Abschnitt 2

III.


Das Jahr 1809 brachte in den Verkehrsverhältnissen zur See keine Besserung. Die Engländer nahmen im Mai manche Rostocker Schiffe weg, die sich hinausgewagt hatten. Sie zeigten sich auch während des Sommers häufig an der Küste, ohne allerdings die Häfen zu blockieren. Sie pflegten die Handelsschiffe unter Konvoi ihrer Kreuzer zu nehmen und durch gefährdete Seestriche hindurchzugeleiten. Die Handelsschiffe erhielten dann zu ihrem Ausweis eine Konvoiflagge an die Spitze des Mastbaumes und zu ihrem Gebrauch eine Instruktion über die englischen Signale.


Solange englische Kriegsschiffe in Sicht oder gar in der Nähe waren, wagten sich die französischen Kaper nicht weit aus dem Hafen heraus. Sie beschränkten sich auf Kapereien an der Küste. Diese warfen aber auch hinreichenden Gewinn ab, als die Kaper unter allerhand Vorwänden schonungslos auf ankommende und abgehende Schiffe losgingen. Ende 1809 waren bereits mehrere unerhörte Übergriffe vorgekommen. Das veranlaßte den Herzog, zu verbieten, daß ein Kaper vor 24 Stunden nach Abfahrt des letzten Schiffes in See stechen dürfe. Dies Verbot führte nun bald zu heftigen Streitigkeiten. Der französische Vizekonsul beschwerte sich im Interesse des Kapers Wagram beim Herzog. Er meinte, mit einem solchen Verbot könne man die Kaper tagelang aufhalten, wenn man nur in langen Zwischenpausen die Handelsschiffe abgehen lasse. Zwar entgegnete der Herzog, daß in dem Verbot selbstverständlich das letzte Schiff vor Ankündigung der Abfahrt der Kaper gemeint sei. Er schränkte aber doch, um Weitläufigkeiten zu vermeiden, das Verbot zu Gunsten der französischen Kaper ein. Sie durften künftig auch vor Ablauf der 24 Stunden in See gehen, wenn sie die Ursache dazu in jedem einzelnen Fall angeben würden.

Inzwischen hatte sich der Kaper Wagram vor den Hafen vor Anker gelegt und angefangen, eine Art Polizeiaufsicht über die Schiffahrt auszuüben. Der Vizekonsul erklärte auf die Beschwerde des Militärbureaus: Es sei in Warnemünde keine Reede bezeichnet, also auch keine zu beachten. Die Folge war, daß man am 7. und 8. Nov. 1809 die Warnemünder Reede maß und mit Tonnen bezeichnete. Diese wurden auf einer Linie verankert, die sich von der Spitze der Rostocker Heide, Heideort genannt, bis zur Stolteraa erstreckte und von Warnemünde eine mäßige halbe Meile entfernt war. Bei den Arbeiten wurde der Kapitän v. Colleville fast von einer englischen Schaluppe gefangen.

Recht anfechtbar war das Verhalten des Wagram bei seinen Kapereien. Davon nur einige Beispiele. Am 31. Oktober 1809 brachte er ein Rostocker Schiff „Die zwei Gebrüder“ auf, mit einer Ladung schwedischer Kohlen und Eisen, das wegen widrigen Windes vor Warnemünde vor Anker gegangen war. Es stellte sich heraus, daß man dem Schiffer Versprechungen gemacht hatte, wenn er aussage, das Schiff wäre unter englischem Konvoi gefahren.

Am 25. November fiel dem Kaper das Schiff „Die Frau Anna“ in die Hände, das eine wertvolle Ladung von Wein, Kaffee und Zucker von Schweden nach Wismar brachte. Das Schiff war bei Warnemünde auf Strand geraten und es war nicht ausgemacht, ob die Beschlagnahme nicht erst nach der Strandung geschehen sei.

Am 28. November brachte Wagram ein preußisches Schiff „Magdalena“, mit Zucker, Pfeffer usw. nach Liebau bestimmt, ein. Es wurde zu Protokoll festgestellt, daß der Kaperkapitän dem Schiffer mehrmals 1500 Tlr. für eine günstige Aussage geboten hatte, die eine Beschlagnahme des Schiffes gerechtfertigt hätte.

