Gründerschwindel und Wucher

Dass Herr Marr die obligaten Vorwürfe des Gründerschwindels und Wuchers vergessen werde, hat wohl niemand gefürchtet; ist das ja das beste Agitationsmittel des Judenhasses. Die Not, die allgemeine Kalamität ist vorhanden und „in Nöten und in Fährten“ da tut es dem Deutschen immer wohl, in den Juden einen Sündenbock, einen Prügeljungen zu haben. „Sie haben ja auch seiner Zeit die Brunnen vergiftet“; warum sollten sie nicht auch die Krisis verschuldet haben. Tut nichts, dass es in der ganzen Welt „gekracht“, auch wo weit und breit keine Juden sind; tut nichts, dass auch die Juden „krachen“ mussten: der schwarze Tod war auch weit hinten in Asien, er befiel auch die Juden – doch die deutschen Juden hatten ihn hervorgebracht. Damals wollten sie die Menschheit ausmorden – heute wollen sie die ganze Menschheit beherrschen. In solchen Zeiten kommen immer die Capristane, die Geißelbrüder etc.

Nun, Herr Marr kann über Gründerschwindel wohl ein Wort mitreden. Man hat ihm vor kurzem mit gesperrter Schrift zu lesen gegeben, das er Jahre lang in Brot und Sold des Gründerpatriarchen Dr. Strousberg gestanden, um dessen Gründungen durch die Presse zu fördern. Ob ihn diese Qualifikation, mitzureden, auch moralisch berechtige, Gründern Vorwürfe zu machen, das ist die Frage.


Doch will ich damit nicht entschlüpfen; ich scheue mich nicht, der Sache näher zu treten. Für manchen Leser dürfte vielleicht eine Darstellung vom Entstehen und Verlauf des Gründerschwindels erwünscht sein. Ich muss aber hierauf verzichten, obschon eine solche Betrachtung geeignet wäre, nachzuweisen, dass die Juden in einer nicht allzuweit hinter uns liegenden Periode, als das „Gründen“ noch gesund war, in sehr förderlicher und volkswirtschaftlich nützlicher Weise mitgewirkt haben. Wie viele solide Bahnen und heute noch blühende Etablissements sind durch jüdisches Kapital gegründet worden; das hat man vergessen; die „moralische Verirrung“ des „Gründerschwindels“ aber, müssen sie verschuldet haben. Das ist germanische Mode und Methode. Ich möchte über diese sozial-politische Sünde für welche teilweise Deutschland heute büßt, nur Folgendes sagen.

Die Manchesterlehre haben die Juden nicht erfunden, Zeit und Ort ihrer Genesis liegen außerhalb des Bereichs jüdischen Einflusses. Wenn das aber auch anders wäre; absolut verwerflich wird niemand diese Lehre finden. Mit dem nötigen Maße von Vorsicht und Weisheit bei einem für sie reifen Volke eingeführt, kann sie sehr wohltätig wirken. Ich glaube kaum, dass je die Zeit kommen wird, wo man dieses Dogma ganz und gar als wirtschaftliche Ketzerei erklären wird. Die Tatsache aber, dass sie in die deutsche Gesetzgebung in Übereinstimmung von Regierung und Parlament und ohne besonderes Hervortun den Juden überging, ist unbestreitbar. Dass aber im Gegenteile ein Jude hemmend eingewirkt und den bereits vorhandenen Missbrauch zuerst enthüllt, ist im vorigen Abschnitt mit bekannten Daten erhärtet worden.

In Deutschland ward diese Lehre sehr rapid in die Gesetzgebung übertragen unter dem erhebenden Eindruck glänzender Ereignisse, im Siegesrausche und unter den Klängen jener Geigen, mit welchen der Himmel durch die Milliarden behangen war. Die Milliarden waren einmal da, sie gehörten dem deutschen Volke, warum sollte nicht jeder etwas davon haben.

