Die Regentin. - Geschichtsblatt. 1610

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1871
Autor: Karl v. Prenzlau, Erscheinungsjahr: 1871

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Frankreich, Deutschland, Russland, Europa, Konrad I., Heinrich I., Elsaß und Lothringen, Ludwig XI., Straßburg, Heinrich IV.,
„Auf Deutschlands Erniedrigung und Zerrissenheit basiert Frankreichs Größe!“ Das war das Programm, welchem seit den ältesten Zeiten alle Herrscher Frankreichs huldigten. Schon im Jahre 912, um welche Zeit das deutsche Lothringen noch von einem Herzoge regiert wurde, wusste selbst ein Karl der Einfältige sich so vollständig in diese Politik hineinzuleben, dass es ihm gelang, den Herzog Raginer auf französische Seite zu ziehen, ohne dass der damalige deutsche Kaiser Konrad I. etwas Erfolgreiches dagegen hätte ausrichten können. Zwar wurde bereits im Jahre 921 die Verbindung mit Deutschland von König Heinrich I. wieder hergestellt und während mehrerer Jahrhunderte blieben Elsaß und Lothringen deutsch, dann aber im Jahr 1444 fielen die von dem Dauphin Ludwig — nachmaligen König Ludwig XI. geführten Armagnaken in den Elsaß ein, raubten, plünderten, mordeten und verübten Gewalttätigkeiten und Grausamkeiten in entsetzenerregender Weise. Deutsche Energie und Tapferkeit trieben die Räuberbanden zurück; aber des Friedens erfreuten sich die unglücklichen Länder nicht lange. Am 15. Januar 1552 schloss der französische König Heinrich II., Sohn Franz' I., das bekannte Bündnis zu Chambord mit dem Kurfürsten Moritz von Sachsen und dessen protestantischen Bundesgenossen gegen den deutschen Kaiser, worauf er mit 35.000 Mann in Lothringen einfiel, Toul und Verdun eroberte und Nancy sowie die Gegend von Hagenau bis Weißenburg besetzte, während Metz durch Verrat in seine Hände fiel. Elsaß mit Straßburg blieb dem deutschen Reiche treu.

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Inhaltsverzeichnis
Auch Frankreichs bester König, Heinrich IV., von seinem Volke der Große und Gute genannt, glaubte in der feindseligen Politik gegen Deutschland die Hebung und Stärkung seiner Nation suchen zu müssen, und interessant ist die Geschichte von jenem Zwischenfalle, der ihn an der Erreichung seines Zieles verhinderte.

Es war an einem Hellen klaren Wintertage des Jahres 1610, als in dem großen, prächtig ausgestatteten Arbeitszimmer des regierenden Königs von Frankreich zwei Männer in eifrigem Gespräche auf- und abschritten. Der Jüngere von hoher imposanter Figur mochte ungefähr fünfzig Jahre zählen, während der Kleinere, eifrig das Wort Führende, wegen seines ergrauten Haares um einige Jahre älter erschien. Seine Haltung sowohl als der Ton und die Ausdrucksweise seiner Sprache verrieten wohl den vortragenden Minister, der Eifer, mit dem er seine Gründe und Vorschläge entwickelte, die Lebhaftigkeit seiner Bewegungen jedoch den vertrauten Ratgeber, der sich etwas herausnehmen darf.

„Ich habe nun Eurer Majestät meine Ansichten entwickelt,“ schloss er seine Rede, „und Eure Majestät werden erkennen, mit welch' ungeheuren Schwierigkeiten die Gründung einer europäischen Republik verbunden ist. Groß und erhaben ist der Gedanke, aber unausführbar. Eure Majestät werden meine Überzeugung billigen.“

Der König schüttelte leicht den Kops, warf sich dann in den vor seinem Schreibtische stehenden Lehnsessel, stützte den linken Arm auf die Marmorplatte und erwiderte:

