konnte Ehren Schottenius Anfangs verstehn; Dann sagte der Förster: „Nur keine Speranzien gemacht! das sag’ ich Dir; das hilft hier alles nichts; und mit den Ohnmachten wollen wir auch schon fertig werden. Kurz und gut! Du mußt gleich fort mit mir. Nach Goßlar will ich Dich zurückführen; Da magst Du Deine Sache ins Reine bringen, und habe ich Unrecht, so ist die Justitz da. Wollen doch sehn, ob ein unmündiges Mädchen mit einem Kerl davonlaufen darf. – Und ich rathe Dir, nur hier im Hause kein Aufsehn zu machen; Du hast nichts als den Schimpf davon, denn mit mußt Du; davor hilft nichts.“ – Herr Dornbusch stürzte dann zum Zimmer hinaus, bat den Pastor, den Brief zu schreiben, den wir gelesen haben; Es wurde ein Bothe fortgeschickt, alles in größter Eil. – Jungfer Grete sehnte sich vergebens nach der Zurückkunft ihres Retters; Er kam nicht und sie mußte sich, gebadet in Thränen, die einen Stein hätten erweichen mögen, von ihrem grausamen Oheime in den Wagen heben lassen. – Fort nach Goßlar gieng die Reise.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Reise nach Braunschweig