Dieser Gedanke, menschlich, moralisch vielleicht nicht unbedingt verwerflich, aber durchaus irrtümlich, gesellte sich zu dem oben geschilderten Materialismus und aus dieser Verbindung entstand das Miasma, welches die moralische Krankheit des Gründerschwindels erzeugte, unter – Germanen und Juden. Ich will nicht sagen, dass alle Gründer, ihre Helfer und Aktienkäufer, „Materialisten“ in philosophischem Sinne waren, aber gewinn- und genusssüchtig waren viele, viele, Germanen und Juden. Bei Einzelnen hatte die Krankheit schon eine große Elastizität des Gewissens erzeugt, bei Andern Gewissenlosigkeit, was um so leichter war, da man schon viel tun durfte, bis man etwas Ungesetzliches tat; aber sie waren Germanen und Juden.

Otto Glagau, sagt Herr Marr, habe nachgewiesen, dass 90% der Gründer Juden waren. Nachgewiesen, Herr Marr, das wäre anders, behauptet hat er's. Andere aber haben ihm entgegengestellt, dass wenn man jeden jüdischen Kommis und jeden Lehrling hinzurechnet, der je eine Aktie verkauft hat, dieser Prozentsatz nicht herauszubringen ist. Gründerstatistikschwindel, nichts anders.

Herr Glagau wie Herr Marr und alle Jundenfeinde befolgen, bei der die Juden betreffenden Statistik eine ganz artige Methode. Wo's zum Nachteile der Juden ausschlagen soll, da werden auch nicht nur die in eigner Person durch die Taufe Übergetretenen, sondern auch deren Kinder, Enkel und Urenkel, als „Semiten“ oder „Abkömmlinge des auserwählten Volkes“ zu den Juden gezählt. So bringt man freilich etwas heraus; aber auch so ist Glagaus Aufstellung noch nicht richtig. Gereicht eine größere Zahl zum Vorteile der Juden, dann gehört jeder Getaufte der Kirche. Dr. Strousberg gehört uns, es fällt aber niemandem ein, dass dann z. B. Dr. Glaser, der österreichische Justizminister, der im Jahre 1877 in Österreich die Wiedereinführung der Wuchergesetze durchsetzte, nicht mehr und nicht weniger Jude ist, als Dr. Strousberg. Wenn man heute den Liberalismus in missliebiger Weise den Juden zuschreibt, müsste man doch daran denken, dass Stahl und Leo, die Säulen der alten Reaktion in Eurem Sinne doch auch Juden waren. Das ist germanische Gerechtigkeit und Konsequenz gegen Juden.

Es ist ein alter Salz, dass man die Stimmen nicht immer zählen, sondern wiegen müsse. Ich glaube, dass dieser Satz auch angewendet werden muss, wo es sich um die Beurteilung der moralischen Mitschuld am Gründerschwindel handelt. Seit wann gelten Euch die Juden so viel? Immer hat man sie verachtet, verhöhnt, ausgeschlossen. Aber will man sie für eine nationale Kalamität verantwortlich machen, da wiegt ein jüdischer Parvenü so viel als ein germanischer Herzog. Man lese nur Glagaus Buch:

Wer zählt die Titel, nennt die Namen,
Die traulich hier zusammenkamen?

Herzöge, Fürsten, Freiherren, Barone, Geheime – und allerlei andere Räte, kurz Männer aus der höchsten Geburts- und Beamten – Aristokratie , Konservative und Liberale, darunter als sehr fromm Bekannte, auch solche, die sich, wie Glagau berichtet, sehr hoher Protektion im Gründen zu erfreuen hatten – allesamt mit Germanen – und diese Namen sollen bei dem Schwindel nicht mehr gewogen und gezogen haben, als etwa Wolf Schmelkes oder Bär Orangenblüte, sollen auch nicht mehr verantwortlich sein!

Ich will keinen Juden in Schutz nehmen, der beim Gründerwesen beteiligt war; ich behaupte bloß: der Gründerschwindel war eine schwere sittliche Verirrung der deutschen Nation (Herr Marr wird erlauben, dass ich, so lange die jetzige Reichsverfassung besteht, auch die Juden hierunter begreife). Die Juden, welche dabei mitgewirkt haben, für diese Verirrung allein verantwortlich zu machen, wenn sie auch numerisch einige Gründer mehr gestellt haben, ist schon ungerecht; aber alle Juden der Welt dafür züchtigen zu wollen, das ist – nun das ist – denn doch zu stark, als dass ein Vernünftiger es wird gelten lassen.