„Es muss durchgeführt werden, Sully! muss, sage ich! Die Gründung einer allgemeinen europäischen Republik, und die Einteilung derselben in die verschiedenen Unterstaaten mit Frankreich als oberstem Friedenssenat an der Spitze, ist seit Jahren mein Lieblingsplan, und bei der Zerrissenheit Deutschlands und Italiens, bei den schwachen Regierungen der übrigen Länder durchaus nicht so unausführbar, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Ihr wendet mir ein, Sully — Russland — das größte Reich in Europa hätte eine gewaltige Zukunft und würde über kurz oder lang zerstören, was ich geschaffen? Ich sage Euch, Sully! es werden Jahrhunderte darüber hingehen, ehe dieser im Winterschlafe liegende Koloss erwacht und den freien Gebrauch seiner Glieder erlernt. Und dann — wer sagt Euch, dass ich Russland in das Bereich meines Strebens ziehen will? Es ist kein Ruhm, über Barbaren zu herrschen, und auch kein Glück! Wohlan, werfen wir des Ostens barbarische Völker, die Russen mit samt den Türken, aus Europa hinaus. Bilden wir dann aus den aristokratischen, demokratischen und monarchischen Staaten, in welche die Republik Europa nach meinem Systeme eingeteilt werden soll, eine bedeutende Streitmacht, welche den Zweck hat, das Reich der Zivilisation zu schützen und — Sully! es muss gelingen!“

Der große Minister und Staatsmann Sully, die rechte Hand Heinrichs IV., schwieg und sah nachdenklich vor sich nieder. Er mochte im Geiste nochmals alle die Schwierigkeit erwägen, welche sich dem Riesenplane des Gebieters entgegenstellten und vielleicht schienen sie ihm bei seinem klaren weitsehenden Blick bedeutender, als er sie dem König darzustellen gewagt hatte. Heinrich IV. fuhr fort:
„Vor allen Dingen ist notwendig, dass das spanisch-österreichische Haus eine empfindliche Niederlage erhält. Deutschland ist uns im Wege, es wird uns zu mächtig und muss gedemütigt werden. Nie und nimmer darf das Deutsche Reich eine Monarchie werden wie Frankreich!“

„Das ist allerdings auch meine Ansicht, Majestät!“ bestätigte der Minister, „und eine Demütigung des spanisch-österreichischen Hauses lässt sich umso leichter bewirken, als die protestantischen Fürsten Deutschlands auf unserer Seite sind. Auch auf den Papst, die Schweiz und Savoyen können wir rechnen.“

„Ja!“ meinte Heinrich IV. nachdenklich. „Es fehlt nur an einem Anlass zum Streit.“

„Dies macht mir am wenigsten Sorge,“ bemerkte der Minister. „Das Herzogtum Jülich, welches seit dem Ableben des Herzogs Johann Wilhelm von verschiedenen deutschen Fürsten beansprucht wird, kann uns Veranlassung zur Einmischung geben. Sachsen will es haben, Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg gleichfalls. Unterstützen wir die beiden letzteren in dem zu erwartenden Erbfolgestreit!“ „Gut!“ rief der König aufstehend, „der Vorschlag gefällt mir. Ich ermächtige Euch also, Sully, die Bündnisse mit den deutschen protestantischen Fürsten, mit der Schweiz und Savoyen formell in unserem Namen abzuschließen. Ferner wollen wir eine bedeutende Heeresmacht aufbringen, um für alle Fälle gerüstet zu sein. Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg wollen wir mit 100.000 Mann beistehen. Wenn wir in solch ernster Weise über Deutschlands Angelegenheiten sprechen, wird hoffentlich das Haus Österreich schweigen.“

Sully lächelte: „Majestät! wir haben von dem deutschen Kaiser kein energisches Dreinreden zu erwarten. Rudolf II. reitet lieber seine Pferde, als dass er um die deutschen Länder sich kümmert, beschäftigt sich mehr mit der Vereinigung der Metalle, als mit der der Völker, blickt lieber nach dem Himmel, als auf die Erde, ist überhaupt der trägste und sorgloseste Fürst, der jemals das Deutsche Reich beherrscht hat.“

