Einleitung

Der Kreis Düsseldorf umfasst das östliche Uferland des Rheines von der Krümmung des Stromes bei Benrath an bis zum Laufe der Ruhr; seine Grenzen bilden im Norden der Kreis Essen, im Osten der Kreis Mettmann, im Süden der Kreis Solingen, gegenüber, auf dem linken Rheinufer, liegen die Kreise Krefeld und Neuss. Er umfasst, außer der Stadt Düsseldorf, die mit 144.642 Einwohnern (189o) unter selbständiger Verwaltung steht, die Städte Angermund, Gerresheim, Hilden, Kaiserswerth und Ratingen nebst 29 Landgemeinden und hat eine Einwohnerzahl (189o) von 65.950 Seelen.

Das von Buschwald und Sümpfen bedeckte, von mehreren Rheinarmen durchschnittene Uferland mit den ostwärts sich aufbauenden Berghöhen befand sich am Beginn unserer Zeitrechnung im Besitz der Sigambrer, darnach wurde es von den Tenkterern eingenommen. Die enge Verbindung des rechtsrheinischen Landstreifens mit dem Römergebiete auf dem linken Stromufer bezeugt eine Fülle von Einzelfunden, besonders die außerordentlich große Zahl von Schalen aus terra sigillata; ein weitverzweigtes Straßennetz beweist schon für die ersten Jahrhunderte die intensive Kultur. Nachdem vom Ende des 3. Jahrhunderts ab die Römer über den Rhein zurückgedrängt waren, wird der Fluss wiederum die Grenze des unteren Germaniens. Jetzt häufen sich die Zeugnisse für die germanischen Ansiedelungen, umfangreiche Wallburgen und verstreute Gräberfelder, deren größtes vom Kaiserhain über die Golzheimer Haide hin sich erstreckte.


Unter den Franken gehörte das Gebiet unseres Kreises zum Herzogtume Ripuarien und bildete den größten Teil des Keldagaues. Schon im 7. Jahrhundert wurde die Bekehrung der eingesessenen Franken zum Christentum unternommen durch den h. Suitbertus, der auf der Rheininsel, die später nach Friedrich Barbarossa Kaiserswerth getauft ward, das erste Kloster errichtete. Die sämtlichen Pfarren des Bezirkes gehörten zum Neusser Dekanat, von dem erst Erzbischof Ferdinand (1612 bis 1650) das Düsseldorfer Dekanat abtrennte. Am Ausgang des 10. Jahrhunderts steht der Keldagau wie der nördliche Ruhrgau unter den zu Aachen residierenden lothringischen Pfalzgrafen. Gegen das Ende des 12. Jahrhunderts treten dann an die Stelle der rheinischen Pfalzgrafen die Grafen vom Berge, die unterdessen im benachbarten Deutzer Gau als das kräftigste Edelgeschlecht des rheinischen Berglandes emporgekommen waren. Um diese Zeit erscheint zum ersten Male, in einer Urkunde des Jahres 1159, der Name des kleinen Ortes an der Mündung der Dussel, der später die Hauptstadt des Landes wurde: Düsseldorf.

Der Zeitabschnitt vom Jahre 1000 bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts bedeutet für den ehemaligen Keldagau eine hohe Blüteperiode des romanischen Kirchenbaues. Eine ganze Fülle kleiner, dreischiffiger, im Schema ziemlich eng verwandter Kirchen, zum grossen Teil von Kaiserswerth aus gegründet und von dessen Kirche auch baugeschichtlich abhängend, wurde errichtet. So liegen rund um Düsseldorf Bilk, Kalkum, Wittlaer, Mündelheim, Itter, Himmelgeist, Benrath, Hubbelrath, Erkrath und endlich die drei stattlicheren Bauten des Kreises, die Kirche von Hilden, der Ostchor von Kaiserswerth, und die Stiftskirche zu Gerresheim. Dieser langen Reihe entsprechen unter der Herrschaft der Gotik nur zwei Bauwerke, die Stiftskirche zu Düsseldorf und die Pfarrkirche zu Ratingen.

Den Versuchen des mächtig aufstrebenden Kölner Erzstifts, die benachbarten Grafen und Herren in völliger Abhängigkeit zu ersticken, setzte erst die Schlacht bei Worringen im Jahre 1288 ein Ziel. Hier entschied das rechtzeitige Eingreifen des Grafen Adolph V. von dem Berge, der mit den Kölner Bürgern gemeinsam mit dem Herzog von Brabant und den Grafen von Jülich und Mark gegen den Erzbischof von Köln stritt, den Kampf. Der Sieg war zugleich der Anlass für das Aufblühen Düsseldorfs. Der Wunsch des Grafen, dem bergischen Hinterlande einen unmittelbaren Anschluss an den Rheinhandel zu schaffen, war bisher an dem Widerstände des Erzbischofs und der Kölner Kaufmannschaft gescheitert. Jetzt benutzte Graf Adolph den günstigen Moment: noch im selben Jahre erhob er Düsseldorf unter Erteilung schwerwiegender Privilegien zur Stadt.

