Erster Theil. Von der Art und Weise, wie die nützlichen Dinge oder die Güter des Lebens entstehen, oder die Production: Naturproducte; Kunstproducte; Nothwendigkeit des Eigenthums: 8. 9.; die Güterquellen: 10.

Wenn wir die verschiedenen Güter des Lebens näher untersuchen, welche den Reichthum des Menschen ausmachen, wie vorstehend entwickelt worden ist: so finden wir, daß es deren gibt, welche die Natur uns aus freien Stücken darbietet, und zu deren Benutzung keine andere Mühe erforderlich ist, als sie in Besitz zu nehmen und sich ihrer zu bedienen. Jedoch können wir sie nur dann zu den wertvollen Gütern rechnen, welche den Reichthum des Menschen bilden, wenn ihre Menge so gering ist, daß nur Einzelne sich in Besitz derselben setzen konnten. Hierher gehören z. B. viele wildwachsende Früchte und Pflanzen, das Brennholz, das Wild, viele Mineralien etc. Man nennt diese Gegenstände in der Regel Naturproducte, im Gegensatz der Kunstproducte, welche erst durch die Kunst und die Arbeit des Menschen zu nützlichen Dingen umgeformt worden sind. Eine strenge Sonderung zwischen beiden ist übrigens nicht möglich. Das Wild z. B. ist dem Menschen erst genießbar, wenn es gekocht oder gebraten ist, und das Brennholz muß erst gefällt und zerhauen werden, um als solches brauchbar zu seyn. Dennoch pflegt man beides zu den Naturproducten zu rechnen.


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Viele Menschen sehen es als ein Unglück, ja als ein Unrecht an, daß eine Menge Dinge, welche die Natur dem Menschen zu seinem Gebrauche darbietet, von Einzelnen in Besitz genommen sind, und deren Benutzung von diesen, andern gar nicht oder nur gegen eine Entschädigung gestattet wird. Warum soll das Holz, das Getreide etc. was Gott für Alle wachsen läßt, nicht Gemeingut Aller seyn, sondern einem Einzelnen gehören, dessen Vorfahren sich vielleicht in den Besitz des Grund und Bodens setzten, worauf es wächst? Diese Frage ist oft aufgeworfen und häufig zu Gunsten der Gesammtheit und zum Nachtheil der bisherigen Besitzer entschieden worden (z. B. in den agrarischen Gesetzen Roms). Bei näherer Prüfung zeigt sich jedoch, daß es ein großes Glück für die Menschen ist, daß sich Einzelne in den Besitz dieser Güter setzten: weil diese Besitzer ein Interesse haben, daß der zweckmäßigste Gebrauch davon gemacht und sie nicht unnütz verschwendet werden. Auch wird nur dadurch, daß diese Güter das Eigenthum eines Einzelnen geworden sind, in fielen Fällen ihre Benutzung für längere Zeiten gesichert. Wo die Jagd Jedem freisteht, wird das Wild bald ausgerottet seyn. Ein Acker, der jährlich unter die vorhandenen Gemeinglieder getheilt wird, wie es mitunter geschieht, wird gewiß in der allerschlechteste Cultur stehen, und Niemand auf seine Verbesserung etwas verwenden. Wenn Jemand, der an einem Fluße ein Wehr anlegen und eine Mühle bauen wollte, nicht sicher wäre, dieß Besitzthum ungestört sich und seinen Nachkommen zu erhalten, so würde er sich wohl hüten, diese Anlage zu machen, vielmehr das Wasser ungenutzt fließen lassen. Endlich werden wir in der Folge zu sehen Gelegenheit haben, daß die Ungleichheit des Vermögens aus ganz andern Ursachen entspringe, als aus der ungleichen Vertheilung der natürlichen Güter; und daß, wenn diese Vertheilung auch auf eine gleichmäßige Weise bewirkt werden könnte, was aus verschiedenen leicht einzusehenden Gründen sogar gänzlich unthunlich ist, es ohne Zweifel noch viel mehr Arme und viel weniger Reiche als jetzt geben würde. Alle einigermaßen in der Civilisation vorgeschrittenen Völker haben daher auch das Recht des Besitzes der natürlichen Güter und namentlich des Wichtigsten darunter, des cultivirten Grundes und Bodens, geheiligt und vor jedem Angriff durch Gesetze geschützt.


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Oben bereits wurde erwähnt, daß es fast kein Gut gebe, was ohne die Mitwirkung oder die Arbeit des Menschen an und für sich gebrauchsfähig und nützlich sey. Hierauf näher eingehend, finden wir, daß jedes nützliche Ding, ja jede Annehmlichkeit des Lebens, ihr Entstehen verdankt und hervorgeht aus

a) der Wirkung der Natur oder den von der Natur gelieferten Stoffen;
b) der Thätigkeit, Wirksamkeit oder Arbeit des Menschen;


aus welchen beiden Güter- oder Vermögensquellen daher ohne Ausnahme die Entstehung jedes Gutes, jedes nützlichen Dinges, herzuleiten ist. Das Erz z. B., woraus der Stahl zu einem Messer bereitet wurde, ebenso wie das Holz zum Griff, lieferte die Natur, während der Mensch den Stahl bereitete und dem Messer seine Form und Brauchbarkeit gab. Ein Flötenconcert – unstreitig ein nützliches Ding, und daher zu den Gütern zurechnen, wenn auch zu den sehr vergänglichen – ist nur möglich, wenn die Flöte auf ähnliche Art, wie das Messer, aus den Stoffen der Natur bereitet, und dem Flötenbläser unter Mitwirkung einer Menge verschiedenartiger Hilfsmittel, ein gründlicher Unterricht in seiner Kunst ertheilt wurde; und so können wir die Entstehung aller nützlichen und angenehmen Dinge, sie seyen körperlich oder unkörperlich, auf jene beiden Güter- oder Vermögensquellen zurückführen. Man hat indessen zur Bequemlichkeit der Uebersicht noch eine dritte Güter – oder Vermögensquelle angenommen, nämlich das Capital; wie z.B.: Häuser, Mühlen, Fabrikgebäude, die Möbel, Instrumente, Waaren in den Waarenlagern eines Kaufmanns etc., weil dasselbe ebenfalls bestimmt ist, bei der Erzeugung der Güter des Lebens mitzuwirken und dieselbe möglich zu machen. Man sieht indessen sogleich bei näherer Prüfung, daß dieß Capital selbst nur ein Erzeugniß (Product) der beiden obengenannten zwei ursprünglichen Güterquellen, nämlich der Naturkräfte oder Naturstoffe, und der menschlichen Thätigkeit ist.
Wir gehen zu einer nähern Betrachtung dieser drei Vermögensquellen über, nachdem noch die fast unnöthige Bemerkung vorausgeschickt worden ist, daß der Ausdruck ,,Erzeugung von Gütern“ nur insoweit richtig ist, als diese Güter, wenn sie körperlich sind, aus den Naturstoffen unter veränderter Form und Eigenschaften dargestellt werden, um sie den Menschen nutzbar zu machen; eine wirkliche Erzeugung derselben aus dem Nichts aber eben so wenig möglich ist, als eine gänzliche Vernichtung, welche letztere sich ebenfalls nicht auf den Stoff und dessen Bestandtheile, sondern nur immer auf die Form und die Eigenschaften beziehen kann.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Kunst reich zu werden