Abschnitt 2

IV.


Über den Erfolg dieser Gesuche sind wir nicht unterrichtet. Es wird aber wenig dabei herausgekommen sein. Denn als Graf Compans, der Präsident des Conseils, im Februar 1811 nach Paris reisen wollte, hat der Erbprinz unter Bezugnahme auf jenes Schreiben Brandensteins ihn von neuem um seine Verwendung. Es war damals die Zeit der Lizenzen angebrochen, durch die Napoleon - wider seine eigenen Verordnungen - in Einzelfällen den Handel selbst nach England gestattete. Natürlich gegen eine ziemliche Gebühr. Der Erbprinz meinte, von Lizenzen könne der mecklenburgische Handel seiner Natur nach keinen Gebrauch machen. Diese seien für den direkten wertvollen Handel mit Eengland berechnet.


Am 27. Februar 1811 sandte der Erbprinz dem Prinzen Eckmühl auf dessen Erfordern eine eingehende Denkschrift wegen der Ausfuhr einheimischer Produkte. Leider habe ich diese Denkschrift bisher nicht gefunden. Sie würde jedenfalls wichtige Aufschlüsse über die damalige wirtschaftliche Lage des Landes geben.

Im Juli 1811 neigte man in Ermangelung eines Besseren auch in Mecklenburg dazu, französische Lizenzen zu nehmen. Man hatte in Erfahrung gebracht, daß der Kaiser Lizenzen zur Getreideausfuhr über See den Departements der Elb- und Wesermündung bewilligt habe, und wünschte nun die Ausdehnung dieser Wohltat auch aus Mecklenburg. Dort hatten die Armut und die Bankerotte der Landbewohner dem Herzog selbst ungeheure Verluste gebracht. Er war zu den peinlichsten Einschränkungen gezwungen, um die Gagen und Pensionen seiner Diener bezahlen und den Staatsausgaben genügen zu können.

Inzwischen hatte bereits der Gesandte v. Lützow erfolgreich bei dem französischen Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, Duc de Bassano, gewirkt und konnte darüber am 19. und 20. Juli nach Hause berichten. Der Kaiser wollte die Ausfuhr von Getreide aus Danzig, Schwedisch-Pommern, Mecklenburg und den Hansestädten auf Lizenzen gestatten, deren Preis nach der Größe des Schiffes auf Tonnen und Lasten, nicht nach der Ladung berechnet wurde. Zur Ausfuhr war Korn bestimmt. Die Schiffe durften an Rückfracht nordische Produkte nehmen, welche zum Schiffsbau gebraucht werden, da man beabsichtigte, Schiffswerfte bei Hamburg und Lübeck anzulegen. Kolonialwaren durften in Rückfracht nicht angenommen werden, ebensowenig englische Fabrikate, falls das lizenzierte Schiff Korn nach England brachte. Man verkannte französischerseits zwar nicht, daß dadurch ein Handel mit England in beschränktem Umfang wieder entstand. Aber der Kaiser wollte, daß England seinen Bedarf an Getreide nur mit einem möglichst hohen Preis decken könne. Den Nutzen von den Lizenzen sollten die verbündeten Souveräne und ihre Kassen haben. Am 9. August übersandte Lützow drei solcher Lizenzen in blanco zur Verteilung an die Kaufmannschaft in den Seestädten. Sie fanden sogleich Absatz, konnten dann aber nicht benutzt werden, weil die französischen Douanen dem Auslaufen der Schiffe Hindernisse in den Weg legten. Neue Vorstellungen in Paris hatten Anfang Oktober 1811, womit unsere Akten abbrechen, noch keinen Erfolg gehabt.

