Abschnitt 3
III.
Die Erklärung des Generalprokurators war wohl schon von der Stellungnahme des Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten, Duc de Cadore, beeinflußt, der offiziell die Forderung erhob, den Vizekonsul in Rostock nach Belieben schalten und walten zu lassen. Nachdem er schon zu Anfang April gelegentlich eines Mahles, das er den Gesandten deutscher Fürsten der zweiten Bank gab, zu Lützow Andeutungen über die Unzufriedenheit des Kaisers mit dem Herzog gemacht hatte, schrieb er ihm am 18. April in ziemlich scharfen Ausdrücken, daß die mecklenburgischen Behörden sich in dreierlei Weise gegen die Regeln des Rechts vergangen hätten: Sie hätten in Warnemünde die Reede auf eine deutsche Meile ausgedehnt, während sie nur bis Kanonenschußweite reiche. Sie bereiteten dem französischen Konsul in Rostock fortgesetzt Schwierigkeiten bei Erfüllung seiner Pflichten, obgleich dem Staat, in dessen Namen und Auftrag die Prisen gemacht würden, ausschließlich das Recht zustehe, sie zu verwalten, d.h. über ihre Erhaltung zu wachen, über sie zu richten und nach der Verurteilung über sie zu verfügen. Schließlich verlangten die Behörden die Vorlegung der Kaperbriefe, wiewohl doch kein Kaper an der Ausführung seines Auftrages gehindert werden könne.
Inzwischen hatte das mecklenburgische Ministerium, von Lützow durch regelmäßige Berichte über die Ansichten in Paris unterrichtet, es für zweckmäßig gehalten, sich direkt mit dem Konsul in Verbindung zu setzen und die Streitigkeiten zwischen ihm und dem Militärbureau aus der Welt zu schaffen. Durch völliges Nachgeben auf Seiten des Herzogs wurde dann ein Übereinkommen erzielt, das in den neuen Verhaltungsbefehlen an die Militärbureaus vom 28. April 1810 seinen Ausdruck fand:
1. Schiffe, die auf der Reede genommen werden, müssen zurückgegeben werden, worauf der Konsul gemeinschaftlich mit dem Militärbureau eine Untersuchung über die Rechtmäßigkeit der Prise anstellt. Als Reede ist nach den neuesten französischen Anordnungen die Tragweite eines Kanonenschusses, also ungefähr die Distanz einer halben französischen Lieue von der Küste anzunehmen.
2. Ein Kaper, der zum ersten Mal in einen Hafen einläuft oder einen neuen Kaperbrief hat, soll diesen dem in dem Hafen kommandierenden Offizier vorzeigen, ohne ihn abzugeben. Der französische Konsul ist dagegen bereit, jedesmal nach der von ihm vorgenommenen Verifikation des Kaperbriefes seine Erklärung über die Gültigkeit und Richtigkeit desselben dem Militärbureau zugehen zu lassen.
3. Über alle fremden Schiffe, die von französischen Kaperschiffen im offenen Meer gekapert sind, steht dem französischen Konsul eine ungehinderte Verfügung zu. Alle Reklamationen dagegen sind an das Conseil des Prises zu richten.
4. Der Verkauf der vorstehenden Prisen wird lediglich von dem Konsul vorgenommen; jedoch muß davon vorher Anzeige beim Herzog oder bei den Militärbureaus durch den Konsul geschehen.
5. Sind die gekaperten Schiffe oder deren Ladung aber mecklenburgisches Eigentum, so geschieht die Instruierung des ganzen Verfahrens zwar auch von dem Konsul, jedoch nur mit Zuziehung eines Mitgliedes oder Deputierten vom Militärbureau. Bis zu erfolgter Entscheidung sollen die Aufsicht und die Sicherheitsverfügungen von dem Konsul in Gemeinschaft mit dem Militärbureau geschehen.
6. Auslaufenden Schiffen wird überlassen, ein Certifikat vom französischen Konsul zu nehmen. Dieser hat bestimmt erklärt, daß solche Certifikate imstande sind, gegen alle Anfechtungen und Verfolgungen der französischen Kaper zu schützen.
So konnte der Herzog nach Eingang des Cadoreschen Schreibens sogleich nach Paris melden, daß alle Punkte bereits in der gewünschten Weise geregelt seien. Es stellte sich dabei heraus, daß das Ministerium in dem Wunsche, Desbordes durchaus zufrieden zu stellen, über das nötige Maß der Nachgiebigkeit hinausgegangen war; denn Lützow wurde aus dem Seedepartement kund getan, daß die Reede nach französischer Anschauung auf Kanonenschußweite reiche, was einer ganzen (nicht einer halben) Lieue de France oder einer halben deutschen Meile entspreche. Die ganzen Verhandlungen sind recht bezeichnend für die Ohnmacht unserer Regierung den französischen Machthabern gegenüber.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Napoleonische Kontinentalsperre in Mecklenburg (1806-1813)