„Nun — wir wollen sehen!“ schloss der König, „das Feuer muss geschürt werden und wir müssen für alle Fälle gerüstet sein, Sully. Es wird ein langer, ein gewaltiger Krieg werden, ein Krieg zwischen Protestanten und Katholiken. Wir wollen ihn zum Wohle Frankreichs führen und — zum Heile Europas. Wir haben bereits Größeres vollbracht, Sully! Der Herzog von Guise hat die Waffen niederlegen, das hartnäckige Spanien hat nach langem Kampfe Frieden schließen müssen; das Edikt von Nantes hat die Hugenotten beruhigt; die Statthalter der Provinzen sind abgesetzt und werden sich nicht mehr als souveräne Herren gebärden, Handel und Verkehr sind gehoben, Kanäle und Straßen angelegt, Gewerbe und Ackerbau zur Blüte gebracht. Jeder Bauer hat Sonntags sein Huhn im Topfe. In Amerika sind französische Kolonien gegründet. Die Staatsschuld von 330 Millionen ist auf 50 Millionen vermindert und ein bedeutender Staatsschatz aufgehäuft. Das Innere Frankreichs ist gekräftigt und so können wir uns getrost den äußeren Angelegenheiten zuwenden!“

Er nickte dem alten Minister, dessen trefflicher Finanzverwaltung der König alle diese glänzenden
Resultate verdankte, wohlwollend zu, und Sully verließ mit einer tiefen Verbeugung das Arbeitszimmer des Gebieters. — —

Das Haupt zur Erde gebeugt, die Augen nachdenklich auf den Parkettboden gerichtet, bemerkte der durch die Vorzimmer schreitende Minister nicht die schlanke hohe Frauengestalt, welche in einiger Entfernung von ihm hinter der Portiere einer Seitentüre verschwand. Vollauf mit seinen Gedanken beschäftigt, schritt er an derselben vorüber, ohne auch jetzt den in leidenschaftlicher Erregung flammenden Frauenkopf mit den dunkel blitzenden Augen, die ihm drohend nachschauten, zu gewahren. Dann, als er die große Marmortreppe hinabschritt, huschte die schlanke Frauengestalt aus dem Schatten der bauschigen Vorhänge wieder heraus, eilte fast schwebenden Schrittes den Weg zurück, den sie gekommen war und blieb, vor der Türe des unmittelbaren königlichen Vorzimmers angelangt, einen Augenblick wie in rascher Überlegung stehen. Erst als der von der anderen Seite des hohen gewölbten Ganges her sich nähernde Leibgardist sichtbar wurde, klopfte sie mit dem Zeigefinger der rechten Hand leise an das getäfelte Holzwerk.

Gleich daraus wurde die Türe von innen geöffnet. Der Kammerdiener in steifer Galatracht und noch steiferer Haltung trat gemessenen Schrittes der schönen Frau entgegen, machte in einer Entfernung von sechs Schritten einen tiefen Bückling und sagte in einem Tone, aus dem Verlegenheit und Schüchternheit klangen:
„Seine Majestät haben befohlen, Niemand einzulassen. Seine Majestät sind überhäuft mit wichtigen Arbeiten zum Wohle Frankreichs und wollen nicht gestört sein!“

Ein verächtlicher und zornfunkelnder Blick aus den schwarzen Augen der schönen Frau traf den demütig zusammensinkenden Diener, und von den weichen, roten Lippen klang es wutbebend:

„Seine Majestät sind für die Königin von Frankreich immer zu sprechen. Merk Dir's, Sklave!“

Und hastig flog sie an dem erschreckten Diener vorüber, schob die schwere Seidenportiere, welche den Vorsaal von dem eigentlichen Arbeitszimmer schied, bei Seite und stand fast in demselben Augenblick hinter dem Sessel des Königs, der, noch immer in seine welterschütternden Pläne vertieft, von der Annäherung seiner Gemahlin nicht das Geringste bemerkte.

