Tanz

Die Hauptunterhaltung der Jugend war selbstverständlich der Tanz, hat sich doch in jenen Jahren der Walzer seinen Platz im Ballsaal erobert. Als Goethe Werther und Lotten „wie zwei Sphären, die sich umschweben“ miteinander walzen lässt, da können ihn noch die wenigsten tanzen ; 20 Jahre später herrscht er fast ausschließlich. Auf Münchener Ballen werden 1810 allein neun Walzer getanzt. Aber leicht ist es ihm nicht geworden, diesem „Alliierten der Schwindsucht und des Todes“, die Menuetts, Gavotten, Sarabanden der alten Generation zu vertreiben, nicht nur die Gesundheit soll er schädigen, hieß es, nein, er untergräbt die Moralität; der olle Sponitzer, der 1797 gegen die „Hoppstänze“ wütet, nennt den Walzer verächtlich den „Tanz der Taumelfreude“.

Christian Schubert nannte 1793 den „engen Schleifer“ einen sehr skandalösen und dem deutschen Ernst zur Schande gereichenden Tanz. Prinzessin Luise Radziwill erzählt in ihren Erinnerungen, dass die beiden Prinzessinnen von Mecklenburg (die spätere Königin Luise und ihre Schwester) die ersten waren, welche auf dem Hofball am 24. Dezember 1794 es wagten, im Berliner Schlosse Walzer zu tanzen. Friedrich Wilhelm II. war entzückt, die Königin aber wandte die Augen ab, um nicht zusehen zu müssen und verbot ihren eigenen Töchtern das Beispiel nachzumachen.


Am Hofe in St. Petersburg führte 1798 die Maitresse Pauls I., Anna Prinzessin Lapuchin, den Walzer ein, der bis dahin verpönt gewesen war. Als der junge und noch ledige Herzog von Devonshire von einer Reise auf den Kontinent zurückkehrte, äußerte er sich entzückt über den deutschen Walzer. Sofort beeilten sich alle jungen Damen ihn zu lernen. Auf dem nächsten Ball sah der Herzog lange dem Walzer zu und erklärte dann, er werde nie ein junges Mädchen heiraten, die walze. Man wollte gern im Tanze ein musikalisches Drama sehen und verlangte vom Tänzer, er solle ein Maler menschlicher Leidenschaften sein, bitt' schön: im 3/4 Takt!? Gesiegt hat er ja doch, der Tanz der „sehnsüchtigen Zärtlichkeit“, des „Frohsinns und der Lust“; die Franchise ist 1803 selbst in Paris schon so vergessen, dass zu Reichhardts größtem Erstaunen ihre Touren laut kommandiert werden müssen, weil sonst niemand Bescheid weiß.

Dass man Kinder die Bälle Erwachsener besuchen ließ, hat für uns etwas Erstaunliches, aber man hört nicht nur, dass Mme. Tallien Tränen der Rührung vergießt, wenn sie ihre zwölfjährige Tochter tanzen sieht, auch Frau von Humboldt schreibt einmal, dass ihre acht- und zehnjährigen Tochter auf den Ballen die gesuchtesten Tänzerinnen seien. In Paris tanzt auf den Ballen von 10 — 12 Uhr die Jugend und während diese dann soupiert, tanzen erst die älteren Leute. Das tanzlustige Paris, das 1796 geschwind die leeren Klöster zu Ball-Lokalen einrichtete, das seine Zephir-Bälle auf dem Kirchhof S. Sulpice inmitten der Grabsteine abhielt, erlebte während des Kaiserreichs seine glänzendste Saison im Winter von 1809 zu 1810, unmittelbar vor Napoleons zweiter Heirat. Die Modetänze des Kaiserreiches waren Menuett, Gavotte, Monaco und Treniz; ein guter Tänzer berichtet Dr. Veron, war sicher, eine glänzende Karriere zu machen. Am Schluss all dieser rauschenden Festlichkeiten steht wie ein Menetekel das Fest des Fürsten von Schwarzenberg am 1. Juli 1810, das Varnhagen u. a. so anschaulich beschrieben haben. Der Ballsaal ging dabei in Flammen auf und zahlreiche Damen der ersten Gesellschaft fanden, zertreten, erstickt, verbrannt einen grauenvollen Tod, u. a. die Fürstin selbst, die ihre Tochter suchte; diese war gerettet — um 40 Jahre später bei dem Prager Aufstand erschossen zu werden!

1816 Wiener Mode
1816 The Repository, London
Debucourt, Der Karneval in Paris
Debucourt nach Vernet, Eissport
Kupelwieser, Schubert und seine Freunde (aus Leisching, Der Wiener Kongress)