Genau so finden wir's aber bei dem Vorwurf des Wuchers, zu welchen ich jetzt übergehe.

Hier möchte ich voraus erklären, dass ich alles, was je Philosophen, Rechtslehrer und Nationalökonomen zu Gunsten des Wuchers geschrieben, energisch abweise, dass ich als Mensch und Jude jede Art von Wucher entschieden verdamme, dass ich nichts sehnlicher wünsche, als es möchte der Gesetzgebung recht bald gelingen, ihn unmöglich Oder doch strafbar zu machen.

Dagegen behaupte ich eben so energisch, eben so entschieden, dass die Juden den Wucher weder erfunden, noch gefördert, noch ihn ursprünglich freiwillig betrieben, sowie sie ihn denn auch heute nicht h?ufiger als Nichtjuden betreiben. Ich werde das beweisen.

Herr Marr behauptet geradezu, „die Juden hätten den Wucher erfunden, wenigstens sie hätten ihn nach Rom gebracht.“ In dieser Behauptung liegt ein Grad von wirklicher oder affektierter Unkenntnis der Geschichte, der Staunen erregen muss. Wissen Sie denn gar nichts, Herr Marr, vom Auszug der Plebejer nach dem heiligen Berg, der seinen Grund in dem maßlosen Wucher der Patrizier und die Einsetzung des Tribunats und die Aufzeichnung des Zwölftafelgesetzes mit einem Zinsmaximumsparagraphen zur Folge hatte; so geschehen nur etwa 560 Jahre vor der Zerstörung Jerusalems. Wissen Sie gar nichts davon, dass durch die ganze spätere Geschichte der römischen Republik der Wucher wesentlich auf die Entwickelung der Verfassung einwirkte. Lesen Sie doch eine römische Geschichte nach, eine kleine, sie finden das alles. Oder lesen Sie Peter Reichensperger „Zins- und Wucherfrage“; er schreibt S. 30. „Gewiss ist es, dass niemals ein christliches Volk so viel unter der Geißel des Wuchers gelitten hat, als dies beim römischen und jedem andern heidnischen Volke der Fall war.“ Daraus folgt nicht nur die Härte des römischen Wuchers, sondern auch das Zeugnis, dass die unter den christlichen Völkern zerstreuten Juden, die allein ja gewuchert haben sollen, viel milder verfuhren, als die Römer. Wollen Sie, Herr Marr, Angesichts dieser geschichtlichen Zeugnisse noch behaupten, die Juden haben den Wucher ins Abendland gebracht.

Übrigens hat das frivole Spiel mit der Wahrheit, das an Herrn Marr charakteristisch ist, ihm einen sehr losen Streich gespielt.

Er behauptet wörtlich: „Der Semitismus fand für seinen Realismus einen günstigen Boden und schon zu Constantins Zeiten bildeten die „Neujuden“ (Christen) die Geldmacht in Rom.“

Herr Marr nennt hier die zu Constantins Zeiten in Rom befindlichen Christen „Neujuden“, in der unverkennbar malitiösen Absicht, sie als von Juden abstammend zu bezeichnen. Ich fordere Herrn Marr auf, den Kirchenhistoriker zu nennen, der für diese seine Geschichtsfälschung einträte.

Die „Neujuden“, d. h. die in Palästina aus Juden rekrutierte erste Christengemeinde (Judenchristen) überdauerte die Tempelzerstörung kein halbes Jahrhundert, sie zerfiel in ein Dutzend Sekten und verschwand. Seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts gab es, von Einzelnen abgesehen, keine aus dem Judentume stammenden Christen mehr, nur noch aus dem Heidentume stammende. Zahlreich und mächtig mögen diese zur Zeit Constantins gewesen sein, dies folgt aus der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion; aber ich möchte den sehen, der beweisen könnte, dass sich zu damaliger Zeit eine erkennbare Anzahl Christen in Rom befand, die von Juden abstammten.
Was hat demnach Herr Marr bewiesen? Nichts anderes als, dass zur Zeit der Erhebung des Christentums zur römischen Staatsreligion die Christen in Rom die Geld macht bildeten. Das wollte er sicher nicht beweisen. Si tacuisses etc.

