Von der Errichtung der freiwilligen Jäger-Regimenter bis zum Beziehen der Cantonnements während des Waffenstillstandes

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Der Gang der großen Ereignisse führt uns somit ins engere Vaterland zurück, und wir werfen an dieser Stelle einen Blick auf die Verhältnisse, welche der Organisation der freiwilligen Jäger-Regimenter vorausgehen. Nachdem man schon seit Wochen in Mecklenburg von dem Erscheinen der Kosaken gefabelt, traf am 14. März 1813, Morgens 10 Uhr, der Oberst Freiherr von Tettenborn wirklich in Ludwigslust ein. Unter seinem Kommando standen an regulären Truppen nur 2 Schwadronen Isump’scher Husaren und 2 Geschütze der reitenden Batterie Nr. 5*), übrigens etwa 1.300 Kosaken. Die Herzogliche Familie sah vom Balcon des Schlosses dem Einmarsche zu; die beiden regulären Schwadronen wurden einquartiert, der Rest des Korps, — beiläufig gesagt — ein bunter Haufen von Kosacken, Baschkiren und Asiaten, — bivouakierte auf dem jetzigen Alexandrinenplatze; am Nachmittage fuhr die Erbprinzessin Caroline mit den fürstlichen Kindern durch das Bivouak; als es bekannt wurde, dass die Kinder der Großfürstin Helene dabei wären, drängten sich die bärtigen Söhne der Steppe an den Wagen, um die Hände der Kinder zu küssen. Der Herzog Friedrich Franz entsagte in Folge der ihm durch Tettenborn übermittelten Aufforderung des Kaisers Alexander dem Rheinbunde zuerst unter Deutschlands Fürsten. Der genannte Russische Befehlshaber verließ Ludwigslust am 15. März in der Frühe wieder, er warf sich am 17. März beim Zollenspeicher auf Morands Nachhut, nahm derselben noch 6 Geschütze und rückte am 18. unter ungeheurem Jubel der Bevölkerung in Hamburg ein.


*) In den Büchern von Franke und Dr. Zander wird noch ein Detachement Kasanscher Dragoner angegeben, und von letzterem Autor bemerkt, dass Tettenbom wie es scheint die 24 Meilen von Berlin nach Ludwigslust vom 12. bis zum 14. März zurück gelegt.

Die Stimmung in den gebildeten Kreisen Mecklenburgs ward eine immer erregtere, wir finden den Ausdruck der kampfbereiten Jugend in der folgenden Petition der Rostocker Studierenden, welche wir deswegen unverkürzt mitteilen:

Durchlauchtigster Herzog,
Gnädigster Herzog und Herr!

Die Liebe zu Euer Herzoglichen Durchlaucht, unserm allverehrtesten Landesherrn, die unser Innerstes erfüllt und unsern Mut entflammt, Euer Herzoglichen Durchlaucht die größten Opfer zu bringen, die Anhänglichkeit an unser Vaterland, und das Beispiel so vieler deutscher Jünglinge unseres Standes, die zum Schutze ihres Regenten und zur Verteidigung ihres Vaterlandes herbeieilten, hat auch uns zu der untertänigsten Bitte bestimmt, Euer Herzoglichen Durchlaucht mögen es gnädigst gestatten, wenn Höchstdieselben es dem Wohle des Ganzen angemessen finden sollten, alle Jünglinge Mecklenburgs zur Verteidigung des Vaterlandes aufzurufen, dass wir vereint in einem eigenen Korps, in Verbindung mit anderen gebildeten Jünglingen, für unsern geliebten Fürsten und das Vaterland kämpfen dürfen.

Indem wir Euer Herzoglichen Durchlaucht um huldreiche Gewährung unserer untertänigsten Bitte und um gnädige Aufnahme der Äußerung unserer Gesinnungen anflehen, verharren Wir in tiefster Ehrfurcht
Euer Herzoglichen Durchlaucht
untertänigste sämtlich zu Rostock Studierende
Rostock, den 17. März 1813.

Auf diese Adresse erfolgte unter dem 20. März 1813 die nachstehende Allerhöchste Antwort:

An die sämtlichen Studierenden
in Rostock.

Ludwigslust den 20. März 1813.
Wir haben das Anerbieten sämtlicher zu Rostock Studierenden, als einen Beweis ihres edlen Patriotismus und der Uns werten Anhänglichkeit an Unsere Person mit besonderm Wohlgefallen vernommen und geben ihnen deshalb Unsern aufrichtigen Dank in Gnaden zu erkennen; versprechen Uns dabei aber von dem guten Geist der sie beseelt, dass sie mit Ruhe und Vertrauen in treuer Sorgfalt für ihre literarische Bildung, die von Uns notwendig erachtet werdenden Maßregeln zu erwarten sich stets geneigt finden lassen werden, und versichern sie, dass Wir ihr Anerbieten, auf den Fall, dass die Verhältnisse Uns die Ausführung desselben zweckdienlich machen, mit Vergnügen annehmen werden.
gez.: Friedrich Franz.

