Die Herrenmode

Die Revolution der Männerkleidung geht dem politischen Umsturz voraus; so wie der Mann sich 1789 trug, hatte ihn Goethe schon 15Jahre früher im Werther beschrieben. Der Unterschied der Kleider gegen früher lag indessen weit mehr in den Stoffen und Farben, als im Schnitt; man trug Tuch und Leder statt Seide und Samt, dunkle Töne von Braun und Blau statt Rosa, Violett, Lichtgrün. Der Frack hatte seinen ursprünglichen Schnitt nur insoweit verändert, als er über die Brust geknöpft werden konnte und breitere Schöße erhielt, das Beinkleid blieb die enganliegende Kniehose.

Die stärksten Nuancen der Veränderung lagen darin, dass der Mann begann, immer Stiefel zu tragen, statt der Schuhe; dass er einen runden glatten Hut statt des goldbordierten, federgeschmückten Dreispitz aufsetzte und sein eigenes Haar offen trug, statt sich zu frisieren und zu pudern. Als nun zu diesen Allüren die französische Revolution noch das Tragen des langen Pantalons aufbrachte, da erkannten die Zeitgenossen, dass der Untergang der alten Gesellschaft nicht mehr aufzuhalten war, Kleid und Tracht des gemeinen Mannes eroberten sich den Salon. Nur die Ärmsten hatten ihr Haar ungepudert lassen müssen, nur Fuhrknechte hohe Stiefel, nur Matrosen lange Beinkleider und runde Hüte getragen und mit diesen Kennzeichen ordinärer Leute nahmen die Herren nun auch deren Allüren an. Wer in Escarpins geht, den Galanteriedegen an der Seite, den Kopf sorgfältig frisiert und gepudert, Hut unterm Arm, wer lichte Seide und helle Kniestrümpfe trägt, wird und muss sich in der Sorge um Kleidung und Frisur anders benehmen, als der, welcher unbekümmert sein Haar den Winden überlässt und seinen Weg geht, ob es schmutzig ist oder nicht. An dieser gegen früher so veränderten Haltung, an dem neuen Benehmen der Herren nahm die Zeit — sagen wir gleich die alten Leute — den stärksten Anstoß und je lauter der Widerspruch der Beharrenden war, um so stärker wurde auch die Opposition der jungen Leute, deren Axiom: nun erst recht! war.


Der Pantalon der Sansculotten (was ohne Kniehosen — beileibe nicht ohne Hosen bedeutet!) setzt sich langsam durch. 1791 trägt man ihn bis zur Mitte der Wade, 1793 hat er den Schuh erreicht, er gilt für unschicklich, aber seit Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Bad Pyrmont 1797 auf der Promenade in langen Beinkleidern erschienen ist, missbilligt man den Pantalon zwar noch, aber man muss ihn dulden. Friedrich von Raumer schreibt in seinen Erinnerungen: es galt 1801 in Berlin für revolutionär, dass Kriegsrat von Schütz und ich die ersten waren, welche die Zöpfe abschnitten und statt kurzer, lange Beinkleider trugen. Neben dem Pantalon versucht die Kniehose sich zu behaupten; von denen bevorzugt, die im Besitze schöngeformter Beine dieselben auch zu zeigen lieben. Kaiser Alexander I., erzählt Theodor von Bernhardi, hatte einen sehr entschiedenen Glauben an seine eigene bezaubernde Schönheit, aber er hatte schiefe und dünne Beine.

Trotzdem trug er so enge Beinkleider, dass er, wie Gräfin Anna Potocka verrät, sich nicht setzen konnte, sondern am liebsten stand. Bettine erzählt da niedliche Geschichtchen vom alten Jacobi, aber mehr und mehr tragen sie nur noch die alten Männer, seit 1815 ist sie aus der Öffentlichkeit ganz verschwunden. Man hat den Pantalon ganz weit oder ganz eng getragen, in letzterem Fall kaschiert man etwaige Mangel durch falsche Schenkel und Waden, gerade wie die Damen 1796 falsche Arme unter ihren langen Handschuhen trugen (eine Nachricht aus London will 1798 sogar von ganzen Büsten aus Wachs wissen!). Eitle Herren trugen, wenn sie „auf Taille“ schwuren, das Schnürleib, welches die Frau eben abgelegt hatte. Auf dem Neujahrsball des russischen Gesandten in Berlin stürzte 1801 Herr von Dorville, während er mit Frl. Emilie von Zeuner walzte, leblos um; er hatte sich an Knie, Taille und Hals aus Eitelkeit direkt zu Tode geschnürt!