Im Laufe der folgenden Jahrhunderte kam die Grafschaft Berg — im Jahre 1348 — an das Herrscherhaus von Jülich, unter Herzog Adolph erfolgte endlich im Jahre 1423 die politische Vereinigung des Herzogtums Jülich mit Berg, die von da an bis 1801 bestanden hat; Herzog Wilhelm III. fügte für seinen Sohn noch Ravensberg, Kleve und Mark hinzu, so dass vom Jahre 1521 die sämtlichen niederrheinischen Territorien mit Ausnahme von Geldern unter dem Szepter der ehemaligen Herren vom Berge vereinigt waren.

Während über die Dynastie selbst das schwere Schicksal der vollständigen Entartung hereinbrach und der Geist ihrer beiden letzten Sprossen, der Herzöge Wilhelm des Reichen und Johann Wilhelm des Guten im Wahnsinn erlosch, blühte die Stadt Düsseldorf, die 1511 zur Landeshauptstadt geworden war, rasch auf. Die neue bauliche Entwicklung schloss sich den Formen der niederrheinischen Renaissance an, die in dem Ausbau des Schlosses und des Rathauses ihren Höhepunkt fand. Und während sich schon am politischen Himmel des Herzogtums die Gewitter zusammenballten, die Leiche des Jungherzoges in Rom moderte, der schwache Herzog haltlos zwischen politischen und religiösen Extremen hin und herschwankte, wurde die Hochzeit zwischen der leidenschaftlichen und männlich starken Jakobe von Baden und dem schwachsinnigen Thronerben, dem Urenkel der wahnsinnigen Johanna von Kastilien, mit überschwänglicher Pracht in Szene gesetzt. Die Hochzeitsfeier von 1585, die kräftigste Lebensäußerung des Renaissancegeistes in den niederrheinischen Städten, bot zugleich die letzte glänzende Repräsentation des bergischen Herzogshofes. Schon nach wenig Jahren begannen die Streitigkeiten und inneren Befehdungen; Jakobe von Baden endete im Kerker; und als endlich im Jahre 1609 mit dem wahnsinnigen Herzog der Hauptstamm des herzoglichen Hauses elendiglich einging, zogen die Stürme des jülich-bayrischen Erbfolgekrieges über das Land hin. Brandenburg und Pfalz-Neuburg stritten sich um die Erbfolge; der Schwiegersohn der ältesten Tochter des Herzogs Wilhelm, der Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg, und der Gemahl der zweiten Tochter des Herzogs, der Pfalzgraf von Neuburg, beanspruchten das Land, der letztere für seinen Sohn Wolfgang Wilhelm. Spanisch-österreichische und holländisch-französische Truppen wurden zu Hilfe gerufen, und um dem unerträglichen Zustande der Brandschatzungen und Plünderungszüge ein Ende zu machen, einigten sich 1624 die beiden streitenden Parteien zu Düsseldorf dahin, dass der Kurfürst Kleve, Mark und Ravensberg, der Pfalzgraf Jülich, Berg und Ravenstein behalten sollte.

Die ersehnte Ruhe kam aber damit noch nicht. Wolfgang Wilhelm, wiewohl er im dreißigjährigen Kriege neutral blieb, konnte es doch nicht verhindern, dass seine Länder abwechselnd von schwedischen, kaiserlichen und französischen Truppen durchzogen wurden. Weitere Konflikte brachte die Kirchenpolitik Wolfgang Wilhelms, der 1615 zur katholischen Kirche übergetreten war und mit dem Eifer des Neubekehrten seine katholische Gesinnung zu betätigen strebte. Holländische und brandenburgische Truppen übten dafür an den Katholiken Repressalien und erst der Vertrag von Kleve, der am 19. September 1666 geschlossen ward und die Teilungsfrage endgültig zwischen den beiden streitenden Parteien entschied, brachte eine kurze Periode des Friedens, die nur 1689 und 1702 noch einmal jäh unterbrochen wurde. Beide Male konzentrierte sich der Streit um Kaiserswerth, das 1702 fast ganz zerstört wurde.