Ich kann diese Behauptung des Herrn Marr, wie sie sich mir aus obigem ergibt, weder widerlegen noch bestätigen; dass aber die Christen im früheren und späteren Mittelalter Geldgeschäfte trieben, selbst Geistliche, trotz des kanonischen Zinsverbots, das ergibt sich aus vielen dagegen gerichteten Konzilsbeschlüssen.

Dass diese Geldgeschäfte von Christen im Mittelalter oft den Charakter sehr drücken den Wuchers annahmen, beweist folgende sehr interessante Tatsache.

Roscher (Syst. d. V. I. § 184) berichtet mit Quellen-Angabe, dass die Florentiner 1430 Juden zu sich beriefen, um den um jene Zeit zur Unerschwinglichkeit hoch gestiegenen Zinsfuß herab zudrücken.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die Juden den Wucher nicht nach dem Abendlande gebracht, sondern ihn hier vorgefunden, dass auch die Christen im Mittelalter Wucher trieben, oft einen drückenderen als die Juden.

Im Weiteren werde ich nun beweisen, dass die Juden im Altertume Geldgeschäfte überhaupt nicht und im Mittelalter erst gezwungen und mit schwerem Herzen betrieben haben.

Meinem Gewährsmann wird Herr Marr wohl glauben müssen, er ist eben wieder das Zentrumsmitglied Herr Peter Reichensperger, welcher a. a. O. S. 26. wie folgt sich ausspricht: „Die Mosaische Gesetzgebung gestattete das Zinsnehmen unbeschränkt gegenüber den Fremden, indem sie zugleich Sorge trug, den Verkehr mit denselben möglichst einzuengen, verbot dasselbe dagegen unbeschränkt gegenüber den Juden. Diese Gesetzgebung war eben wesentlich darauf berechnet, die Juden nicht etwa zu einer großen und mächtigen Nation, sondern zu einem in sich abgeschlossenen Volke zu erziehen und es zur Erfüllung seiner hohen Mission als Trägerin des Gottesglaubens bis zu den Tagen der Erfüllung zu befähigen. Die Entwickelung der materiellen Interessen musste darum in den Hintergrund gedrängt werden, wie dies auch in der Einsetzung des Jubeljahres und der dadurch erstrebten Gleichheit des Besitztums aufs schärfste hervortritt.“ Ich füge dem noch bei, dass Herr Reichensperger S. 28, außerdem noch dem Gedanken Ausdruck gibt, dass das kirchliche Zinsverbot in seinen Motiven aus der mosaischen Gesetzgebung herübergenommen ist.

Herr Marr, das sind gar köstliche Sätze, besonders der erste. Der wiegt ein Buch auf, Ihre Broschüren fliegen vor ihm wie Flaumfedern in die Luft. Es ist das Geringste, dass hier gesagt ist, dass die Tendenz des Wuchers der mosaischen Gesetzgebung fremd ist, dass Zinsgeschäfte mit Nichtjuden ihrem Geiste zuwiderlaufen. Das ist, sagte ich, das Geringste. Ihr ganzes Gewebe zerreißt dieser Satz. Wo bleibt Ihr „semitischer Realismus“, wenn die mosaische Gesetzgebung wesentlich darauf berechnet war, „die Juden nicht zu einer großen und mächtigen Nation zu machen“, wenn in ihr „die materiellen Interessen in den Hintergrund gedrängt werden mussten.“ Wo, frage ich nochmals, ist da der „semitische Realismus?“

Herrn Reichenspergers Buch zeigt uns recht deutlich den Unterschied zwischen dem gesinnungstüchtigen, wissenschaftlichen Mann, der als Volksvertreter seiner Nation nützlich werden will, und dem Publizisten, der „in Judenhass macht.“ Herr Reichensperger konnte eine vortreffliche, 90 enggedruckte Seiten fassende wissenschaftliche Abhandlung über „die Zins- und Wucherfrage“ schreiben, ohne auch nur ein einziges Mal das Wort „Jude“ zu gebrauchen. Herr Marr dagegen –.