„Sire!“ hauchte sie kaum vernehmbar, indem sie sich leicht über die Lehne beugte.

Aber es erfolgte keine Antwort. Entweder machten die Regierungssorgen den Monarchen für alle äußeren Eindrücke unempfänglich, oder er wollte die Eingetretene nicht hören.

„Henri!“ nahm sie in lauterem Tone das Wort.

Das hatte der König vernommen. Er hob das leicht ergraute Haupt und wandte es der Sprecherin zu. „Madame!“ rief er im Tone unterdrückten Unmuts, „ich hatte den Befehl geben, dass Niemand zu mir gelassen werde. Ich habe höchst wichtige Geschäfte vor und erwarte meine Kabinettsräte jeden Augenblick.“

„Ich bin der Ansicht, Sire!“ versetzte die Königin ruhig, „das Recht, welches der Premierminister Sully hat, steht auch Maria von Medicis zu!“

Der König runzelte die Stirn, aber er unterdrückte die aufwallende Empfindlichkeit. Er war ein zu großer Verehrer der schönen Frauen, um ungalant sein zu können. So erwiderte er denn in leichtem Tone:

„Der Premierminister Sully ist mein rechter Arm, Madame. Er ist ein kenntnisreicher Mann, ein klarer besonnener Kopf, der viel übersieht, viel Gutes beschließt und noch Größeres ausführt.

Frankreich verdankt diesem Manne viel, Madame! ich muss zum Regieren einen Mann von Einsicht, Willenskraft und Entschlossenheit haben, Madame! Frauen kann ich dazu nicht brauchen. Sie kommen erst an die Reihe, wenn die Negierungsgeschäfte erledigt sind!“

„Gabrielle d'Estrée und Henriette d'Entragues wissen davon zu erzählen!“ bestätigte die Königin mit ironischem Lächeln. „Bei alledem, fuhr sie ernster fort und warf das schöne Haupt trotzig empor, „will ich von meinem Rechte als Königin Gebrauch machen. Ich will an der Regierung Teil nehmen, wie andere Königinnen, die oftmals selbstständige Regentinnen sind. Ich will auch gefragt werden in Angelegenheiten, die das Heil Frankreichs betreffen. Ich werde sicher mich den Maßnahmen und Beschlüssen Eurer Majestät anschließen, weil sie die weiseren sind; aber ich will gefragt werden, sei's auch nur der Form wegen. Ich will — mit einem Worte — eine Königin in der Tat sein und keine Schattenkönigin!“

„Gut, Maria!“ rief Heinrich IV. „Ich werde mit Sully darüber sprechen!“

„Sully und immer Sully!“ rief Maria von Medicis. „Ich meine, er hätte in dieser Angelegenheit nichts zu sagen. Ein Wort von Ihnen, Henri, genügt, um mir diejenigen Befugnisse einzuräumen, welche mir als Königin zustehen. Warum lassen Sie sich so vollständig von Ihrem Minister leiten?“

„Weil ich es mit dem Heile Frankreichs verträglicher finde, von einem klugen Minister, als von einer vielleicht von leidenschaftlichem Urteil geleiteten Frau beherrscht zu werden.“

„Lassen wir den Streit über die Suprematie Ihres Ministers oder Ihrer Gemahlin,“ lenkte die Königin ein, „ich weiß, dass wichtige Ereignisse bevorstehen. Sie wollen sich in die in Deutschland ausbrechenden Streitigkeiten mischen und da Sie, obwohl katholisch, mit den protestantischen Fürsten gehen wollen, so dürsten die Ereignisse zu einem Religionskrieg drängen. Während des Krieges werden Sie beim Heere sein. Ich bitte Ew. Majestät also, auf mich unterdes die Regentschaft zu übertragen und mich in aller Form als Regentin krönen zu lassen.“

„Ich werde Ihre Wünsche in Überlegung nehmen, Madame!“ erwiderte Heinrich IV. „Gewähren Sie mir nur einige Tage Bedenkzeit und danach werde ich Ihnen bestimmten Bescheid erteilen!“

Mit diesem Versprechen musste die ehrgeizige Königin sich vorläufig begnügen.

