Der Ofen
Die Innendekoration und das Möbel der Empirezeit gestalten Räume von feierlicher, wenn auch etwas steifer Pracht, wenn es sich darum handelt, im großen Stil zu schaffen, aber sie versagen völlig, sollen sie den Ansprüchen des Bürgerhauses genügen. Die Ästhetik der Zeit, die das gesamte Leben in klassisches Römertum hinaufschrauben wollte, die immer auf Stelzen ging, ist in Verlegenheit, wenn sie sich mit dem alltäglichen Hausrat abzufinden hat; wie man sich da zu helfen suchte, wie schamhaft man seine Bedürfnisse zu maskieren trachtete, ist schon oben gelegentlich an dem Beispiel des Nachtkastls gezeigt worden, und dieses Unglücksmöbel ist nicht der einzige Gegenstand des Kopfzerbrechens für Ästhetik und Kunsthandwerker der Zeit gewesen.
Ein Ofen z. B. war in nördlichen Klimaten in den Zimmern gar nicht zu entbehren, aber wo fand sich im ganzen Altertum ein Kachelofen?! Da musste wieder der Allerweltsaltar helfen; in Wörlitz z. B. war der Ofen als Altar des Winters gedacht, oder man machte ihn zum Monument; das Kunstgewerbemuseum in Breslau besitzt einen eisernen Ofen dieser Zeit in der Gestalt einer antiken Ägypterin, unter dem Hüftschurz ist der Einwurf für die Kohlen; im Hotel des Malers Isabey in Paris war der Ofen in eine Statue der Minerva gesteckt; die Firma Hohler in Berlin brachte Öfen in den Handel, deren Farbe alle Marmorarten nachahmte und deren Formen denen antiker Denkmäler nachempfunden waren. In Wels in Oberösterreich fand Karl Julius Weber einen Ofen, der einen Bücherschrank vorstellte, innen mit den Opera Lutheri, Zwinglii, Calvini gefüllt, deren Ketzereien also jeden Tag aufs neue verbrannt zu werden schienen!
Dieser beständige, ermüdende Konflikt zwischen Ästhetik und Notdurft musste natürlich zu einem Protest gegen die herrschende, so unbequeme Richtung führen und diesen Widerspruch vertritt auf das Glücklichste und Erfolgreichste das englische Möbel. Im Gegensatz zu dem kontinentalen Bestreben gewaltsamer Unterordnung unter die Antike, einer gezwungenen Anpassung an ungeeignete Formen, berücksichtigt der englische Hausrat vor allem die Bequemlichkeit. Das englische Möbel ist zweckmäßig, solide gearbeitet und nur sparsam verziert; dieses Zusammentreffen guter Eigenschaften hat es denn auch seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf dem Kontinent eingebürgert. Der Stil, den die englischen Möbel seit Sheraton und Hepplewhite annehmen, eine eigentümliche Verquickung von Elementen Chippendaleschen Rokokos, zopfiger Gotik und pseudoklassischer Formen, hat auf das Biedermeiermöbel der nächsten Periode dann ebenso starken Einfluss geübt, wie das eigentliche Empire. Den spärlichen Vorrat des Bürgerhauses an Mobiliar hat die Zeit um mehrere wichtige Stücke bereichert. Da tritt zum Wandspiegel die „Psyche“, der in einem Gestell freistehende und gleichzeitig bewegliche Spiegel, an dessen Anfertigung erst gedacht werden konnte, seitdem die Technik gelernt hatte, Gläser von genügender Größe zu schleifen; da taucht ferner der Waschtisch auf, dessen Existenz erst durch das neue Bedürfnis der Reinlichkeit bedingt wird.
Kersting, Stickende Dame (die Malerin Luise Seidler)
Drolling, Speisezimmer
Gerard, Talleyrand
Debucourt, La coquette et ses filles
Ein Ofen z. B. war in nördlichen Klimaten in den Zimmern gar nicht zu entbehren, aber wo fand sich im ganzen Altertum ein Kachelofen?! Da musste wieder der Allerweltsaltar helfen; in Wörlitz z. B. war der Ofen als Altar des Winters gedacht, oder man machte ihn zum Monument; das Kunstgewerbemuseum in Breslau besitzt einen eisernen Ofen dieser Zeit in der Gestalt einer antiken Ägypterin, unter dem Hüftschurz ist der Einwurf für die Kohlen; im Hotel des Malers Isabey in Paris war der Ofen in eine Statue der Minerva gesteckt; die Firma Hohler in Berlin brachte Öfen in den Handel, deren Farbe alle Marmorarten nachahmte und deren Formen denen antiker Denkmäler nachempfunden waren. In Wels in Oberösterreich fand Karl Julius Weber einen Ofen, der einen Bücherschrank vorstellte, innen mit den Opera Lutheri, Zwinglii, Calvini gefüllt, deren Ketzereien also jeden Tag aufs neue verbrannt zu werden schienen!
Dieser beständige, ermüdende Konflikt zwischen Ästhetik und Notdurft musste natürlich zu einem Protest gegen die herrschende, so unbequeme Richtung führen und diesen Widerspruch vertritt auf das Glücklichste und Erfolgreichste das englische Möbel. Im Gegensatz zu dem kontinentalen Bestreben gewaltsamer Unterordnung unter die Antike, einer gezwungenen Anpassung an ungeeignete Formen, berücksichtigt der englische Hausrat vor allem die Bequemlichkeit. Das englische Möbel ist zweckmäßig, solide gearbeitet und nur sparsam verziert; dieses Zusammentreffen guter Eigenschaften hat es denn auch seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf dem Kontinent eingebürgert. Der Stil, den die englischen Möbel seit Sheraton und Hepplewhite annehmen, eine eigentümliche Verquickung von Elementen Chippendaleschen Rokokos, zopfiger Gotik und pseudoklassischer Formen, hat auf das Biedermeiermöbel der nächsten Periode dann ebenso starken Einfluss geübt, wie das eigentliche Empire. Den spärlichen Vorrat des Bürgerhauses an Mobiliar hat die Zeit um mehrere wichtige Stücke bereichert. Da tritt zum Wandspiegel die „Psyche“, der in einem Gestell freistehende und gleichzeitig bewegliche Spiegel, an dessen Anfertigung erst gedacht werden konnte, seitdem die Technik gelernt hatte, Gläser von genügender Größe zu schleifen; da taucht ferner der Waschtisch auf, dessen Existenz erst durch das neue Bedürfnis der Reinlichkeit bedingt wird.
Kersting, Stickende Dame (die Malerin Luise Seidler)
Drolling, Speisezimmer
Gerard, Talleyrand
Debucourt, La coquette et ses filles
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Mode - Menschen und Moden im neunzehnten Jahrhundert. 1790 bis 1817