Kehren wir zur Sache zurück. Wir haben erfahren, dass die mosaische Gesetzgebung, das Zinsnehmen von Fremden gestattet, den Verkehr mit solchen aber beschränkt, und die materiellen Interessen mit Rücksicht auf die höhere Mission Israels in den Hintergrund gedrängt haben will.

Ganz in dem Sinne, wie Herr Reichensperger die Sache auffasst, verbot der Talmud, als Israel unter die Völker zerstreut wurde, das Zins nehmen von Nichtjuden ganz und gar und gestattet es nur demjenigen, der des Zinses zu seinem Lebensunterhalt bedarf, nicht aber zur Vermehrung seines Vermögens. (Baba mezia 70.)

Der unter der Herrschaft des Halbmonds lebende Maimonides condifiziert ums Jahr 1180 dieses Zinsverbot noch als ganz unbedingt zu Recht bestehend.

Aufgehoben ist dieses Verbot eigentlich nie worden, nur war seine Aufrechthaltung im Abendlande durch die raffinierte Politik des Mittelalters in der „Judenfrage“ den Juden unmöglich gemacht, man kann fast sagen, staatlich verboten worden. Man verbot ihnen jeglichen andern Erwerbszweig, gestattete ihnen ausschließlich Geldleihgeschäfte zu enormen Zinsen. Der mittelalterliche Staat bediente sich der Juden, den übrigen Ständen ihr Geld abzupressen, um es dann seinerseits den Juden wieder abzunehmen. Das war eine billige und bequeme Art der Steuererhebung.

Allein die Juden fügten sich keineswegs gerne in diese schimpfliche und ihrer Religion widersprechende Berufsart. In den Glossen (Tosaphot) zu obiger Talmudstelle klagt R. Jakob Tam (gest. 1171) bitter darüber, dass das Verbot, von Nichtisraeliten Zins zu nehmen, nicht aufrecht erhalten werden kann, indem er sagt: „Man hat uns keinen Erwerbszweig gelassen, unser Leben zu erhalten, und die hohen Abgaben zu erschwingen, welche unsre Landesherren uns auferlegen.“ So aber blieb es bis zum Anfange unsres Jahrhunderts.

Ich will nun keineswegs bestreiten, dass heute noch, wo dieser Grund hinfällig geworden ist, Juden Wucher treiben. Der Zweck dieser meiner Arbeit ist durchaus nicht, sie in Schutz zu nehmen oder ihr unmoralisches Treiben zu beschönigen. Ich und die große Masse meiner Glaubensgenossen verachten vielmehr diese Schändlichen aus Herzensgrunde und wir wünschen nichts sehnlicher, als dass es der Gesetzgebung möglichst bald gelingen möge, ihnen das Handwerk zu legen.

So rückhaltlos ich aber dieses ausspreche, eben so energisch bestreite ich, dass man das Recht hat, das Judentum der Förderung des Wuchers oder die Judenheit par excellence des Wucherbetriebs anzuklagen, wie Herr Marr und Andere das tun.

Ich behaupte vielmehr, dass nur einzelne, nicht einmal viele Juden wuchern, dass aber auch Nichtjuden wuchern, verhältnismäßig nicht weniger wuchern. Ich werde das an allgemeinen und besonderen Beispielen beweisen.

In Norwegen werden wohl Mormonen aber keine Juden geduldet. Dennoch mussten dort die 1842 aufgehobenen Zinsbeschränkungsgesetze 1851 wieder eingeführt werden. Demnach müssen die protestantischen Kapitalisten Norwegens eben auch gewuchert haben.

In Belgien wohnen nur sehr wenige Juden. (3000); auf 1800 Einwohner kommt ein einziger Jude. Dennoch glaubt die belgische Gesetzgebung nicht ohne Strafbestimmung gegen den Wucher bestehen zu können. Also müssen die katholischen Kapitalisten Belgiens nicht gegen Wuchergelüste gefeit sein.

