Die Macht der Frau

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1927
Autor: Marie Gerbrandt, Erscheinungsjahr: 1927

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Frau, Frauen, Mütter, Kameradin,
Worin besteht die Macht der Frau? In ihrem Liebreiz? In ihrer Güte, Ausdauer, Geduld, Hingebung, Überredungskunst? — In jeder dieser Eigenschaften, und wenn mehrere vereint sind, wirken sie umso bezwingender. Schiller sagt:

„Mächtig seid ihr; ihr seid's durch der Gegenwart ruhigen Zauber.
Was die Stille nicht wirkt, wirkt die Rauschende nie.“

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Tatsächlich übt die bloße Gegenwart einer schönen Frau einen beruhigenden, erhebenden, freundlichen Einfluss aus. Doch die gütige, die liebevolle, die Frau, von der man weiß, sie hegt innigste Teilnahme für andere, sie ist stets zu Trost und Hilfe bereit — von ihr geht erst recht dieser Zauber aus. Und er ist umso stärker, je unaufdringlicher und leiser — denn auch Beredsamkeit braucht nicht laut zu sein — er sich entfaltet. Man nennt uns Frauen das schwache Geschlecht. Der Schwäche steht es nicht an, sich vorzudrängen, auf Wichtigkeit Anspruch zu machen, Stärke vorzutäuschen. Und wenn wir uns recht wohl bewusst sind, dass viel auf den Posten ankommt, den wir einnehmen, und Pflichtgefühl uns unsere Wichtigkeit stetig einschärft — wir sollen kein Aufhebens davon machen. Der Mann tut es von seiner Arbeit gewöhnlich nicht im Vollgefühl seiner Stärke, wir sollten's aus Bescheidenheit unterlassen. Es gehört zu unserem Stil. Ein mächtiger Strom des Geschehens braust über unseren Köpfen dahin, wir können nie direkt in ihn eingreifen, müssen dies den Männern überlassen — wie sollten wir nicht bescheiden sein? Nur ein sehr oberflächliches und eitles Weib macht sich nicht klar, was Ungeheures allein durch die Männer geschieht, und meint mit ihrem Getändel wichtig zu sein, wenn sie nur geduldige Zuschauer findet.

Denn der echte Mann hat für den Stil des Weibes ein untrügliches Gefühl. Er will es in seinem Bereich nur soweit an der Arbeit sehen, wie er seine Mitwirkung braucht. Längst ist die Frau von seinem Spielzeug zu seiner Kameradin aufgerückt. Doch auch als Kameradin ist sie ihm mitnichten seinesgleichen. Es bleibt eine kleine Schattierung: die geringere Körper- und Denkkraft, die Zaghaftigkeit, die Schutzbedürftigkeit. In den Augen des Mannes sehr liebenswerte Mängel, die seine edelsten Eigenschaften ins Feld rufen. Wir brauchen uns ihrer nicht zu schämen. Und gestehen wir es uns nur: welche wahre Frau möchte im Manne nicht gern den Stärkeren, Klügeren, Mutigeren sehen? Auch für die Unverheiratete gilt das, für die der Mann als Freund oder Arbeitsgenosse in Betracht kommt.

Aber nun, in diesem nicht zu leugnenden Abstand, welch ein Feld der Wirksamkeit für die Frau! Bei ihr ist die Friedensinsel, an die der Mann in Kampf und Hast des Tages mit Freuden denkt. Bei ihr ist Trost und Beistand, Eingehen auf seine Erlebnisse, Mitbauen an seinen Plänen. Während er sich ihr rückhaltlos vertrauen darf, gibt sie ihre Auffassung dazu und macht ihm manches Ding in neuem Licht erscheinen. Sie mildert seine Schärfe, lässt für diesen Angestellten ein gutes Wort einfließen, jenem Gegner vorsichtig Gerechtigkeit widerfahren, warnt mit Behutsamkeit vor solchen, die den Gutherzigen auszubeuten scheinen. Wohl ihr und ihm, wenn sie das alles mit weiblichem Reiz zu umkleiden vermag. Diesen Reiz verleiht nicht nur Schönheit und Jugend, nein, wie schon gesagt, Güte und Liebe. Nicht jede Frau ist von Natur sanft und milde. Aber ihre heilige Pflicht ist, es gegen den Gatten zu sein und ihn auch nach dieser Richtung zu lenken. Wie die Männer den Kampf, so haben die Frauen Versöhnung und Frieden in Verwaltung.

Doch noch schöner fast als der Einfluss auf den Gatten ist für die Frau das Gebiet der Kinderpflege und -erziehung. Von dem, was die Mutter für die körperliche Entwicklung des Kindes bedeutet, wollen wir hier absehen, es gilt nur das geistige und seelische Erbe, das sie ihren Sprösslingen
vermittelt. Von den Müttern berühmter Männer zu reden, wirkt schon fast wie ein Gemeinplatz, so allbekannt ist, dass die Großen der Menschheit ihr Bestes ihren Müttern glaubten verdanken zu müssen. Den Samen des Edlen und Schönen in Seelen zu streuen, die zu keiner Lebenszeit so empfänglich sind wie in der, die den Händen der Mutter anvertraut ist — welch ungeheures Machtgebiet bedeutet dies für die Frau! Sie legt den Grund für die Richtung künftiger Geschlechter. Verfolgt man von hier aus ihren Einfluss, so wird man ihn kühn der Wirksamkeit des Mannes an die Seite stellen können, denn es ist sicher ebenso wichtig zu pflanzen, wie zu ernten. Doch auch hier gilt Schillers Wort: „Was die Stille nicht wirkt, wirkt die Rauschende nie.“ Und die empfangenen Eindrücke werden umso heiliger bewahrt werden, umso freudiger Frucht tragen, je lieblicher das Bild der Mutter im Gedächtnis des Heranwachsenden steht.

Familie, Mutter und Kind

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Familie, Schule

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Mutter und Kind (2)

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Mutter und Kind beim Stillen 03

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