Abschnitt 1

III.


Lange bevor die Redouten den Kaperschiffen einen sicheren Rückhalt boten, stand das Kaperwesen an der mecklenburgischen Küste in Blüte, weil die verbündeten Regierungen mit der Erteilung von Kaperbriefen nicht kargten und die Prisen einen reichen und verhältnismäßig mühelosen Gewinn abwarfen.


Die ersten Kaperschiffe, die an unserer Küste erschienen, waren dänischer Nationalität. Sie begründeten ihr Recht auf das königliche Reglement für die Kaperfahrt vom 14. September 1807. Danach mußten sie von einem Hafen unter dänischer Botmäßigkeit aussegeln und konnten Prisen in dänische, norwegische, schleswigsche oder holsteinische Städte einbringen. Verboten war ihnen, mit Prisen in fremde Häfen einzulaufen oder Schiffe auf dem Territorium befreundeter oder neutraler Mächte wegzunehmen. Als solches Territorium galt die See bis zu einer Seemeile von der Küste.

Gegen diese Bestimmungen schien der dänische Kaper Haabet zu verstoßen, der sich am 14. Juli 1808 beim Wallfisch vor Wismar zeigte. Er hatte vor kurzem ein Schiff von der Wismarschen Reede weggenommen und stand nun in dem Verdacht, einem nach Finnland bestimmten Kornschiff aufzulauern. Eine heftige Erregung bemächtigte sich der Schifferkompagnie, und Schiffer und Seeleute erboten sich auf das Boot Jagd zu machen. Da kam der Kaper ahnungslos in den Hafen. Sogteich verlangte die Schifferkompagnie die Beschlagnahme des Bootes. Aber der dänische Vizekonsul erhob Gegenvorstellungen und erreichte am 3. September die Freigabe des Bootes. So verlief die erste Begegnung der Kaper mit mecklenburgischen Behörden.

Im weiteren Verlaufe des Sommers 1808 fielen drei Rostocker Schiffe, die mit vorschriftsmäßigen Papieren versehen waren, den dänischen Kapern in die Hände und wurden von ihnen unter nichtigen Vorwänden aufgebracht. Da entschloß sich die mecklenburgische Regierung, gegen solchen Unfug einzuschreiten. Sie verordnete zunächst, daß alle in Wismar und Warnemünde einlaufenden dänischen Kaper solange anzuhalten seien, bis die mecklenburgischen Schiffe freigegeben würden, und ließ diese Verordnung in Anwendung bringen, als das dänische Kaperboot Maria Tender am 20. September wegen Beschädigung seines Mastbaumes in den, Wismarschen Hafen kam. Man hatte damit zugleich einen der Übeltäter gefangen, da die Maria Tender, wie das Protokoll ergab, zwei der weggenommenen Schiffe selbst gekapert hatte. Dann führte der Herzog durch sein Staatsministerium in Kopenhagen darüber Beschwerde, daß dänische Kaper eine Kontrolle und Aufsicht über die Schiffe seiner Untertanen ausübten. Der Verkehr mit England und Schweden sei in Mecklenburg ebenso streng verboten wie in Dänemark, doch könnte von den mecklenburgischen Untertanen unmöglich verlangt werden, daß sie sich nach den Vorschriften des dänischen Kaperreglements richteten, zumal dies hier weder bekannt noch offiziell mitgeteilt sei. Und wie für Mecklenburger die Verbote vom Herzog erlassen seien, so müßte auch die Bestrafung, wenn nötig, von ihm aus erfolgen. Deshalb wollte der Herzog zwar den dänischen Kapern das Recht zugestehen, mecklenburgische Schiffe anzuhalten, wenn sie Beweise für einen unerlaubten Verkehr mit dem gemeinsamen Feinde hätten, verlangte aber, daß sie die Untersuchung und Entscheidung darüber vor die mecklenburgischen Behörden brächten.