In England bestehen die günstigsten Geldverhältnisse; weder Juden (es kommt ein einziger auf 300 Einwohner) noch ihre Kapitalien dominieren dort.

Aber trotz aller Vorsicht, mit welcher man in England mit der Aufhebung der Zinseinschränkungsgesetze zu Werke ging, hatte diese Maßregel doch den Wucher zur Folge und ein Parlamentsmitglied, M. Williams, konstatierte 1845, dass ihm Fälle bekannt seien, in welchen sich Anlehensbedürftige zu 20–60 Prozent verstanden hatten, um eine kurze Existenz zu fristen. Ich entnehme diese Beispiele der erwähnten Schrift des Herrn Reichensperger und sie sind aus Ländern, wo von einem herrschenden Einfluss der Juden gar nicht die Rede sein kann. Wir sehen daraus, dass der Wucher, wie zeitlich im Altertum so auch räumlich in der Gegenwart ganz unabhängig von den Juden bestand und besteht.

Ich gehe zu einigen Einzelheiten über. Das schändlichste Wucherwesen betreiben die Privatleihanstalten, nicht nur weil sie die ärmsten Klassen bewuchern, sondern auch weil sie dem Verbrechen Handlangerund Hehlerdienste leisten. Ich fordere Herrn Marr auf, mir zu beweisen, dass auch nur ein Prozent dieser Anstalten in Judenhänden ist. Diese Tatsache beweist zunächst, dass die Juden sich von der schlimmsten Art des Wuchers fern halten und die Ehre, diesen zu betreiben, Germanen zukommt.

Es steht aber eben so unumstößlich fest, dass wuchernde Germanen, viel unbarmherziger zu Werke gehen als Juden. Raiffeisen (Darlehenskassen-Vereine, 2. Aufl. S. 2. ff.) erzählt, dass ein Mann, „welcher etwas darauf hält, äußerlich ehrbar und religiös zu erscheinen“ und dessen Vermögen durch Liebesdienste gegen seine armen Mitmenschen (in der Form von Darlehen) zu einer bedeutenden Höhe angewachsen war, ein Anwesen von einem reellen Wert von 1.000 Thalern, das ihm für eine Schuld von 450 Thalern hypothekarisch verpfändet war, durch eine „geschickte“ Manipulation um 49, sage neunundvierzig Thaler an sich brachte. Er erlöste die 1000 Thaler wirklich, hatte noch 401 Thaler Guthaben bei der obdachlos gemachten Familie und versagte dieser Familie selbst ein kleines Quantum Steine von den später abgebrochenen Gebäulichkeiten zum Bau einer Hütte, Der Erzähler schließt: „Diese Mitteilungen beruhen auf gerichtlichen Tatsachen.“

Noch kann ich folgenden Fall, welcher in der Nähe Würzburgs im Sommer 1879 sich zutrug, meinen Lesern nicht vorenthalten Ein Bauer zu Pl. schuldet einem Bauern zu Hsn. auf die verpfändete Hofrente (die Äcker sind frei) 800 Gulden. Der Gläubiger will sein Geld und beantragt Verkauf des Pfandobjekts, also Haus und Ökonomie-Gebäude vom Gute weg; der bedrängte Mann sucht Rat und Hilfe bei einem Herren, der mir für die Tatsachen einsteht und nicht Jude ist; der Herr rät, der Schuldner soll den Gläubiger bitten, er möge ihm das Kapital stehen lassen. Dieser erwiderte: Er lässt mir's schon stehen, wenn ich 200 Gulden mehr verschreibe und den Zinsfuß um ein Prozent erhöhe.