Aue diese Vorfälle bestimmten den Herzog, am 2. Dezember 1809 eine Verordnung über die Prisenuntersuchungen zu erlassen. Diese sollten durch mecklenburgische Behörden erfolgen, 1. wenn es sich um mecklenburgische Schiffe oder Eigentum handele, 2. wenn die Rechtmäßigkeit der Prise unter Bezugnahme auf landesherrliche Rechte angefochten werde. Solche Rechte kämen in Frage, sobald das Schiff auf der Reede oder nach der Besetzung durch mecklenburgisches Militär genommen sei oder die Richtigkeit des Kaperbriefes bezweifelt werde. In allen anderen Fäden wollte man sich in die Untersuchung nicht einmischen.

Damit war jedoch dem französischen Vizekonsul Desbordes 15) in Rostock, der über Rechtmäßigkeit und Gültigkeit der Prisen in allen Fäden allein entscheiden wollte, wenig gedient. Als daher die Angelegenheit des Kapers Wagram vor das Conseil des Prises gebracht wurde, und ein gewisser Wolff, der sich als Armateur des Kapers ausgab, persönlich nach Paris reiste, um dort gegen Mecklenburg Stimmung zu machen, unterstützte ihn Desbordes auf das Bereitwilligste. Bald gingen in Paris schlimme Gerüchte über den Herzog um. Man erzählte sich, daß der Herzog französischen Behörden Vorschriften mache, daß eine Verständigung mit mecklenburgischen Behörden überhaupt nicht möglich sei, und daß häufig verbotene Waren auf Poel gelandet und von dort aus über Wismar eingeführt würden.

Es lag auf der Hand, daß diese Gerüchte in keiner Weise begründet waren. Der Herzog schrieb durchaus glaubhaft an seinen Vertreter in Paris, den Oberhofmeister v. Lützow, daß vielleicht in einzelnen Fällen von den Kaufleuten ein Warenschmuggel getrieben werde, dieser aber ohne jegliche Bedeutung sei. Lasse man in der strengen Aufsicht über die Kaper nach, so wären sie es gerade, die sich mit den Kaufleuten verständigten, um Schiffe aufzubringen und so englische und Kolonialwaren ins Land zu schaffen. Auch der General Molitor konnte bezeugen, daß an keiner Küste mit solcher Strenge gegen Konterbande vorgegangen werde als an der mecklenburgischen. Trotzdem gelang es Lützow nicht, die von Desbordes und Wolff bearbeiteten Ministerien zu einer anderen Auffassung zu bringen und im Conseil des Prises einen Freispruch für die gekaperten drei Schiffe zu erlangen. Wo Lützow auch unter der Hand anfragte, überall wurde ihm der Rat zuteil, der Herzog möge die Aufsicht an der mecklenburgischen Küste nicht zu streng handhaben, sondern alles mehr als bisher gehen lassen; dann würden die Streitigkeiten mit französischen Konsuln und Behörden schon aufhören. Keineswegs aber möge man, wie der Herzog es wünschte, die Entscheidung des Kaisers darüber anrufen, wie der Herzog sich in der Kaperangelegenheit zu verhalten habe. Wäre seit Begründung des Rheinbundes eine Regelung der Seeangelegenheiten für deutsche Häfen bisher noch nicht erfolgt, so könnte jetzt leicht bestimmt werden, wie weit das französische Protektorat die landesherrlichen Rechte abändere und schmälere. Und weiter mußte sich Lützow davon überzeugen, daß das Conseil des Prises in seinen Urteilssprüchen keineswegs frei vorgehen konnte, sondern sich nach den Wünschen des Kaisers zu richten hatte. Am 21. März erfolgte die Verurteilung der „Magdalena“; und als Lützow am 7. Mai Gelegenheit fand, mit dem Generalprokurator des Gerichtshofes zu sprechen, da erfuhr er, daß auch die „Frau Anna“ nicht zu retten sei, und daß man wegen der „Zwei Gebrüder“ den Reedern dringend zum Vergleich mit dem Armateur des Kapers rate, bevor die Sache zum förmlichen Spruch beim Conseil des Prises komme.




15) Vorher Sekretär des französischen Ministers de Bourienne, wird im Mai 1808 Vizekonsul in Rostock, stirbt 14. Mai 1810. Ihm folgt, nachdem der Konsulatssekretär Certain kurze Zeit provisorisch die Geschäfte geführt hat, der Vizekonsul Couteaur, der bis 1813 im Amte bleibt. Infolge des allgemeinen Abzugs der Franzosen verläßt auch er Rostock in der Nacht vom 13./14. März 1813.