Graf Guy Chevreuse an Clarisse. Paris, am 8. August 1772.

Meine liebe Schwester,
ich schicke Ihnen die versprochene Bonbonnière. Hoffentlich wird die mère Sainte-Bathilde in ihrer göttlichen Einfalt die Amoretten darauf für Engel des Himmels halten, und die Dragées für ihren einzigen süßen Inhalt. Sie wissen, unter welchen Bedingungen ich Ihnen versprach, die Antwort des Chevaliers in Ihre Hände zu spielen. Heute ist es an Ihnen, diese Bedingung zu erfüllen. Übergeben Sie der kleinen Laval den Brief, den Sie auf dem Grunde des Kästchens finden werden, und benutzen Sie, als die ältere Freundin, Ihren Einfluß, meine inneren und äußeren Vorzüge so glänzend zu schildern, daß meine Gestalt die Träume Delphines beherrscht. Friedrich-Eugen ist ein hübscher Junge, aber allzu deutsch, als daß ich ihn nicht auszustechen vermöchte, wenn nicht jene gewisse moderne Sentimentalität, die neuerdings das Wort Liebe au ton tragique auszusprechen befiehlt, von Ihrer Freundin Besitz ergriffen hätte. Es ist an Ihnen, ihr zu lehren, daß jene holde Anziehungskraft zwischen den Geschlechtern dazu da ist, das Leben leicht, nicht schwer zu machen. Amor hat Flügel. Nur Gefangene mit Bleigewichten an den Füßen drehen sich immer im traurigen Zirkel desselben Raums – – –


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Liebesbriefe der Marquise. Teil 1