Der ehrgeizige Philipp Wilhelm, der durchaus in der europäischen Politik eine große Rolle spielen wollte, hatte keine Zeit gefunden, sich der Verschönerung seiner Hauptstadt zu widmen. Nachdem ihm die deutsche Kaiserkrone und die polnische Königskrone entgangen, suchte er den Glanz seines Hauses wenigstens durch Familienverbindungen gleich den Habsburgern zu erhöhen: seine älteste Tochter ward deutsche Kaiserin, eine zweite Königin von Portugal, eine dritte Königin von Spanien. In seinem Sohne erst, dem Kurfürsten Johann Wilhelm, erstand der Landeshauptstadt ihr fürstlichster Schutzherr. Der Vater, einer der feinstgebildeten Fürsten des damaligen Deutschlands, der französische Courtoisie mit deutschem Ernst verband — so rühmt ihn in seinen Memoiren Clarendon — , hatte den Erbprinzen 1679 eine Rundreise an den europäischen Fürstenhöfen machen lassen. Mit dem Besuche Ludwigs XIV. in St. Germain begann er, um von dort aus erst nach Italien und nach Wien zu gehen. Ludwig XIV. blieb sein Ideal. In seinem Auftreten den Ständen gegenüber, seiner Anschauung von dem Lande als unerschöpflicher und geduldiger Steuerquelle lag ein gut Teil französischer Absolutismus, lud wie der Roi Soleil trat Johann Wilhelm nicht nur als Förderer und Mäcen den Künsten gegenüber, sondern zugleich als ihr eigentlichstes Ziel und ihr Inhalt: ihr Zweck war Verherrlichung seiner Person und seines Hofes.

Im Jahre 169o vollzog sich die Vereinigung von Jülich -Berg mit Kurpfalz, aber der neue Kurfürst verlegte die Hofhaltung nach Düsseldorf, wiewohl die niederrheinischen Gebiete nur ein Nebenland des Kurstaates waren. Wäre die Finanzlage des Staates damals eine günstigere gewesen, und hätten die Stände die geforderten Millionen bewilligen können und bewilligen wollen, so würde Düsseldorf jetzt eine Stadt sein, die mit Dresden und Würzburg in die Schranken treten könnte. In der Neustadt sollte sich am Rheine ein Riesenschloss erheben, ein kleines Versailles, mit breiten Freitreppen nach dem Strome zu, — der in den größten Dimensionen ausgeführte Originalplan, den heute das historische Museum der Stadt bewahrt, ist das einzige, was von dem glänzenden Projekte auf uns gekommen ist.

Dafür baute der Kurfürst die alte Residenz aus, führte im Lande zierliche Schlösschen auf, und vergrößerte seine Residenz fast um das Doppelte. Ein ganzer Hofstaat von italienischen und niederländischen Künstlern umgab ihn. Wie schon sein Großvater Wolfgang Wilhelm hatte er italienische Architekten an sich gezogen. Im Brennpunkt der Künstlerkolonie standen zwei niederländische Künstler, Gabriel von Grupello und Adrian van der Werff. Um sie scharten sich Johann Franz Douven, Antonio Pellegrini, Domenico Zanetti und andere. Die dankbare Stadt war im vollen Rechte, wenn sie ihrem Jan Willem auf dem Sockel zu seinem Reiterstandbilde, Grupellos Meisterwerke, die ehrenden Beinamen gab: Erweiterer der Stadt, Gründer der Pinakothek. Sein kostbarstes Vermächtnis freilich, eben die Gemäldegalerie, die erste große derartige Sammlung in Deutschland, die aus den von den Ständen bewilligten Mitteln zusammengebracht worden war, konnte der Stadt nicht erhalten bleiben; sie wanderte im Jahre 1806 nach München, wo sie jetzt den Kern und Grundstock der alten Pinakothek bildet.

Die kurze Glanzzeit unter Johann Wilhelm fand mit seinem Tode im Jahre 1716 ein rasches Ende, sein Nachfolger, Karl Philipp, blieb in dem pfälzischen Stammlande und lies, was sich von den Schöpfungen der künstlerischen Hofgesellschaft entführen lies, von Düsseldorf nach Mannheim und Neuburg bringen, erst unter seinem Erben Karl Theodor erwachte die alte Pracht wieder. Im Jahre 1746 hielt der Kurfürst unter glänzenden Festlichkeiten den Einzug in seine zweite Hauptstadt. Unter der Verwaltung des Grafen Goltstein erlangte Düsseldorf in der dreißigjährigen Friedenszeit eine neue Blüte auf allen Gebieten der wirtschaftlichen und geistigen Kultur. Durch die Anlage der Karlsstadt wurde die Stadt um ein Viertel vergrößert. Grundlagen für den höheren gelehrten Unterricht boten die Errichtung einer Rechtsschule, einer anatomischen Lehranstalt, der Landesbibliothek; um Friedrich Heinrich Jacobi sammelte sich in Pempelfort ein erlesener literarischer und philosophischer Kreis. Endlich schuf der Kurfürst neben der Bildergalerie die Anstalt, die heute den glänzendsten Ruhmestitel der Stadt bildet, die Kunstakademie.