In einer Parallelbewegung mit dem Pantalon wird aus dem breitschößigen Reitfrack, dem riding-coat der Engländer, der Redingote der Franzosen. Die Schöße wachsen nach der Breite und nach der Länge, sie erreichen 1791 bereits den Boden und da man auswärts die fremden Moden gern auch noch übertreibt, so tragen die Herren in Hamburg ihre Rockschöße so lang, dass sie dieselben bei Regenwetter aufheben und in der Hand tragen müssten, wie Damen ihre Schleppen ! — Die Schöße werden dann später wieder kürzer, aber sie bleiben doch so breit, dass sie vorn übereinander gehen; um 1800 bereits hat der Redingote schon annähernd die Form erreicht, die ihm dann geblieben ist, die Form, wie sie Rauchs Statuette des alten Goethe zeigt. Die Mode beschäftigt sich weniger mit der Form dieses Kleidungsstücks, als mit seinem Ausputz; statt der am Alltagskleid ganz verschwundenen Stickereien trägt man bunte Kragen daran, z. B. die Berliner Herren rote Kragen und Aufschlage zu dunkelblauen Rocken, oder man tragt auch mehrere übereinanderfallende Kragen, damals Capot à la Polonaise genannt, was dann noch lange für die Livreen der Kutscher in Gebrauch blieb.

Die Farbe der Herren-„Spenzer“ wird immer dunkler, bouteillengrün, braun, grau, schwarz oder jenes schmutzige Pfeffer- und Salzgemisch, das man 1797 „Fliegensteiß“ nannte! Der Luxus der Männerkleidung beschränkte sich schon seit dem Anfang der neunziger Jahre auf die Westen. Aus der alten Weste, die in breiten Schößen bis zur Hälfte des Oberschenkels reichte, wurde allmählich das kurze Gilet, das ganz hoch hinaufrutscht und zur Zeit, als die Damen die kurzen Taillen tragen, den Herren kaum bis auf die Brust reicht. Dafür trägt man es dann dreifach, d. h. man gibt ihm drei Klappen, die, aufgelassen, das Vorhandensein dreier Gilets fingieren, in der Farbe natürlich verschieden, z. B. 1791 sehr Schick: Grün, Gelb und Perlmutter. Dann gibt man dem Gilet einen hochstehenden Kragen, so dass er über den flachen Rockkragen hinaussteht und wechselt besonders so häufig als möglich mit Stoffen und Mustern. Die Berliner trugen 1814 weiße Piquewesten, die mit eisernen Kreuzen und den Namen der Empfänger des eisernen Kreuzes erster Klasse bedruckt waren.

Als die Damen durch ihre Trompeusen Kröpfe vortäuschen, tragen die Herren ebenfalls ungeheuer dicke Halstücher, die durch um den Hals gebundene seidene, mit Baumwolle ausgestopfte Kissen gehalten werden. 1793 wird dies Halstuch über das Kinn hinauf und darüber eine Mousseline-Krawatte gebunden, über welche noch ein buntseidenes Tuch zu liegen kommt; in Verbindung mit Jabot und dreiteiligem Gilet sahen die Herren dann ebenso hochbusig aus wie die Damen! Von diesen Ausschreitungen abgesehen, hat das Gilet seine endgültige Form, d. h. die Taille nicht nach unten überschreitend, ungefähr zur gleichen Zeit gefunden, als auch die beiden andern Hauptbestandteile der heutigen Männerkleidung, der Pantalon und der Rock ihre definitive Gestalt annehmen. Alle drei sind etwa 1815 fertig vorhanden, festgelegt auch schon in ihrem wesentlichsten heutigen Charakteristikum: dem Vermeiden jeder Extravaganz. Mäntel sind für Herren wenig gebräuchlich, sogar als in dem strengen Winter von 1809 in Paris Herrenpelze aufkommen, ist ihre Erscheinung so ungewöhnlich, dass die Träger derselben auf der Straße insultiert werden.