Also 200 Gulden Provision auf 800, das sind 25 Prozent, für eine Hypothekarschuld auf ein Objekt, das 3000 Gulden wert ist. Ich frage sind je von einem Juden solche Händel bekannt geworden? Also weder den hässlichsten noch den härtesten Wucher treiben Juden, aber auch nicht den meisten. Die germanischen Wucherer, die wir bis hinauf in sehr hohe Regionen der Gesellschaft suchen dürfen, wie das bekannte Tatsachen beweisen, werden nur seltener entdeckt und zwar aus einem einfachen Grund. Der germanische Wucherer zieht sich zurück, wo das Risiko beginnt; hat er sein Opfer gefesselt, so überlässt er das Abschlachten einem Juden; an diesem bleibt dann die Gehässigkeit des zur Öffentlichkeit kommenden Falles hängen; jener hebt den Rahm ab, dieser hat die saure Milch; auch hier bewährt sich oft die Erfahrung, dass die kleinen Spitzbuben gehenkt werden, während die größeren frei ausgehen.

Dann wird der Jude von den Argusaugen des Hasses bewacht; jeder von einem Juden begangene Fall wird von der judenfeindlichen Presse an die große Glocke gehängt. Kann diese nicht umhin, einmal einen Germanen zu brandmarken, was nur in sehr flagranten Fällen geschieht, so verschweigt man die Abstammung des Übeltäters und schließt mit dem obligaten „so treiben's die Juden“ und der Leser behält den Eindruck, es sei auch hier von einem Juden die Rede. Zwei, drei Namen jüdischer Wucherer werden dutzendmal aufgetischt, bald ausdrücklich, bald in Chiffern, bald Fälle ohne Namensangaben mit bloßer Anspielung; es treten auch fingierte, ungreifbare Fälle auf z. B. ein Jude im Vorbachthale, ein jüdischer Halsabschneider in der Wetterau (suche ihn einer!) treibts so und so. Durch diese gewissenlose Plusmacherei, deren Zweck die „Hatz“ ist, hat man neuerdings den Juden in schändlicher Weise ein Sündenregister angelogen, dass ich selbst bald glaube, ich sei ein Wucherer, obwohl ich in meinem Leben noch nie in der Lage war, auch nur fünf Mark darleihen zu können.

Aber trotz alledem hat weder Herr Marr noch irgend ein Hetzredakteur den Beweis geliefert, dass über zwei Prozent aller existierenden Wucherer Juden sind. Dieser Beweis müsste geliefert werden, wenn Euer Geschrei Wert haben sollte. Aber die Suche nach diesem Beweise würde ergeben – dass wohl Juden wuchern – aber auch, dass der Germane seinen Mitmenschen eher zu Grunde gehen lässt, als dass er ihm einen Groschen ohne genügende Sicherheit borgt, sowie dass Hunderte von Germanen in ihren jüdischen Gläubigern ihre Wohltäter erkennen, die ihnen die Möglichkeit boten – wenn auch nicht ohne eigenen Nutzen – ihre Existenz bis zum Eintritt besser er Zeit zu fristen.

Ich muss das Kapitel schließen, sonst würde ich noch hervorheben, dass die meisten von Juden Bewucherten gewissenloser sind als die ebenfalls gewissenlosen jüdischen Wucherer: Verschwender, Projektemacher, die mit dem vollen Bewusstsein, dass der Gläubiger gar nichts erhält, borgen. Ich könnte ebenfalls aus Würzburg einen Beweis hierfür bringen, den ich aber aus Rücksicht auf den Stand, dem der in Rede stehende Borger angehörte, verschweige, obschon ein Jude dafür an dem Pranger stehen musste. Ich mache keinen Stand für ein Individuum verantwortlich, darum mag das Gesagte genügen.

Ich wiederhole, ich will die jüdischen Wucherer nicht in Schutz nehmen. Es gibt mir auch deren nicht zu wenige; ein einziger ist mir zu viel; ich und mit mir 98 Prozent meiner Glaubensgenossen möchten sie alle nach irgend einer Südseeinsel wünschen. Was ich aber behaupte und bewiesen habe ist: dass die Juden den Wucher nicht erfunden, dass sie gegen ihr Wollen vom Mittelalter bis Anfangs unsres Jahrhunderts dazu getrieben wurden, dass heute unter allen Klassen der Bevölkerung Deutschlands mehre und schlimmere Wucherer sich befinden als die Juden. Der weitaus größte Teil der Juden ist so ehrlich und so ehrbar als Herr Marr und Consorten, die sich vom Judenhass nähren.