Wenig stimmte zu dem ganzen Lizenzsystem die Härte, mit welcher die Franzosen bei vermuteten oder wirklichen Übertretungen der Sperrgesetze gegen die Übeltäter vorgingen. Ich mochte zum Beleg nur den Fall Mann anführen. Im Mai 1811 wurden der dänische Konsul Johann Bernhard Mann und sein Neffe Vincent Sigismund plötzlich verhaftet und als Staatsgefangene erst nach Hamburg, dann auf die Festung Wesel, schließlich nach Paris geschleppt. Gründe für die Verhaftung: Der Konsul sollte für englische Rechnung Getreide ausgekauft und 1810 auf einer englischen Fregatte vor Warnemünde gewesen sein. Dem Neffen warf man vor, er habe die Insel Anholt zu verproviantieren beabsichtigt und sich auch sonst an den Handelsunternehmungen seines Onkels beteiligt. Die Haussuchung förderte nichts Verdächtiges zu Tage, doch hatte der Konsul keine Geschäftsbücher vorzulegen und sie vielleicht vorher vernichtet. Das gesamte Getreide der beiden Kaufleute wurde vor dem Spruch konfisziert und an die 2. französische Division in Stettin abgeliefert.

Die Untersuchung in Paris zog sich trotz der Bemühungen Lützows ein ganzes Jahr hin; dann erstattete die Untersuchungskommission einen günstigen Bericht über beide Männer an den Kaiser. Dieser verfügte jedoch mit lakonischer Kürze auf dem Schriftstück: qu'on renvoye le neveu, qu'on garde l'oncle. Und so geschah es. Der Konsul mußte weiter im Gefängnis schmachten, bis Lützow im Februar 1813 feine Überführung in ein Krankenhaus durchsetzte. Im Februar 1814 schlug dann auch seine Befreiungsstunde, nachdem sich seine völlige Unschuld herausgestellt hatte. Einen Ersatz für seine erheblichen Verluste konnte er jedoch nicht von der französischen Regierung erlangen.




Lange bevor dies letzte mecklenburgische Opfer der Kontinentalsperre in Freiheit gesetzt wurde, war das ganze System in sich zusammengebrochen. Als im Oktober 1812 die Nachricht von dem Brande Moskaus nach Mecklenburg kam, ergriff die Truppen der Küstenwacht schon eine merkliche Unruhe. Man fürchtete täglich die Landung der Engländer. Deshalb versah man die Posten mit geeigneten Signalen, um die Ankunft des Feindes rechtzeitig melden zu können. Des Nachts sollten Bäume entzündet werden, die mit Stroh umwunden waren und an der Spitze Teertonnen trugen; am Tage sollten sie 2 weiße Fahnen aufziehen. Aber die befürchtete Landung blieb aus.

Am 19. Dezember 1812 verstand sich die Regierung auf den Wunsch des französischen Obersten Ducasse nochmals dazu, das Verbot des Schleichhandels zu erneuern. Ja, man übte die Rücksicht noch soweit, daß man aus der Verordnung einen Satz fortließ, der von der bevorstehenden Aufhebung der französischen Küstenbesetzung sprach, weil man nach Ansicht des Geh. Rats-Präsidenten damit möglicherweise die Franzosen verletzt hätte.

Anfang 1813 wurde es dann wirklich Ernst mit dem Abmarsch. Vorbereitungen fanden bereits im Januar statt: Das Lager bei Barnstorf wurde dem Amtshauptmann Steinfeld übergeben und von Bauern bewacht. Dazu wurden die letzten konfiszierten Waren aus der Heil. Geistkirche von Douaniers fortgeschafft. Im Februar trafen die 4 metallenen Kanonen des Herzogs aus Warnemünde wieder in Rostock ein. Die Garnison erhielt scharfe Patronen. 30 vierspännige Wagen mußten täglich auf der alten Reitbahn bereit stehen und die großen Ställe hinter dem Palais wurden zum Biwak für 200 Mann hergerichtet.

Am 10. März des Nachts gegen 1 Uhr, so meldet die Pfarrchronik, zogen die Franzosen in aller Stille von der Redoute in Warnemünde ab, nachdem sie die Kanonen vernagelt, Munition und überflüssigen Proviant zerstört und das Douanenboot versenkt hatten. In Rostock schloß sich das Kommando an die dortige Garnison an, die auf ihrem Rückzuge am 13. März die Truppen aus Wismar aufnahm. In der Wendorfer Redoute wurde eine Tagelöhnerwache eingerichtet.