Der Herzog hatte bereits am 16. März den Minister von Plessen an den Kaiser Alexander abgeschickt und hatte ihn angewiesen, sich in Berlin wegen der militärischen Leistungen Mecklenburgs mit dem General Graf Wittgenstein in Verbindung zu setzen. Der Minister traf nach seinem Bericht am 17. des Nachmittags 3 Uhr dort ein, er fand die Stadt noch in voller Bewegung, weil vor wenigen Stunden das Korps des Generals York dort eingerückt. Es war der 17. März, an welchem, wie oben schon angeführt, Oberst Tettenborns Gefecht beim Zollenspeicher und die Unterzeichnung der Studenten-Adresse zu Rostock stattfanden, zugleich der denkwürdige Tag, an dem der König Friedrich Wilhelm. III. von Breslau aus zu seinem Volke und seinem Kriegsheere sprach — der Tag der Errichtung der Landwehr! Der Minister von Plessen beredete mit dem Grafen Wittgenstein auch die eventuelle Errichtung eines Korps Mecklenburgischer freiwilliger Jäger; als er am 25. Mittags zur Königlichen Tafel befohlen war, sprach sich der König von Preussen gegen ihn darüber aus, dass Jäger zu Fuß im Kriege gute Dienste leisten würden, namentlich wenn viele gelernte Jäger dabei wären. Der Minister berichtete obige Äußerungen, sowie seine Verhandlungen mit dem Grafen Wittgenstein nach Ludwigslust und verließ Berlin am 26. März, um sich nach Kalisch zum Kaiser Alexander zu begeben. — Der Herzog Friedrich Franz hatte sich schon längere Zeit mit dem Gedanken beschäftigt, wie er seine in Folge des Russischen Feldzuges auf das Grenadier-Garde-Bataillon beschränkte Kriegsmacht wieder neu formieren könnte. Die Absicht, ein Jäger-Korps außer der regulären Infanterie zu bilden, war sogar schon mehrfach ausgesprochen; in Folge solcher Äußerungen schrieb der Gutsbesitzer Graf von Osten-Sacken auf Bellin, ein ehemaliger Preußischer Offizier im Regimente Hohenlohe, unter dem 12. März bereits an den Minister von Plessen: „— — — Ist es uns großer Ernst, teil zu nehmen an der Befreiung Deutschlands — wünschen wir den Namen „Mecklenburger“ ehrenvoll unter den Befreiern Deutschlands genannt zu sehen, wünschen wir, ohne zu erröten, künftig die Augen aufschlagen zu können, dann müssen die Maßregeln, die Organisation unsres Hilfskorps anderer Art sein, als es bisher der Fall gewesen. Der Name des Mecklenburgischen Hilfskorps muss nicht bloß genannt werden, wenn von Mehl- und Ochsentransporten die Rede ist, kräftig muss es mitwirken, stets mit vorne muss es stehen, das Weiße im Auge des Feindes nie verlieren und genannt werden bei allen großen Handlungen dieses heilig gewordenen Krieges. Ist dieser von Allen, was die teutsche Zunge redet, laut ausgesprochene Wunsch auch der unsrige, dann bitte ich die von mir vorgeschlagene Organisation, die sich auf eigne Erfahrung und richtigen Grundsätzen und Verhältnissen gründet, zu unterstützen, und dann melde ich mich hierdurch als der erste Freiwillige — — —.“

Da auch hin und wieder von Kavallerie-Formierung die Rede gewesen war, so wandte sich der Rittmeister a. D. von Müller, früher im Königlich Preußischen Husaren-Regimente von Usedom und bereits Inhaber des Ordens pour le mérite, unter dem 23. März an den Herzog und schrieb:

„Ew. Herzogl. Durchlaucht bei der etwanigen Errichtung eines Regiments Kavallerie meine Dienste ganz untertänigst anzutragen, dazu fordert mich doppelte Pflicht auf, tiefe Verehrung für Ew. Herzogliche Durchlaucht und Liebe zur guten Sache, gleich heilige Pflichten. Noch fühle ich Kraft, um dem Ganzen nützlich zu werden, Höchstdieselben bestimmen also über mich. Ew. Herzogl. Durchlaucht Gnade erfreute ich mich stets, Höchstdieselben wissen, wie ich im Besitz eines trefllichen Weibes, dreier hoffnungsvoller Kinder häuslich überaus glücklich lebe und mein Brot habe. Mich also jetzt noch einmal in reiferen Jahren dem Vaterlande bei drohender Gefahr darzubieten, dazu konnte mich nur reine Liebe für meinen Fürsten und Vaterland bestimmen. Von Euer Herzoglichen Durchlaucht Befehl wird es jetzt abhängen, wozu Höchstdieselben mich bestimmen. — — —.“

Auf Allerhöchsten Befehl meldeten sich der Rittmeister a. D. von Müller und der Graf von Osten-Sacken am 26. März bereits in Ludwigslust, um die weiteren Befehle des Herzogs in Empfang zu nehmen. Am Tage zuvor war schon ein Herzoglicher Aufruf zum freiwilligen Eintritt in die reguläre Infanterie ergangen und die baldige Organisation eines Jäger-Korps war in Aussicht genommen; am 26. März erfolgte ein zweiter Aufruf, der die Mecklenburger zu freiwilligen Beiträgen an Geld, Waffen, Pferden, Kleidungsstücken u. s. w. aufforderte und die Hoffnung ausdrückte, dass durch diese Beiträge die Ausschreibung einer besondern Steuer überflüssig werden möchte.

Unter demselben Datum erging die Verordnung wegen des Tragens einer Mecklenburgischen Kokarde zur Legitimation.

Wir sind nun bis auf den Punkt gekommen, wo die Geschichte der beiden freiwilligen Jäger-Regimenter beginnt und stehen im Angesicht des 27. März, an welchem König Friedrich Wilhelm III. dem Kaiser Napoleon den Krieg erklärte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Mecklenburgischen Freiwilligen-Jäger-Regimenter