Abschnitt 3

I.


Am 5. August 1810 erschien der Tarif von Trianon, der auf die wichtigsten Kolonialprodukte, die seewärts einkamen und in den französischen oder verbündeten Staaten die Abgabe noch nicht entrichtet hatten, eine gewaltige außerordentliche Auflage legte. Der Zweck dieses Tarifs ist nicht ganz deutlich, Eine allgemeine Wiederzulassung des Handels mit Kolonialwaren war jedenfalls nicht beabsichtigt, denn die Dekrete von Berlin und Mailand blieben bei Bestand und waren noch wie vor zu befolgen. Wahrscheinlich ist, daß man die eingeführten gekaperten und konfiszierten Waren so belasten wollte, daß eine Verwertung derselben fast unmöglich wurde; und die Zahl dieser Waren hatte außerordentlich zugenommen, seit die Engländer die Wareneinfuhr unter fremder Flagge ausführten. Überdies sollte die neue Abgabe auch wohl den Etablissements zu gute kommen, die den Zweck verfolgten, den Kontinent von seinem Tribut an die Kolonien zu befreien.


Mecklenburg konnte sich der Aufforderung Frankreichs zur gleichmäßigen Einführung der Abgabe nicht entziehen, gestattete jedoch, daß alle übrigen Abgaben, welche die Kolonialwaren bei der Ein- und Ausfuhr an Akzise, Lizent, Transito oder sonst zu erlegen hätten, auf die neue tarifmäßige Kontribution in An-und Abrechnung gebracht würden. In der mecklenburgischen Ausführungsverordnung vom 6. Oktober 12) sind die französischen Tarifsätze auf Landesgewicht und -Münze umgerechnet. Die Höhe der Ansätze läßt klar erkennen, daß es sich künftig kaum noch lohnte, Kolonialwaren unter Umgehung der französischen Verbote auszuführen oder aus öffentlichen Versteigerungen zu erwerben;

wurde doch z.B. von einem Pfund Baumwolle aus Brasilien 1 Tlr. N2/3, Hutzucker 1/2 Tlr., besten Tee 11/8 Tlr., Kaffee 1/2 Tlr., Kakao 11/4 Tlr., Zimmt und Muskatnüsse gar 21/2 Tlr. gefordert.

Dieser Tarif war noch nicht durch die Mecklenburgischen Anzeigen veröffentlicht, als schon ein neues Dekret Napoleons herauskam. Am 2. Oktober verfügte er, daß noch weitere Warengattungen dem hohen Tarif unterliegen sollten, mochten die Waren nun in Kraft von Lizenzen oder Erlaubnisscheinen eingeführt werden oder von Prisen, Konsistationen und Saisies herrühren. Die Vorschrift erstreckte sich ohne Unterschied auf alle Kolonialwaren und Vorräte, die damals im einheimischen Handel waren; ihre Besitzer mußten sie binnen 10 Tagen nach Publikation des Edikts angeben. Auch dieses Dekret ist von der mecklenburgischen Regierung ohne weiteres durch Verordnung vom 14. Oktober 13) bekannt gegeben worden, weil es bei einer Weigerung die Douanen zweifellos unmittelbar vollzogen hätten. Die Landessteuerstuben hatten den Tarif zu erheben, besonders zu berechnen und den Betrag monatlich an die Renterei einzusenden. Anfang Dezember 1810 waren mit Einrechnung einiger Rückstände 14193 Tlr. Gold aufgekommen.

Die Bewachung der Küste überließ man französischerseits bei den schärferen Einfuhrbestimmungen nicht mehr allein dem mecklenburgischen Militär, zumal dieses sich bei der Abwehr englischer Landungen wenig erfolgreich gezeigt hatte. Unter dem Vorgeben, daß die Dekrete von Berlin und Mailand in den Häfen nicht ausgeführt wären und englische Konterbande dort offen geduldet würde, ließ man schon im August Truppen der französischen Division Morand ins Land rücken.

