Romantik

Eine Reaktion gegen den Aufkläricht des Rationalismus mit seiner platten Gewöhnlichkeit, seinem nur auf das Brauchbare und Nützliche gerichteten Zweck bringt die Romantik, die zugleich als Unterströmung gegen den Stil der Zeit betrachtet werden darf. Man lebte unter dem Joch einer starren, der Antike entlehnten Regel und sehnte sich darnach, den Druck selbstgewählter Gesetze abschütteln zu dürfen. So suchte die Zeit das, was ihrem eigenen Stil an Freiheit und Willkür gebrach, im Mittelalter, und fand in Gotik und Rittertum, was sie suchte, den Reiz des Rätselhaften, Geheimnisvollen, den sie aus Leben und Gegenwart eben glücklich hinauserklärt hatte!

Die Antike regiert und niemand wagt ihr zu widersprechen, aber daneben gedeiht, einer Kaprize gleich, die Gotik, und schafft sich ein Plätzchen für die aus der offiziellen Kunst vertriebene Phantasie. In Kassel baut sich der Landgraf die Löwenburg; in Wörlitz der Herzog das gotische Haus; auf der Pfaueninsel entsteht die gotische Wohnruine der Königin Luise; der österreichische Hof errichtet die Franzensburg im Laxenburger Park; in Monrepos bei Ludwigsburg werden die Schrecken der unterirdischen Kapelle im See durch zwölf Wachsfiguren von Tempelrittern erhöht, die Kapitel halten.


Alle Parkanlagen füllen sich mit Ruinen und Burgen, die in ihrer Gotik so drollig und zopfig sind wie die gleichzeitigen Ritter-, Räuber-, Gespenster- und Schauerromane, mit denen Spieß, Vulpius, Jünger, Naubert u. a. Literatur und Bühne füllen und selbst den Geschmack beherrschen, wenn man nach ihren Beschreibungen Ritterfeste veranstaltet, wie das Turnier, welches der Hof 1793 in Rudolstadt gab, oder wie jenes, das Graf Hochberg 1800 in Fürstenstein der Königin Luise zu Ehren feierte, oder wie die altdeutsche Ritter-Assemblee des Grafen Zichy 1807 in Wien.

Erst als wirkliche Dichter nach dem Wunderland germanischer Vorwelt auszogen, wurde Ernst aus dem kindischen Spiel. Als Clemens Brentano, Achim von Arnim dem deutschen Volke seine Lieder und Märchen, Josef Görres, Hagen, Jakob und Wilhelm Grimm ihm seine Heldensagen, Sulpiz und Melchior Boisserée ihm seine Kunst wiedergaben, erst da haben sie die Quellen angeschlagen, deren starkes Strömen deutschen Sinn und deutsche Sitte mit unwiderstehlicher Kraft an die Oberfläche trug und Leben und Kultur für ein Menschenalter die bestimmte Richtung gab.

Der Kreis der Romantiker und Germanisten, der in Heidelberg zu Beginn des 19. Jahrhunderts beisammen war, hat den Deutschen, die nach Fichte dumm und unwissend, feige, faul und niederträchtig waren, von denen Görres nichts, was tüchtig und brav sei, erwartet, dazu geholfen, sich wieder auf sich selbst zu besinnen und im eigenen Volkstum Kraft und Würde zu finden. Sie haben nicht zum wenigsten zum Erwachen der Volksseele beigetragen, denn. sie flößten ihr den Mut ein, im Vertrauen auf eine große Vergangenheit ihr alles an eine große Zukunft zu wagen, den wesenlosen Idealismus der Träume mit dem gebieterischen der Pflicht zu vertauschen.

Promenade im Wiener Prater um 1800. Aus: Leisching, Der Wiener Kongress.

1796 Gallery of fashion, London

Raeburn, Hannah More