Die Vereinfachung der Kleidung hat die Elegants nicht gehindert, immer ultra chic zu sein. In Wien kleideten sich die „Zierbengel“, wie Carl J. Weber sehr unfreundlich sagt, nicht nur zwei bis dreimal täglich um, sondern hatten auch Kontrakte à 3.000 — 4.000 fl. mit Schneidern, wofür sie jede Woche oder jeden Monat neue Anzüge empfingen, im Tausch gegen die alten, die sie zurückgaben. Dieselbe Einrichtung existierte auch um 1805 schon in Paris, wo die Herren allerdings darauf halten mussten, Röcke nur bei Catin, Beinkleider nur bei Acerby und Westen nirgendwo anders als bei Thomassin zu kaufen. Das Halstuch und der schwierige Knoten, in den es geschlungen werden musste, verlangten ein besonderes Talent. Man erinnert sich, dass in London Beau Brummel nicht nur dafür seinen unbestrittenen Ruf hatte — in Paris hatte 1804 Etienne Demarelli großen Zulauf, der in einem sechsstündigen Kursus, die Stunde zu 9Fr., jedermann die Kunst beibrachte, sein Halstuch zu knüpfen. Neben dieser in der Einfachheit ihrer Farbe und Unauffälligkeit des Schnittes das Bürgerliche betonenden Kleidung erhält sich besonders für Festkleider und für höfische Gala das alte kostbare gestickte Hofkleid, das am Hofe von St. James für große Zeremonien de rigueur, auch von Napoleon wieder eingeführt wird. Der österreichische Wahlbotschafter in Frankfurt, Graf Metternich, wendet 1790 nur an die Livreen seiner Dienerschaft 36.000 fl., den Duke of Bedford kostete sein Hofkleid zum drawing-room des Königs 1791 £ 500, wofür er dann auch die Genugtuung hatte, dass es am Tage drauf im London Chronicle bis aufs Tipfelchen beschrieben wird. 1801 wendet Lord Courtenay bei der gleichen Gelegenheit £ 50 an die Livree jedes seiner Bedienten und £ 500 an seinen eigenen Frack.

Auch die Akzidenzien des Männeranzuges, Hut und Stiefel, entstammen wie Reitrock und lederne Reithose ursprünglich England, auch sie sind in erster Linie praktisch und bequem, wie jene. Der runde, „matelotartige“ Hut hat unendliche Variationen durchgemacht, ehe Kopf und Krempe die Gestalt annahmen, die ihn zum Vater unseres Zylinders gemacht haben, ebenso die hohen Stiefel, wie sie schon Werther trägt. Seit sie 1790 in Paris Mode wurden, einmal, weil sie aus England kamen, dann, weil sie bei dem Pariser Straßenschmutz praktisch waren und drittens, weil man seine silbernen Schuhschnallen auf den Altar des Vaterlandes legen musste, setzten sie sich auch im Ausland soweit durch, dass z. B. die Berliner Herren sie den ganzen Tag nicht mehr ablegen und sie sogar in Gesellschaft anbehalten, wozu das Raffinement, welches englische Stutzer, wie der schone Mr. Skeffington und Oberst Matthews, auf glänzenden Lack derselben legen, nicht unwesentlich beiträgt. Von England aus kamen auch sofort die besten und glänzendsten Schuhwichsen in den Handel.

Das Haar, welches die Herren noch 1789 in tausend gebrannten Lockchen rings vom Kopf abstehend trugen, fällt 1791 schon lang und schlicht bis auf den Kragen, am Hinterkopf oft noch in ein Zöpfchen oder englischen Haarbeutel gefasst. Jean Paul, der durch das Abschneiden des eigenen Zopfes in Hof und in Weimar das unliebsamste Aufsehen erregte, hat noch 1800 den Helden seines Titan mit einem falschen Zopf ausgestattet. In Oberitalien haben aristokratische Familien ihre Söhne enterbt, ja aus den Schulen wurden die jungen Leute ausgeschlossen, die auf den Einfall kamen, sich den Zopf abzuschneiden. In Berlin fiel die Mehrzahl der Zöpfe beim Zivil erst 1806 — 1807, Gustav Parthey erzählt sehr drollig wie schmerzlich berührt sie als Kinder waren, als der Friseur ihrem Vater sein schönes Zopfhaar abschnitt. 1798 beginnt man das Haar ganz kurz zu scheren und aufwärts zu sträuben, gleichzeitig locken es andere und stecken es mit großen Kämmen, die mit Flittern besetzt sind, in die Höhe. 1806 tragt man es „au coup de vent“, hinten ganz kurz, vorn alles bis über die Augen ins Gesicht, 1809 frisiert man sich in kleine Lockchen „en chérubin“, schließlich ist man über den Titus zum rund geschnittenen Kopf gekommen, der die geringste Mühe verursacht und den kein Hut verderben kann.

