Abschnitt 4

III.


1810 entfalteten die Engländer an der Küste eine noch regere Tätigkeit als im Vorjahr. Es veranlaßte sie dazu das unverschämte Gebaren der französischen Kaper, die fast kein Handelsschiff ungeschoren ließen. Vor Warnemünde tummelten sich damals die Kaper Wagram, Juliana, Perpetua und Turet, von denen die Juliana am 29. April bei Alt-Gaarz den Engländern die Hände fiel. Die Kapermannschaft konnte sich nur durch eilige Flucht in den Booten retten. Mit den mecklenburgischen Truppen suchten die Engländer hingegen jeden unnötigen Zusammenstoß zu vermeiden. Das zeigt deutlich ein Ereignis, das sich am 22. Mai bei Kagsdorf zutrug. Dort waren zwei englische Kriegsschiffe vor Anker gegangen und hatten unter weißer Flagge 50 Mann Landtruppen und ebensoviel Matrosen gelandet. Sie wünschten ihren Trinkwasservorrat zu ergänzen. Obgleich sie nun leicht gegen das dortige kleine Kommando Gewalt hätten brauchen können, kehrten sie unverrichteter Sache um, als ihnen der Leutnant gemäß seiner Instruktion die Landung verbot. Die Franzosen hätten, wie General v. Fallois dem Herzog erklärte, zweifellos anders gehandelt. Sie wären nicht ohne frisches Wasser abgefahren und hätten nötigenfalls die ganze Gegend gesengt und geplündert.


Im Juni des Jahres verschuldete der Übermut der Kaper eine Landung in Warnemünde. Es war am 3. Juni abends ein leck gewordenes Schiff mit englischen Waren, von Philadelphia nach Petersburg bestimmt, auf der Warnemünder Reede angelangt und um Mitternacht von dem Kaper Turet aufgebracht worden. Da verlangten die Engländer am folgenden Tage unter Parlamentärflagge die Auslieferung des Schiffes und Kapers. Als dies verweigert wurde, kamen sie alsbald mit 7 stark bemannten Barkassen auf den Hafen zu. Der Leutnant v. Kardorff suchte ihnen mit seinen 27 Soldaten und den Kaperleuten die Landung zu wehren. Er mußte aber bald der Übermacht weichen, als die Engländer mit Kanonen feuerten, wobei ein Geschoß durch das Dach der Kirche schlug. Seine Mannschaft warf zum Teil Gewehre und Tornister fort und flüchtete kopflos auf die Dörfer. Mit dem Rest zog sich der Leutnant auf Gr.-Klein zurück. Sobald die Nachricht von diesen Ereignissen durch die Husaren nach Rostock gelangte, zog Fallois sogleich das ganze 2. Bataillon aus 140 Mann und 2 Feldstücken zusammen, um die Engländer wieder aus Warnemünde herauszuwerfen. Er kam aber nur bis Lütten-Klein. Da erreichte ihn die Meldung, daß die Engländer mit Prisen- und Kaperschiff auf und davon gefahren wären.

Wenige Tage später, am 10. Juni, griffen die Engländer abermals in großer Zahl das nur um einige Leute verstärkte Kommando in Warnemünde an. Sie warfen es zurück und bemächtigten sich eines dreimastigen amerikanischen Prisenschiffes, das seit 6 Wochen gelöscht, abgetakelt und ohne Steuerruder im Hafen lag. Man wollte verhindern, daß das Schiff als Kaper ausgerüstet werde. Damals fuhr eine englische Barkasse stromaufwärts bis zur Vogtei und hielt dort Haussuchung nach den Segeln und Tauen des Amerikaners; allerdings vergeblich, da diese sich in Rostock befanden. Bei dieser Gelegenheit erklärte der englische Offizier dem Vogt, er habe Befehl, wenn wieder Kaper ausgerüstet würden, sie herauszuholen und bei Widersetzlichkeit den Ort in Brand zu schießen. Im Munde der Leute vergrößerte sich dann die Gefahr zusehends. Es hieß, die Engländer könnten durch ein Signal leicht 50 Barkassen herbeirufen und wollten sich die Prisen selbst aus Rostock holen.

Da nun damals zwei Linienschiffe erster Größe, die Fregatte Fisguard, die den Angriff auf Warnemünde gemacht hatte, und eine Kutterbrigg vor dem Hafen lagen. so erschien bei günstigem Wind tatsächlich eine Expedition nach Rostock nicht unmöglich. Die Folge war, daß die Warnemünder aus Furcht vor einem Bombardement auf die Dörfer landeinwärts flohen. In Rostock organisierte der Major eiligst die Verteidigung. Des Nachts wurden Piketts in Marienehe und Gehlsdorf zum Rekognoszieren aufgestellt. Bei Tage waren ununterbrochen zwei Junker und ein Feldwebel auf dem Jakobiturm und beobachteten mit Fernrohren, was in der See und bei Warnemünde vorging. Je zwei Kanonen am Kröpeliner Tor und auf der Fischerbastion sollten den Eingang der Warnow beschießen. Die Garnison hatte scharfe Munition und war bereit, sich beim ersten Wink auf dem Alarmplatz einzufinden.

So war man am 11. und 12. Juni gegen einen Handstreich der Engländer gerüstet. Dann stellte sich heraus, daß englische Matrosen bei der Abfahrt aus dem Hafen aus Großtuerei von einem Zug gegen Rostock gesprochen und die ganze Aufregung verschuldet hatten. Die englischen Schiffe fuhren am 16. Juni in der Richtung auf den Darß ab.

Noch mehrmals sind die Engländer im Laufe des Jahres 1810 gelandet, so bei Rethwisch, Alt-Gaarz, zwischen Kieler Ort und Wustrow, auf Fischland, bei Brunshaupten, bei Fährdorf, Golwitz und Brandenhusen auf Poel und schließlich bei Boltenhagen. Ihre Absicht war, Proviant und Wasser zu erlangen. Und nicht selten erreichten sie dieselbe. Auf Poel erbeuteten sie bei einer Landung 2 Stück Rindvieh, 70 Gänse und einen Kahn mit Holz. Zu einem Gefecht ist es nur einmal noch gekommen. Bei Boltenhagen hatte ein englischer Kutter zwei Kauffahrteiboote auf den Strand gejagt und wollte sich ihrer bemächtigen, als die verstärkten Kommandos von Boltenhagen und Tarnewitz ihn befeuerten. Da antwortete der Kutter mit Kartätschen, zog sich aber schnell zurück.

Auch in den beiden folgenden Jahren 1811 und 1812 stand das Kaperunwesen an der mecklenburgischen Küste in Blüte. Das Aufbringen der Handelsschiffe und die Wegnahme einiger waghalsiger Kaper durch die Engländer bietet aber zu wenig interessante neue Momente, als daß eine Besprechung verlohnte.