Die Politik. Was sie ist? Was sie war? Und was sie werden soll? - Was war die Politik?
Aus: Ideen über das politische Gleichgewicht von Europa mit besonderer Rücksicht auf die jetzigen Zeitverhältnisse.
Autor: Butte, Wilhelm (1772-1833) Lehrer, Prinzenerzieher, Pfarrer und Professor für Statistik und Staatswissenschaften, königlich preußischer Regierungsrat, Erscheinungsjahr: 1814
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Europa, Staaten, Staatengemeinschaft, Politik, Politiker, Macht, Recht, Kultur, Idee, Verstand, Gemüt, Staatszweck, Individuum, Vernunft, Gerechtigkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Humanität, Bildung, Bürger, Volk, Wissenschaft, Volksbildung, Selbständigkeit, Widersprüche, Theorie und Praxis, Unrecht, Selbstbestimmung, Unglück, Revolution, Verträge, Konstitution, Staatengemeinschaft, Zeitgeist, Richelieu, Mazarin, Philosophie, Völkerrecht, Eroberer, Napoleon
Unsere Frage würde vielleicht besser so ausgedrückt; unter welcher Gestalt und von welchem Geiste beseelt erscheint die Politik in der Geschichte?
Spuren politischer Tätigkeit finden sich natürlich so weit hinauf in der Geschichte, als diese von Staatenbildungen weiß. Indes hat es kein einziger Staat der alten Welt in der Staatenbildung so weit gebracht, dass er dem heutigen Politiker als Muster dienen könnte, auch ist es sehr natürlich, dass die Verhältnisse der Staaten der alten Welt unter sich mehr bestimmt wurden durch die vorherrschende physische Gewalt, als durch aufgeklärte Reflexion über die Art, auf welche die Staaten zusammenstimmen sollen in Förderung der letzten Zwecke der Menschheit.
Die alte Welt kannte nur Republiken (als Demokratien und Aristokratien) und Despotien; die vollkommenste der Staatsformen, die wahre, konstitutionelle Monarchie, wo sich die Souveränität auf einem Haupte konzentriert, und unter welcher alle untergeordneten Stufen der Stande und Ämter vollständig entwickelt sind, diese Staatsform war der ganzen alten Welt so gänzlich unbekannt, dass sich von ihr auch nicht ein einziges Beispiel findet. Es ist aber eben damit die große Unvollkommenheit der Politik des Innern in den Staaten der alten Welt hinlänglich dargetan. Ich übergehe, wie kein erobernder Staat der alten Welt die Kunst verstand, sich die eroberten Länder durch völlige Gleichstellung der Rechte derselben mit den Rechten der Bewohner der angestammten Länder so einzuverleiben, dass die alten und die neuen Länder je völlig ein Ganzes hatten werden können. Die Römer selbst brachten es, selbst unter dem Drange gebieterischer Umstände, doch nicht weiter, als dass sie den zunächst gelegenen und am meisten begünstigten Provinzen das bekannte jus italicum einräumten, welches nach dem Vollgenuss der Rechte römischer Bürger lüstern machte, ohne die aufgeregte just zu befriedigen.
Die Geschichte fast aller Staaten der neuen Welt bietet im Inneren das Schauspiel des Kampfes dar, in welchem die republikanische Verfassung und ihre Reste zuerst in Herrschaft der Vornehmes, sodann in die Herrschaft eines Einzigen überzugehen trachteten; sodann des Kampfes unter den einzelnen Elementen des Staatsvereins, der Macht, des Rechts und der Kultur. Es kann nicht geleugnet werden, dass die Politik des Inneren in neuerer Zeit große Fortschritte machte, doch würde man der Wahrheit zu nahe treten, wenn man behaupten wollte, dass auch nur ein einziger größerer Staat erfunden werde, dessen Politik im Inneren geraume Zeit hindurch so beschaffen gewesen wäre, dass man sehe, wie er immerdar die Erreichung des deutlich gedachten Staatszwecks im Auge gehabt habe.