Die Eleganz der damaligen Herrenkleidung bestand wesentlich in der scheinbaren Nachlässigkeit derselben, darin suchte die Jugend ein Zeugnis abzulegen für die Selbständigkeit und Unabhängigkeit ihres Denkens und darin fand sie selbstverständlich auch die schärfste Missbilligung der Alten, die sich Schlamperei nicht als Genialität aufdrängen lassen wollten. Dieser Widerspruch zwischen dem Alter, das auf ein gemessenes Betragen in feiner Kleidung halten und der Jugend, die stürmisch in bequemem Gewand daherfahren wollte, hat dann eine Verquickung von Mode und Politik herbeigeführt, die uns sonderbar berührt. Was, ehe die Ereignisse des Jahres 1789 in Paris eintraten, an den Trägern vielleicht nur als eine gewisse Extravaganz als Affektation genial sein wollender Köpfe betrachtet worden war, galt seitdem als Manifestation einer politischen Überzeugung, es war nicht mehr bloß unschicklich, es machte verdächtig. Lange Beinkleider statt der Kniehose, hohe Stiefel statt der Schuhe, offenes Haar statt des frisierten und gepuderten zu tragen war nicht bloß Geschmacksache, sondern es wurde zum Bekenntnis einer Meinung und dieses Zeugnisablegen vor der Öffentlichkeit war ganz und gar nicht ungefährlich.

Als die Schreckensherrschaft im August 1792 in Paris begann, da wagte niemand, sich sorgfältig oder reinlich zu kleiden, aus Furcht, sich dem Verdacht der Schreckensmänner auszusetzen. Viele von denen, die damals statt der langen Hose der Sansculotten die höfische Kniehose trugen, haben diese Majestätsbeleidigung der öffentlichen Meinung auf dem Schafott gebüßt. Und den Frauen ging es nicht besser als den Männern; diejenige Dame durfte von Glück sagen, die, wenn sie etwa durch demonstrative Knöpfe Ärgernis erregt hatte, mit einer öffentlichen Züchtigung durch die Fischweiber der Halle davonkam; eine beschimpfende Schamlosigkeit, welche Théroigne de Méricourt den Verstand gekostet hat. Als nach den Ereignissen vom 9. Thermidor die Royalisten sich wieder zu zeigen wagten, und die reaktionäre Jugend der besseren Kreise, von den Gegnern als „Muscadins“ verspottet, durch ihr gepudertes Haar und den schwarzen Kragen ihres Rockes demonstrierte, da opponierten die Jakobiner, indem sie ihr eigenes Haar und rote Kragen trugen. Beide Parteien lieferten sich in den Pariser Straßen blutige Schlachten, und als auf Anordnung der Regierung das Militär sich in diesen Prügeleien auf Seite der Rotkragen stellte, da hat mancher seinen schwarzen Kragen mit dem Verlust der Freiheit bezahlt, denn man steckte Muscadins und Incroyables unbarmherzig unter die Soldaten. Später wieder gelten die geschorenen Köpfe für Chouans und ihre Träger sind Misshandlungen ausgesetzt, und als nach dem Sturze Napoleons die Restauration voll Argwohn und Misstrauen den Erinnerungen an das Kaiserreich gegenübersteht, da haben Staatsanwälte, Richter und Polizisten die hochwillkommene Gelegenheit, ihre Gesinnungstüchtigkeit durch das Wüten gegen „aufrührerische Knöpfe“ zu betätigen.

Unter Pitt trieben die Kosten des fortwährenden Krieges gegen Frankreich die Steuern in England zu fast unerschwinglicher Höhe, im Jahre 1795 wurde nun auch noch eine Taxe auf den Gebrauch des Puders gelegt; wer sein Haar pudern wollte, musste die Erlaubnis dazu mit £ 1 erkaufen! Von da an galt es als loyal, Puder zu tragen, während die Oppositionellen, an ihrer Spitze der Herzog von Bedford, sich das Haar abschnitten, um es nun gerade ungepudert tragen zu können.