Das 13. Infanterieregiment unter Oberst Guyardet besetzte Wismar, das 17. unter Oberst Vasserot Rostock. Sie stellten zunächst ihrem Auftrage gemäß genaue Nachsuchungen nach englischen und Kolonialwaren an. Das Ergebnis war, daß in Wismar, Poel, Ribnitz und Warnemünde gar nichts, in Rostock aber einige Waren g gefunden wurden, die meist Hamburger Kaufleuten gehörten und teils mit gültigen Certifikaten eingeführt, teils von den öffentlich für französische Rechnung verkauften konfiszierten Prisenschiffen herrührten. Die französischen Militärchefs waren, wie der Herzog dem Oberhofmeister nach Paris mitteilte, über diesen geringen Warenbefund sehr verwundert, da sie auf falsche Vorspiegelungen hin in den mecklenburgischen Häfen große Niederlagen erwartet hatten. Trotzdem stellten die Franzosen ihre Posten an der Küste aus, als wenn die Mecklenburger nicht vorhanden wären; erst als ihnen die starke Inanspruchnahme der Truppen selbst lästig wurde, ward am 22. November auf Vorschlag des Brigadegenerals d’Alton ein gemeinsamer Dienst eingerichtet und die Zahl der Truppen entsprechend verringert, Eine starke Kette französischer Douanen vervollständigte die Sicherungsanstalten. Auch ein umfangreiches Signalwesen wurde an der Küste eingerichtet. Am 28. November leuchteten bei einer Probeanzündung die Alarmstangen, die an der Spitze kleine Teertonnen trugen, von Fischland bis Markgrafenheide durch die Nacht. Der Herzog mußte sich allem fügen, wollte er nicht, daß seine Gruppen zurückgezogen und auswärts verwandt würden.

In den Seestädten richteten sich die Franzosen recht häuslich ein und führten ein unbequemes Regiment. In Rostock wurden die Tore und Strandpforten geschlossen und nur das Steintor für abgehende Frachtwagen offen gelassen. Kamen Waren an, so unterlagen sie Ende 1810 einer strengen Visitation. Häufig mußten Wagen 2 Tage und länger vor den Torwachen auf Abfertigung warten. Die französische Hauptwache befand sich auf dem Rathaus, von wo man die Posten vor den Wagenmagazinen und die Ehrenposten ausstellte. Als der Pfingstmarkt 1811 herannahte, richtete man im herzoglichen Palais ein Bureau zum Conseil special ein. Dieses nahm die Untersuchung der Waren vor, die zunächst in der Johanniskirche abzuladen waren. Die Feier der Taufe des Königs von Rom gestaltete sich am 9. Juni 1811 in Rostock zu einer imposanten Kundgebung der französischen Macht. Sie wurde mit einer katholischen Messe, einer Parade und einem Ball in der Societät begangen.

Die französische Besatzung der Seestädte bestand bis Ende 1811 aus je 1-2 Bataillonen Infanterie, die sich mehrfach ablösten. Dazu kamen die Artilleristen des Regiments, Chaffeurs und Douanen, sodaß ständig über 1000 Mann zu verpflegen waren. Wismar versuchte im Mai 1811 die Verlegung eines Teiles des mecklenburgischen Bataillons zu erreichen. Es wurde aber mit Recht abschlägig beschieden, weil eine solche Verlegung nur den Zuzug neuer anspruchvoller Franzosen nach sich ziehen würde.

Bald danach trat eine Erleichterung der Einquartierungslast ohne Zutun der Städte ein. Es war im September 1811, als die in Mecklenburg-Schwerin stehenden beiden französischen Regimenter, das 33. Linien-Regiment und das 15. Regiment leichter Infanterie, außerdem das im Stargardischen Kreise befindliche 48. Linien-Regiment, nebst zugehöriger Artillerie bei Rostock zusammengezogen wurden, um in größeren Verbänden zu üben. Nahe dem Dorfe Barnstorf in der Richtung auf die Kayer Mühle zu ward ein großes Barackenlager errichtet, wofür das Land nicht nur die erforderlichen Materialien an Holz und an Dach- und Lagerstroh, sondern auch die Lebensmittel zu liefern hatte. Im Ganzen waren etwa 10000 Mann zu versorgen. Die Vorkehrungen wurden von einer Kommission getroffen, zu der die Allgemeine Landeskreditkommission und der Engere Ausschuß von Ritter- und Landschaft je zwei Delegierte entsandte. Die Geschäfte eines Lagerkommissärs verwaltete der Kammerherr von Oertzen. Die Kosten des Lagers wurden auf das ganze Land verteilt, sodaß sie von dem Einzelnen weniger schwer empfunden wurden. Die Truppen übten am 3. und 6. Oktober bei den Barnstorfer Tannen vor dem Marschall Prinzen Eckmühl und dem Erbprinzen Friedrich Ludwig. Erst in der Zeit vom 15. bis 20. Dezember wurden sie in die Ortschaften zurückverlegt.

Im Frühjahr 1812 zogen die Franzosen nach Rußland ab, und am 12. März folgte ihnen das mecklenburgische Kontingent von Rostock aus. Seitdem wurde der Küstenschutz bis zur Aufhebung der Sperre von Douanen, Kanonieren und den Kaperschiffen aufrecht erhalten. Sie fanden an durchpassierenden französischen Truppen einen Rückhalt.




12) Anz. 1810, 81. Stück, Beil.
13) Anz. 1810, 83. Stück.