Was die Politik der äußeren Verhältnisse betrifft, so brachte es zwar die fortschreitende Wissenschaft zu einer etwas bedeutenderen Erkenntnis der Grundsätze, durch deren Herrschaft allein sie einen festeren, der Menschheit heilsamen Gang gewinnen kann. Man findet diese Fortschritte bezeichnet, zunächst in den Schriften über Völkerrecht und Heiligkeit der Verträge. Weit mehr aber, als diese geringen Fortschritte der Wissenschaft gut machen konnten, zerstörte das böse Beispiel, welches, unter den am meisten zivilisierten Staaten, besonders Frankreich durch Richelieu und Mazarin gab, ein Beispiel, das fast von allen nachgeahmt wurde, so gut ihre meistens weit eingeschränktere Lage Nachahmung erlaubte.
Seit den Zelten dieser beiden Minister erging es dem Worte „ Politik“, wie es späterhin den Worten Aufklärung und Philosophie ging: gestempelt für die höheren und teuersten Interessen der Menschheit, aber gemissbraucht von Leidenschaft und Konvenienz, gewöhnte man sich nach und nach, Dinge unter ihren Begriff gestellt zu sehen, die gänzlich dasjenige entstellten, was darunter gehörte. Jedermann weiß, wie die Politik insbesondere sich nach und nach fast gänzlich von dem Rechte lostrennte, und wie man überall darauf gefasst war, Politiker nur auf die Art von dem Rechte reden zu hören, wie Heuchler von der Tugend. Die wenigen Ausnahmen, die vorkommen, gehören entweder Staaten an, die sich auf das Recht beriefen, — weil ihnen die Macht gebrach, es zu verletzen, oberste verlieren sich ganz unter der Menge, welche die Regel bildet.
Indes drängten das revolutionierte Frankreich und Napoleon das, was viele Kabinette sich bis jetzt doch nur einzeln, mehr im Kleinen, noch immer einigen Schein des Rechts schonend, nicht selten durch gebieterische Umstände verleitet, endlich unter Zulassung bedeutender Zwischenräume hatten zu Schulden kommen lassen, das alles, sage ich, drängten sie polternd, gewaltsam, ohne alle Rücksicht auf jede übliche Form, fremde Beschwerden so wenig achtend, als der eigenen feierlichst getanen Zusagen in den engen Zeitraum weniger Jahre zusammen. Jetzt wurden endlich die Mächte jedes Ranges aufgeschreckt über das, was ein kühner Eroberer fähig war, in dem Geiste der alten europäischen, ursprünglich französischen, Vergrößerungspolitik zu verüben, und so gebar die Schreckenszeit, die wir erlebten, die bessere Zukunft, deren wir von dem Tage bei Leipzig an mit Zuversicht entgegen sehen dürfen.
Spuren politischer Tätigkeit finden sich natürlich so weit hinauf in der Geschichte, als diese von Staatenbildungen weiß. Indes hat es kein einziger Staat der alten Welt in der Staatenbildung so weit gebracht, dass er dem heutigen Politiker als Muster dienen könnte, auch ist es sehr natürlich, dass die Verhältnisse der Staaten der alten Welt unter sich mehr bestimmt wurden durch die vorherrschende physische Gewalt, als durch aufgeklärte Reflexion über die Art, auf welche die Staaten zusammenstimmen sollen in Förderung der letzten Zwecke der Menschheit.
Die alte Welt kannte nur Republiken (als Demokratien und Aristokratien) und Despotien; die vollkommenste der Staatsformen, die wahre, konstitutionelle Monarchie, wo sich die Souveränität auf einem Haupte konzentriert, und unter welcher alle untergeordneten Stufen der Stande und Ämter vollständig entwickelt sind, diese Staatsform war der ganzen alten Welt so gänzlich unbekannt, dass sich von ihr auch nicht ein einziges Beispiel findet. Es ist aber eben damit die große Unvollkommenheit der Politik des Innern in den Staaten der alten Welt hinlänglich dargetan. Ich übergehe, wie kein erobernder Staat der alten Welt die Kunst verstand, sich die eroberten Länder durch völlige Gleichstellung der Rechte derselben mit den Rechten der Bewohner der angestammten Länder so einzuverleiben, dass die alten und die neuen Länder je völlig ein Ganzes hatten werden können. Die Römer selbst brachten es, selbst unter dem Drange gebieterischer Umstände, doch nicht weiter, als dass sie den zunächst gelegenen und am meisten begünstigten Provinzen das bekannte jus italicum einräumten, welches nach dem Vollgenuss der Rechte römischer Bürger lüstern machte, ohne die aufgeregte just zu befriedigen.