Am folgenden Tage zur bestimmten Stunde erschien Sully wieder beim Könige. Dieser ging über alle ihm von dem Premierminister gemachten Erörterungen und Propositionen mit einer gewissen Hast hinweg und sagte endlich, auf das übergehend, was ihn am meisten beschäftigte:

„Hört, Sully! wir haben im Stillen in Erwägung genommen, ob es ratsam erscheint, die Königin in der Zeit unserer Abwesenheit mit der Regentschaft zu betrauen.“

Sully blickte den Gebieter eine Sekunde lang wie befremdet an. Endlich fasste er sich jedoch und sagte:

„Ich rate Eurer Majestät entschieden nicht dazu. Maria von Medicis ist mehr Intrigantin als Herrscherin, eine entschiedene Feindin der Protestanten, zur Willkür und Verschwendung geneigt. Mögen Eure Majestät bedenken, dass die Zügel der Regierung nur einer festen und sicheren Hand anvertraut werden dürfen!“

„Wir wollen dennoch unserer Gemahlin die Regierung übertragen,“ nahm der König nachkurzem Nachdenken das
Wort. „Wir werden Maria von Medicis instruieren, in unserem Sinne und nach unseren Prinzipien das Zepter zu handhaben und alle Entscheidungen nach Pflicht und
Gewissen zu treffen. Sie ist klug und verständig und wird der Würde unseres Hauses und unseres königlichen Ansehens eingedenk sein. Ich beauftrage Euch, Sully, die Vorbereitungen zur feierlichen Krönung unserer Gemahlin zu treffen!“

Der Minister verbeugte sich und ging auf andere Regierungsfragen über. Er machte die Mitteilung von den erfolgten formellen Abschlüssen der Bündnisse mit den protestantischen deutschen Fürsten und der angeordneten Konzentration der Heeresmassen nach der deutschen Grenze und wurde sodann von dem Monarchen mit allen Zeichen des Wohlwollens und der Zufriedenheit entlassen.

Wenige Tage darauf erkrankte Sully und musste das Bett hüten. Nichts destoweniger nahmen die Unterhandlungen mit dem Papste und Savoyen den gewünschten Fortgang. Die Armeen wurden zusammengezogen, kriegsmäßig ausgerüstet und alle Maßnahmen des königlichen Kabinettes
deuteten auf einen langwierigen und blutigen Krieg.

Mittlerweile wich die rauere Jahreszeit dem sanfteren Wehen des Frühlings. Die Naturprangte im Blütenschmuck des Mais, als der glühendste Wunsch der Königin Maria, ihr Haupt mit der Königskrone geschmückt zu sehen, in Erfüllung gehen sollte.

In der prächtigen Kirche zu St. Denis, der altehrwürdigen Grabstätte der französischen Herrscher, ging die Zeremonie vor sich. Unter dem Jubelruf der Menge wurde Maria von Medicis feierlich zur Regentin gekrönt und strahlend von stolzer Freude und Siegesglück saß sie am Abend beim glänzenden Bankett neben dem König. Dieser war gegen seine Gewohnheit still und einsilbig. Vielleicht zog es wie eine trübe Ahnung durch seine Seele, dass seine Nachgiebigkeit gegen die schöne Frau an seiner Seite böse Früchte tragen könne. Um seine Herrschaft über deutsche Lande auszudehnen, hatte er das Regiment über Frankreich aus der Hand gegeben. Sully hatte nur mit Widerstreben diese letztere Maßnahme gebilligt. In den nächsten Tagen wollte der König zum Heere abgehen. Würde er als glücklicher Sieger heimkehren und das Zepter über ein vergrößertes Frankreich wieder übernehmen, oder war es ihm bestimmt, in den gewaltigen Ereignissen unterzugehen, die er im Begriff stand, heraufzubeschwören?