Das Haar- und Moden-Regulativ, welches die Pariser Polizei 1797 gegen die fliegenden Haare erlässt, findet sehr merkwürdigerweise ein Echo in St. Petersburg. Katharina II. lag im Sterben, da erhielten die Hofdamen bereits den Befehl sich russisch zu kleiden und sie war am 6. November 1796 kaum gestorben, da liefen schon die Polizisten in St. Petersburg herum, schlugen den Herren die runden Hüte vom Kopf und rissen sie entzwei, schnitten ihnen die Revers der Fräcke und Mäntel ab und schonten in ihrem Eifer nicht einmal die Ausländer, die den Gesandtschaften attachiert waren. Paul I. hatte, während er noch Großfürst war, bereits in Gatschina alle Träger runder Hüte und hoher Halsbinden verfolgen und einsperren lassen. Kaiser Paul I. untersagte das Tragen der runden Hüte, weil sie einen „Schlupfwinkel der Verworfenheit und Schande verborgener Jakobiner“ bildeten. Als dieses Verbot seine Untertanen nicht schnell genug aus den Winkeln der Verworfenheit und Schande trieb, da erließ der Kaiser 1798 einen neuen Ukas, der verordnete, dass von nun an jedermann sich nach der Mode von 1775 zu tragen habe! König Ferdinand von Neapel sah einmal im Theater einige zwanzig Herren mit ungepuderten Köpfen. Der Polizeipräfekt Cancellieri ließ das Haus umstellen und sieben junge Leute aus den ersten Familien wurden, weil sie Frisuren ohne Puder und lange Beinkleider trugen, zur Strafe unter das Militär gesteckt. In Deutschland begegnete die neue Tracht selbstverständlich ebenfalls der Abneigung aller Alten und Beharrenden, während sie ebenso selbstverständlich von der Jugend sofort befolgt wurde, sogar von Königlich preußischen Beamten im Dienst. Diesen wurde 1798 eröffnet, dass Pantalons unanständig, rund geschnittene Kopfe und eigenes Haar dem Ernste und der Würde eines Königlich preußischen Beamten nicht angemessen sei, — kein Wunder, dass sich denn seitdem die Bureaukratie auch nie mehr ihren Zopf abgeschnitten hat! — In Kassel griff der Landgraf 1799 zu einem höchst drastischen Mittel, um seinen Hessen die neue französische Mode zu verleiden: er ließ die Sträflinge, die in Ketten geschlossen die Straßen kehrten und Karren schoben, sowie die Insassinnen des Spinnhauses nach neuester Pariser Art kleiden!

Pius VII. begann seine Regierung mit der gleichen Besorgnis um die guten Sitten, wie sein Vorgänger die seine beschlossen. Hatte der sechste Pius den Männern die modernen engen Beinkleider verboten, so untersagte der siebente gleich die „moderne wollüstige Kleidung“ in Bausch und Bogen, gerade so wie zuvor, als die Franzosen Rom erobert hatten, sie sofort die Abbé-Kleidung abzuschaffen versuchten! Es war eben ein Kampf zwischen dem Kleid der Alten und der Jungen und wenn der Sieg, wie vorauszusehen, mit der Zeit doch den Jungen zufallen musste, so ist er doch lange unentschieden geblieben. Im Jahr 1806 hört man aus Paris, dort werde alles getragen, was in den letzten 60 — 80 Jahren Mode gewesen sei, und wie weit in das neunzehnte Jahrhundert hinein gelegentlich noch Kniehose und Schnallenschuh, Puder und Zopf getragen worden sind, haben uns u. a. Wilhelm von Kügelgen, Bettine, Ludw. Adr. Richter erzählt. In Estland sah Theod. von Bernhardi noch 1815 den alten Herrn von Reutern in der Tracht des ehemaligen Hofes von Versailles. Auf einem Diner des Fürsten Hardenberg in Wien 1814 zählte Staegemann 9 gepuderte Köpfe und 4 ungepuderte. Jedenfalls haben die Verbote der neuen Kleidung natürlich so wenig Erfolg gehabt, wie die Versuche, die gleichzeitig gemacht wurden, Nationaltrachten einzuführen.


The Repository 1814
1813 La Belle Assemblee, London
Vernet, Merveilleusen
Vernet, Merveilleusen
Chalon, Prinzessin Charlotte von Wales 1816
David, Mr. Sériziat
Cavalcade de Longchamp (aus: Le bon Genre)
Gerard, Graf Fries und Familie
1813 La Belle Assemblée, London 1812
Goya, Marquis de S. Adrian
Lefèvre-Baubini, Incroyable und Merveilleusen
Hamburger Journal der Moden und Eleganz 1802
Boilly, aus der „ Ankunft der Post“
Ingres, Bildnis eines Ehepaares 1816
Ingres, Familie Stamaty 1818
Debucourt, Ok c'est bien çà!
La Belle Assembliée, London 1813, 1815
Russische Rutschbahn (aus Le bon Genre)
Rudolf Zacharias Becker, Das echt deutsche Feierkleid 1814
Goya, Carl IV. und Maria Luisa von Spanien
Kupelwieser, Schubert und seine Freunde (aus Leisching, Der Wiener Kongress)
Gatine, Diabolo