Die Geschichte fast aller Staaten der neuen Welt bietet im Inneren das Schauspiel des Kampfes dar, in welchem die republikanische Verfassung und ihre Reste zuerst in Herrschaft der Vornehmes, sodann in die Herrschaft eines Einzigen überzugehen trachteten; sodann des Kampfes unter den einzelnen Elementen des Staatsvereins, der Macht, des Rechts und der Kultur. Es kann nicht geleugnet werden, dass die Politik des Inneren in neuerer Zeit große Fortschritte machte, doch würde man der Wahrheit zu nahe treten, wenn man behaupten wollte, dass auch nur ein einziger größerer Staat erfunden werde, dessen Politik im Inneren geraume Zeit hindurch so beschaffen gewesen wäre, dass man sehe, wie er immerdar die Erreichung des deutlich gedachten Staatszwecks im Auge gehabt habe.
Was die Politik der äußeren Verhältnisse betrifft, so brachte es zwar die fortschreitende Wissenschaft zu einer etwas bedeutenderen Erkenntnis der Grundsätze, durch deren Herrschaft allein sie einen festeren, der Menschheit heilsamen Gang gewinnen kann. Man findet diese Fortschritte bezeichnet, zunächst in den Schriften über Völkerrecht und Heiligkeit der Verträge. Weit mehr aber, als diese geringen Fortschritte der Wissenschaft gut machen konnten, zerstörte das böse Beispiel, welches, unter den am meisten zivilisierten Staaten, besonders Frankreich durch Richelieu und Mazarin gab, ein Beispiel, das fast von allen nachgeahmt wurde, so gut ihre meistens weit eingeschränktere Lage Nachahmung erlaubte.
Seit den Zelten dieser beiden Minister erging es dem Worte „ Politik“, wie es späterhin den Worten Aufklärung und Philosophie ging: gestempelt für die höheren und teuersten Interessen der Menschheit, aber gemissbraucht von Leidenschaft und Konvenienz, gewöhnte man sich nach und nach, Dinge unter ihren Begriff gestellt zu sehen, die gänzlich dasjenige entstellten, was darunter gehörte. Jedermann weiß, wie die Politik insbesondere sich nach und nach fast gänzlich von dem Rechte lostrennte, und wie man überall darauf gefasst war, Politiker nur auf die Art von dem Rechte reden zu hören, wie Heuchler von der Tugend. Die wenigen Ausnahmen, die vorkommen, gehören entweder Staaten an, die sich auf das Recht beriefen, — weil ihnen die Macht gebrach, es zu verletzen, oberste verlieren sich ganz unter der Menge, welche die Regel bildet.
Indes drängten das revolutionierte Frankreich und Napoleon das, was viele Kabinette sich bis jetzt doch nur einzeln, mehr im Kleinen, noch immer einigen Schein des Rechts schonend, nicht selten durch gebieterische Umstände verleitet, endlich unter Zulassung bedeutender Zwischenräume hatten zu Schulden kommen lassen, das alles, sage ich, drängten sie polternd, gewaltsam, ohne alle Rücksicht auf jede übliche Form, fremde Beschwerden so wenig achtend, als der eigenen feierlichst getanen Zusagen in den engen Zeitraum weniger Jahre zusammen. Jetzt wurden endlich die Mächte jedes Ranges aufgeschreckt über das, was ein kühner Eroberer fähig war, in dem Geiste der alten europäischen, ursprünglich französischen, Vergrößerungspolitik zu verüben, und so gebar die Schreckenszeit, die wir erlebten, die bessere Zukunft, deren wir von dem Tage bei Leipzig an mit Zuversicht entgegen sehen dürfen.