Trotzdem diesen Grundsätzen eine Berechtigung nicht abzusprechen war, gelang es dem Herzog nicht, ihnen in Kopenhagen Anerkennung zu verschaffen. Die dänische Regierung hielt an den Bestimmungen des Reglements von 1807 für ihre Kaper fest und faßte die Beschlagnahme der Maria Tender als ein tätliches Verfahren und eine beabsichtigte Repressalie auf. So mußte die herzogliche Regierung, als der schwächere Teil, alsbald einlenken. Der dänische Kaper wurde freigegeben. Dann einigte man sich in der Weise, daß das dänische Kaperreglement der mecklenburgischen Regierung offiziell mitgeteilt wurde, und daß diese die darin enthaltenen Vorschriften auch den mecklenburgischen Handelsschiffen auferlegte. Sie sollten künftig ihre Papiere in der Ordnung und Vollständigkeit beschaffen, wie es das Reglement vorsah, und erst danach die Erlaubnis zum Auslaufen erhalten. Am 18. Februar 1809 wurden das Gouvernementsbureau zu Rostock und das Kommandementsbureau zu Wismar entsprechend angewiesen. So war wenigstens einer willkürlichen Anwendung dieses Reglements gegen mecklenburgische Kauffahrteischiffe vorgebeugt und der nicht unbeträchtliche Handel, den die nachbarliche Lage zwischen den beiden Ländern trotz der damaligen schwierigen Umstände zuließ, gefichert. Als das angeführte dänische Reglement für die Kaperfahrt und die Prisenbehandlung am 28. März 1810 durch ein neues ersetzt wurde, mußten die Militärbureaus in Rostock und Wismar sich ebenfalls danach richten.

Mit Ende 1809 begannen dann französische Kaper ihr Wesen an der mecklenburgischen Küste zu treiben. Es waren Boote mit 1-6 Kanonen oder Drehbassen und einer Bemannung von 8-30 Mann; nur wenige Schiffe hatten 10-12 Kanonen und bis 50 Mann Besatzung. Im ganzen haben etwa 40 Kaperschiffe, einschließlich der dänischen, von 1809-1812 im Warnemünder Hafen verkehrt. Die meisten kamen von auswärts und hielten sich nur vorübergehend dort auf. Einige waren jedoch in Rostock erbaut und ausgerüstet. Diese kehrten von ihren Streifzügen ständig nach Warnemünde zurück und brachten dort regelmäßig ihre Prisen ein. Unter ihnen war der Kaper Wagram besonders berüchtigt

Bevor ich nun das Treiben der Kaper vor Warnemünde und ihre Zusammenstöße mit englischen Kriegsschiffen schildere, möchte ich ein paar Worte über die Namen der Kaper sagen. Viele brachten darin zum Ausdruck, daß sie mit Schnelligkeit, List und Wildheit auf den Gegner losgehen wollten. Da gab es Namen, wie Le Balayeur (Auskehrer), Le Tartare, Le Renard (Fuchs), Le Comet, L’épervier (Sperber), Le passe partout, Le vengeur (Rächer), L’aigle (Adler), L’impatient, Répresaille du Nord, und wie sie sonst hießen. Andere Schiffe gaben mit ihrem Namen kund, daß sie Glück in der.Kaperei hatten oder doch haben wollten, so L’heureux Toutou (Hund)/ L’heureux Henry. Eine gewisse Ironie verraten Namen wie L’aimable Virginie oder L’aimable Dervilly. Der Name Wagram erinnerte an den bekannten Sieg, den Napoleon im Juli 1809 über die Österreicher davongetragen hatte.
Englische Kriegsschiffe zeigten sich schon 1807, 1808 und im Sommer 1809, also vor dem Auftreten französischer Kaper, häufig vor Warnemünde. Wir erfahren aus den Aufzeichnungen des Pastors Schmiedekampf im Warnemünder Kirchenbuch, daß sie im August 1807 nahe vor dem Hafen lagen und am 23. August ein kleines holländisches Schiff beschossen und in den Hafen jagten. Im Mai 1808 wollten Rostocker Schiffe in See gehen und nahmen Ballast in Warnemünde ein. Sie mußten vor den Engländern umkehren und wieder nach Rostock hinaufsegeln. Auch im Juni und Juli sah man viele englische Schiffe, 20-30, einmal über 40. Sie verursachten aber keinen Schaden weiter, als daß sie die Netze aufzogen, die Fische wegnahmen, auch zuweilen die Netze zerschnitten. Einmal verfolgte eine Schaluppe ein Fischerboot, das sich an den Strand flüchtete, wo die Insassen entkamen. Das Boot wurde dann an das Kriegsschiff gebracht, entleert und dann im Hafen abgegeben. Die Engländer blieben bis spät in den Herbst in der Ostsee und brachten noch im September verschiedene Rostocker Schiffe auf, die nach Riga und Petersburg ausgingen.