Der König verbrachte eine unruhige schlaflose Nacht und auch am Morgen hatte seine Stimmung sich nicht geändert. Es drängte ihn, sich mit seinem vertrauten Minister auszusprechen, aber Sully lag noch immer krank und durfte das Zimmer nicht verlassen, weshalb sich der Monarch entschloss, ihn zu besuchen. Gegen 10 Uhr stieg Heinrich IV. in die königliche Staatskarosse, in welcher auch mehrere Minister und Generale Platz nahmen. Als der Wagen in die Straße la Feronnerie einbiegt, fällt der Blick des Königs auf einen Mann, der ein zusammengefaltetes Papier in die Höhe hält. Gütig wie immer gegen seine Untertanen, befiehlt Heinrich dem Kutscher, den Wagen anzuhalten. Der Unbekannte nähert sich und steigt auf den Wagentritt. In dem Augenblick, in welchem der König die Hand ausstreckt, um die Supplik in Empfang zu nehmen, sinkt er, von einem Messerstich in die Brust getroffen, tödlich verwundet zurück. — —

Frankreichs bester König war durch die Hand Ravaillacs gefallen, von welchem letzteren heute noch nicht mit Gewissheit festgestellt ist, ob er ein Werkzeug der Jesuiten oder der leidenschaftlichen ehrgeizigen Königin war.

Der feindselige Plan gegen Deutschland wurde durch diesen tragischen Zwischenfall selbstverständlich unterbrochen. Maria von Medicis war nicht die Frau, die Regierung im Sinne ihres Gatten fortzuführen. Alle Einrichtungen Heinrichs IV. wurden aufgehoben. Sully musste seine Entlassung nehmen. Die von dem König angesammelten Schätze wurden vergeudet. Der von Heinrich IV. vorausgekündigte Religionskrieg wurde jedoch nur um wenige Jahre hinausgeschoben, da sein Nachfolger Ludwig XIII. die Freiheiten der Protestanten noch mehr unterdrückte und schließlich auf ihre gänzliche Vernichtung hinarbeitete. Erst mit dem Kardinal Richelieu begann die feindliche Politik
gegen Deutschland wieder in ihrem vollen Umfange. Hauptsächlich sein Werk ist es, dass im Herbst 1633 ganz Lothringen von Deutschland losgerissen und Frankreich einverleibt wurde, wie er es auch war, der Ludwig XIII. zur Teilnahme an dem dreißigjährigen Kriege veranlasste und das Bündnis mit dem Herzog Bernhard zur Eroberung des Elsasses zu Stande brachte. Das linke Rheinufer war schon damals der Gegenstand französischer Annektionsgelüste und Ludwig XIV. fand es durchaus mit seinem Ausspruche: ,,1'état c‘est moi“ vereinbar, in Deutschland einzubrechen, die zehn Reichsstädte des Elsaßes wegzunehmen, durch Turenne die Pfalz verheeren zu lassen und alles Land zwischen Saar, Wesel und Rhein zur Wüste zu machen. Dem Verwüstungskriege wurde bekanntlich erst durch Englands Einsprache ein Ende gemacht. Von einer Herausgabe des Geraubten war jedoch beim Friedensschluss in Nymwegen im Jahre 1678 keine Rede, vielmehr wurde drei Jahre später auch noch Straßburg mitten im Frieden durch Überfall genommen. Ludwig XIV. glaubte keine Veranlassung zu haben, das unvollendet zu lassen, was sein Großvater, den sein Volk den Besten und Einzigen nannte, angestrebt hatte.

Hoffentlich ist diese Politik Frankreichs nunmehr für immer lahm gelegt. Die Wacht am Rhein wird ihre Vorposten bis in die Vogesen senden und die ursprünglich deutschen Lande Elsaß und Lothringen sind dem deutschen Reiche für immer zurückgegeben.