Am Ende des 18. Jahrhunderts beginnt dann wieder eine Periode voll kriegerischer Unruhen, voll jäher Wechsel in Verwaltung und Herrschaft. Im Jahre 1794 waren die französischen Revolutionstruppen durch die Niederlande bis zum Rheine vorgedrungen, nach dem fürchterlichen Bombardement der Stadt in der Nacht vom 5. zum 6. Oktober, das das Schloss und einen großen Teil der Stadt in Brand setzte, ergossen sich die Franzosen plündernd in das bergische Land. Erst nach sieben Jahren, im Mai 1801, nach dem Frieden von Luneville, verließen sie das rechte Rheinufer. Unterdessen war die Regentschaft 1799 nach dem Tode des kinderlosen Kurfürsten an den Herzog Max Joseph von Pfalz -Birkenfeld -Zweibrücken übergegangen, der durch den Apanagialrecess vom Jahre 1803 seinem Schwager, dem Herzoge Wilhelm von Bayern aus dem Hause Pfalz-Birkenfeld-Gelnhausen, die Statthalterschaft im Herzogtum Berg übertrug. Das Herzogtum musste aber schon am 15. März 1806 an Napoleon abgetreten werden, der es noch am selben Tage dem Prinzen Joachim Murat überwies; am 15. Juli 1808 ging das neue Großherzogtum Berg wieder an Frankreich über und blieb in dessen Besitz, bis im November 1813 die ersten Truppen der Verbündeten in Düsseldorf einzogen. Durch den Wiener Congress wurde das Großherzogtum Berg an Preußen abgetreten, am 22. April 1816 wurde der Regierungsbezirk Düsseldorf gebildet und im Jahre 1848 die Oberbürgermeisterei der Stadt von der Verwaltung des Kreises abgetrennt.

Unter den preußischen Herrschern begann nun für Düsseldorf eine neue reiche Zeit. Mit ungeahnter Raschheit wuchsen ganze Stadtviertel neu empor, seit der einengende Ringwall gefallen und Düsseldorf durch den genialen Gartenkünstler Weyhe zur schönsten Stadt am deutschen Rhein umgeschaffen worden war. Der neue Rheinhafen, die letzte Großtat des unternehmenden Bürgersinnes Düsseldorfs, knüpft direkt wieder an den Plan des Gründers der Stadt, des Grafen Adolph V. an. Als Sitz der rheinischen Provinzialverwaltung hat die Stadt einen Teil ihrer alten Machtstellung als politisches Zentrum des Niederrheins wieder erlangt. Die Kunstakademie, die unter Krabe und Langer nur ein Scheinleben geführt, wie der Klassizismus, den sie lehrte, schnellte mit Peter von Cornelius hoch empor und wurde für eine kurze Spanne Zeit bestimmend für das Schicksal und den Werdegang der deutschen Malerei. Seit jener Epoche haben die Düsseldorfer in dem Konzert der deutschen Kunst eine laute Stimme, die sich nach den weichen Melodien der letzten Jahrzehnte in gesunder Kraft eben wieder zum trotzigen Rufen anschickt.

Der Kreis Düsseldorf zerfällt in zwei deutlich sich scheidende Teile, den niederen westlichen Uferstreifen, dessen Alluvialboden aus Lehm, Thon, Sand und Gerölle im fortwährend raschen Wechsel der Mischung besteht, und dem östlichen höheren Teil. Hier besteht der Abhang aus Diluvium, das sich östlich von Ratingen weit ausbreitet, dazwischen tritt der den hinteren Gebirgsstock bildende Lenneschiefer, im Nord-Osten der Verneuili-Schiefer des Ober-Devon zu Tage In den Mulden der Gebirgs-Ausladungen findet sich neben dem vielfach benutzten Kalkstein nesterförmig Brauneisenstein, in der Ebene auch Raseneisenstein. Auch in der Ausnutzung des Bau-Materiales scheidet sich Vorder- und Hinterland. Während in dem östlichen Teile wie in den Kreisen Essen und Mettmann der Kohlensandstein und Kalkstein das übliche Material darstellte, bediente sich das Niederland fast ausschliesslich, zumal in der Blütezeit des romanischen Stiles, der Tuffsteine, für deren Beschaffung der Rhein einen bequemen und billigen Beförderungsweg abgab.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz